Islamkolleg startet in OsnabrückHat die Imamausbildung in Deutschland Zukunft?

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Die Zentralmoschee in Köln-Ehrenfeld.

Osnabrück – In Osnabrück startet an diesem Dienstag das Islamkolleg Deutschland, an dem Imame ausgebildet werden sollen. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick. Was ist ein Islamkolleg? Wer Pfarrer, Rabbiner oder Imam werden will, studiert die jeweilige Religion. Das allein befähigt ihn aber noch nicht dazu, eine Gemeinde zu leiten. Deshalb gibt es Priester- und Rabbinerseminare. Auch im Islam braucht es mehr als ein Theologiestudium. Um islamische Theologen in Deutschland zu Imamen weiterzubilden, wurde nun in Osnabrück das Islamkolleg Deutschland gegründet. Zwei Jahre lang werden Theologen hier fit gemacht für die Moschee.

Warum ist das Islamkolleg in Osnabrück so besonders?

Diese Imamausbildung ist zwar nicht die erste ihrer Art. Dennoch wird mit dem Projekt in Osnabrück Geschichte geschrieben. So bildet beispielsweise der größte deutsche Islamverband, die Ditib, seit Januar 2020 Imame in einem Imamseminar in der Eifel aus. Das Kolleg in Osnabrück ist jedoch das erste, das vom deutschen Staat finanziert wird. Das Anliegen: Hier sollen deutsche Imame unabhängig vom Einfluss anderer Länder wie etwa der Türkei ausgebildet werden.

Wie sah der Weg bis zum Kolleg aus?

Vor allem einer hat bis zum fertigen Kolleg zahllose Klinken geputzt, Gespräche mit Politikern geführt und Überzeugungsarbeit geleistet: der Professor des Instituts für Islamische Theologie in Osnabrück, Bülent Ucar. Er ist wissenschaftlicher Leiter der Einrichtung. 2007, so erinnert sich Ucar im Gespräch mit unserer Redaktion, habe er als Professor in Osnabrück zum ersten Mal die Forderung nach einer Ausbildung für Imame erhoben: „Die Politik hat sich immer interessiert gezeigt, aber es ist nie etwas daraus geworden. Für die einen ist der Islam eine fremde Religion, die man primär unter integrations- und sicherheitspolitischen Aspekten betrachtet. Für die anderen ist Religion per se etwas Verdächtiges, womit sich der Staat nicht beschäftigen sollte.“

Was hat sich seitdem geändert?

Vor vier Jahren wurden Vorwürfe gegen Imame der größten islamischen Religionsgemeinschaft in Deutschland, der Ditib, laut. Deren aus der Türkei entsandte Geistliche wurden beschuldigt, nach einem Putschversuch in der Türkei Informationen über Anhänger des Predigers Fethullah Gülen in Deutschland gesammelt zu haben. Im Anschluss war die deutsche Politik dem Projekt Imamausbildung in Deutschland gegenüber aufgeschlossener.

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Nach zahlreichen Vorgesprächen gründeten fünf kleinere Islamverbände 2019 einen Verein, der Imame ausbilden will, Zusammenschlüsse von Marokkanern, Bosniaken, Malikiten, zudem ein niedersächsischer Verband und der Zentralrat der Muslime. Die großen Verbände – etwa die türkische Ditib – sind nicht dabei. Ditib hatte 2020 ein eigenes Ausbildungszentrum in der Eifel eröffnet. Aber immerhin verträten die fünf Vereine zusammen 500 Moscheegemeinden, sagt Ucar.

Wer zahlt für das Projekt?

Von Juli 2020 bis Oktober 2025 fördert das Bundesinnenministerium das Projekt laut dem Islamkolleg mit rund fünf Millionen Euro und das niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur mit rund 500.000 Euro.

Wo findet die Ausbildung statt?

Der Standort Osnabrück soll nicht der einzige Ausbildungsort sein: Hier, so Ucar, sollen höchstens zehn bis zwanzig Prozent der Veranstaltungen stattfinden. „Wir adressieren das gesamte Bundesgebiet“, sagt der Professor. So gebe es Lerngruppen von Hamburg bis München, von Düsseldorf bis Berlin und von Osnabrück bis Mannheim.

Wie geht es nach fünf Jahren weiter?

Fünf Jahre wird das Projekt nun laufen. Aber was ist mit der Langfristperspektive? Was, wenn die Projektförderung ausläuft? „Das ist einer der Punkte, die ich in meiner Eröffnungsrede ansprechen werde“, kündigt Ucar an. „Es kann nicht sein, dass man nach fünf Jahren sagt: Das war es jetzt.“ Ucar argumentiert, der Staat fördere katholische und evangelische Zwecke – warum also keine islamischen?

Wer soll die fertigen Imame und Seelsorger einstellen?

Ucar skizziert drei Wege: Erstens könne man die Seelsorge mit einer Einstellung als islamischer Religionslehrer kombinieren, sodass die Last der Finanzierung nicht alleine bei den Gemeinden liegt. Zweitens könne der Staat in muslimische Integrationsarbeit investieren. Und drittens könne man über muslimische Wohlfahrtsverbände nachdenken – analog zu Caritas und Diakonie, die sich etwa in der Altenpflege oder bei Beratungsangeboten auch weitgehend über den Staat finanzieren.

Am Dienstag starten 20 Kollegiaten mit ihrer Ausbildung zum Imam, 35 weitere mit der Ausrichtung Seelsorge und 15 Imame, die sich in einzelnen Bereichen weiterbilden. Was die Langfristperspektive der Ausbildung angeht, ist der Osnabrücker Professor pragmatisch: „Entweder etabliert sich das Projekt, oder es wird 2025 aufgelöst. Für politische Symbolpolitik stehen wir hier nicht zur Verfügung.“

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