Geplante Invasion in Nord-SyrienTürkei bricht neuen Streit vom Zaun

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Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei.

Istanbul – Devlet Bahceli spricht manchmal Dinge aus, vor denen selbst Recep Tayyip Erdogan zurückschreckt. Gestern stellte Bahceli, Chef der türkischen Nationalistenpartei MHP und Erdogans Bündnispartner, die Nato-Partnerschaft der Türkei in Frage. Wenn der Streit um den Beitritt von Finnland und Schweden nicht beigelegt werde, solle die Türkei einen Austritt aus der Allianz in Betracht ziehen, sagte Bahceli.

Türkei will Nato-Beitritt von Schweden und Finnland verhindern

Ganz so weit wollte Erdogan vor den heutigen Gesprächen mit Delegationen der nordeuropäischen Staaten in Ankara nicht gehen. Seine Regierung fordert schriftliche Verpflichtungen im Nato-Streit, will aber verhandeln. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zeigte sich zuversichtlich, dass es eine Einigung geben werde.

Doch an anderer Stelle brach Erdogan neuen Krach mit dem Westen vom Zaun: Der türkische Präsident will die Armee so bald wie möglich zu ihrer fünften Intervention nach Nord-Syrien schicken. Ziel sei es, syrische Gebietsstreifen von 30 Kilometer Tiefe südlich der Grenze einzunehmen, sagte der Präsident am Montagabend.

Sollte die Türkei den Plan umsetzen, hätte sie alle syrischen Gebiete entlang der 900 Kilometer langen Grenze unter ihrer Kontrolle. Die eroberten Gebiete will Erdogan nutzen, um eine Million Syrer aus der Türkei in geplante Siedlungen in Nord-Syrien zu bringen. Das könnte ihm vor den Wahlen im kommenden Jahr helfen.

Erdogan: Scharfe Töne Richtung USA

Die Invasionspläne hängen mit dem Nato-Streit zusammen: Die Gegenden, die für die neue Intervention in Frage kommen, werden von den USA und der YPG kontrolliert – die Türkei wirft nicht nur Schweden eine Zusammenarbeit mit der PKK-Partnerin vor, sondern auch den USA. Washington betrachtet die YPG als verlässlichen Partner im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien. Erdogan hält den Amerikanern dagegen vor, mit Todfeinden der Türkei zu kooperieren, und fordert ein sofortiges Ende dieser Zusammenarbeit.

Auch Erdogans neuer Streit mit Griechenland lässt eine Verbindung zum Nato-Krach erkennen. Der türkische Präsident sagte, der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis existiere ab sofort nicht mehr für ihn, und er werde nicht mehr mit ihm sprechen. Erdogan begründete das damit, dass Mitsotakis vorige Woche den US-Kongress aufgerufen hatte, den Verkauf von F-16-Kampfflugzeugen an die Türkei abzulehnen. Erdogans Regierung hat die Lieferung der F-16 zur Bedingung für ihre Zustimmung zum Nato-Beitritt von Finnland und Schweden erklärt. Selbst bei einer Annäherung zwischen der Türkei und den Skandinaviern wäre der Nato-Streit also noch nicht vom Tisch.

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Anti-westliche Töne gehören zu den Wahlkampf-Instrumenten der Regierung. Das Bündnis aus Bahcelis MHP und Erdogans AKP sucht Sündenböcke für sinkende Umfragewerte und wachsende wirtschaftliche Probleme. Der MHP-Chef beschuldigte ausländische Kräfte und Oppositionsparteien in der Türkei, den Aufstieg des Landes stoppen zu wollen. Für hohe Inflation, schwache Währung und unbezahlbaren Wohnraum machte er ebenfalls Feinde der Türkei verantwortlich.

Zwei von drei Türken sind dagegen inzwischen laut Umfragen der Meinung, dass die Regierungspolitik schuld ist an der Misere. Die Lira sank am Dienstag gegenüber Dollar und Euro auf den niedrigsten Stand seit einem halben Jahr.

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