Jessica Rosenthal im PorträtDiese Bonnerin will Nachfolgerin von Kevin Kühnert werden

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Jessica Rosenthal, Vorsitzende der nordrhein-westfälischen Jusos

  • Die 27-jährige Lehrerin will Nachfolgerin von Kevin Kühnert als Juso-Chefin werden.
  • Wer ist diese Frau, die Karneval gerne als Robin Hood geht und der SPD verordnen möchte, mehr „Team-Partei“ zu werden? Ein Porträt.

Berlin – Zwischen Altweiber und Veilchendienstag muss man gar nicht erst versuchen, mit Jessica Rosenthal über Gleichberechtigung, Bildungschancen und öffentliche Investitionen zu diskutieren. Dann ist die 27-Jährige im Bonner Straßenkarneval abgetaucht. Die einzigen politischen Statements während der jecken Tage sind ihre favorisierten Kostüme: Sansculottes – das waren während der Französischen Revolution die aufständischen Arbeiter und Kleinbürger, bei denen auch Frauen eine wichtige Rolle spielten. Oder sie geht klassisch als Robin Hood. Damit sind ihre Themen gesetzt: Feminismus und soziale Gerechtigkeit. Die NRW-Juso-Chefin will beim Bundeskongress im November in Berlin Kevin Kühnert an der Spitze der SPD-Jugendorganisation beerben. Über mögliche Gegenkandidaturen ist zum jetzigen Zeitpunkt wenig zu sagen.

Bodenständig, pragmatisch, optimistisch

Rosenthal entspricht nicht ganz dem Bild, das man sich über Jahre von Juso-Chefs machen konnte. Inhaltlich schon. „Die Empörung über die Äußerungen von Kevin Kühnert zur Kollektivierung von Unternehmen kann ich nicht nachvollziehen“, sagt sie. Es gehe schlicht darum, Konzepte zu finden, die Gesellschaft besser und gerechter zu machen. „Wenn man erkennt, dass Menschen die Unternehmensanteile und Immobilien besitzen, immer mehr profitieren als andere, dann muss man etwas ändern.“  Beim Mindestlohn sagt sie „mindestens 13 Euro“, zur Energiewende „Rekommunalisierung“. Die Stromkosten könnten nur bezahlbar bleiben, wenn nicht „alles am Profit ausgerichtet“ sei.

In ihrem Auftreten strahlt sie Bodenständigkeit, Pragmatismus und Optimismus aus. Grundsätzliche Fragen beantwortet sie konkret und lebensnah. Zum Beispiel, wenn es um Bildung geht. Rosenthal ist Lehrerin an einer Realschule in Bonn Tannenbusch. Wer die sonst so wohlhabende einstige Hauptstadt kennt, wird sagen: Aha, Brennpunkt. Die SPD-Politikerin mag diesen Begriff nicht, kommt aber trotzdem auf den Punkt: „An der Schule werden Lebenschancen verteilt“, sagt sie und schimpft, der Staat können nicht die ganze Verantwortung bei den Lehrern abladen. „Wir benötigen Milliardeninvestitionen, um endlich die Ungerechtigkeit zu beseitigen, dass der Schulerfolg vom Bildungshintergrund der Eltern abhängt.“ Und dann legt sie im Juso-Sound richtig los: „Wir brauchen ein anderes Staatsverständnis. Die neoliberale Märchenstunde vom verzwergten Staat ist falsch.“ Es sei moralisch nicht zu rechtfertigen, dass ein Industriestaat nicht genug in sein wichtigstes Gut, die Kinder, investiere. Für die Brennpunktschulen brauche es einen Sozialindex, der für deutlich mehr Personal sorge.

Die neue Rolle der Jusos

Rosenthal ist als Bonner SPD-Chefin auch in der Kommunalpolitik verankert. Mit 18 kam sie in die Stadt und habe sich „schockverliebt“. Aufgewachsen ist sie als Älteste von vier Schwestern. Die Rolle der Anführerin ist ihr also nicht fremd.

Im Herbst vergangenen Jahres gehörte sie zur schlagkräftigen Juso-Truppe um Kevin Kühnert, die mit viel Gespür für eine zugkräftige Kampagne die Kandidatur von Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans unterstützt hat. Rosenthal sieht die Jusos in einer neuen Rolle: „Es greift viel zu kurz, wenn die Jusos auf Kritik an der Parteiführung verengt werden“, sagt sie und verweist auch darauf, dass sich die SPD seit dem Parteitag im Dezember „zum Positiven“ verändert habe. „Wir haben Hartz IV inhaltlich überwunden, es gibt ein neues Sozialstaatskonzept, die Schuldenbremse wurde zugunsten einer Investitionsoffensive beerdigt.“ Sollte die junge Lehrerin im November tatsächlich zur Juso-Chefin gewählt werden, will sie einen neuen Stil prägen. „Ich werde mich dafür einsetzen, dass wir dauerhaft einen Kulturwandel schaffen, was den Umgang miteinander in der Partei angeht.“ Wer pubertierende Teenager zähmen kann, kann vielleicht auch die Genossen zu pfleglichen Umgangsformen bewegen. „Wir werden noch stärker Team-Partei werden“, gibt sie als Ziel aus.

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 Als Lehrerin für Geschichte und Deutsch hat sie auch ihre eigenen Konfliktlösungsstrategien: „Mir ist es wichtig, dass die jungen Menschen sich selbst einbringen können“, betont Rosenthal. Für sie sei es ein „toller Moment“, wenn ein  Achtklässler Kritik äußere und Dinge hinterfrage. „Man kann dann Regeln auch mal neu aushandeln.“

 Nach SPD-Vizekanzler Olaf Scholz gefragt lächelt sie milde und antwortet noch einmal pädagogisch: „Wenn er Kanzlerkandidat werden will, muss er den Jusos ein Angebot machen und mit uns Gespräche führen.“ Auf der Hut ist sie auch, diese Jessica Rosenthal, von der in der SPD noch die Rede sein wird.

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