Kölner OB-Duell, Teil 2Reker und Kossiski stellen sich den Fragen unserer Leser

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OB Henriette Reker und Herausforderer Andreas Kossiki

  • Mitte August waren OB Henriette Reker (parteilos) und Herausforderer Andreas Kossiski (SPD) zu Gast im Rundschau-Haus.
  • Längst nicht alle Leserfragen konnten beantwortet werden. Nun setzen wir das Duell fort.

Köln – Was werden Sie für die Sicherheit von Fußgängern tun? Kossiski: Fußgänger haben in dieser Stadt leider keine Lobby, das zeigt sich jetzt vor allen Dingen bei Corona. Wir müssen den Fußgängern mehr Wahrnehmung schenken, weil sie die schwächsten Verkehrsteilnehmer sind. Wir müssen Verantwortung herstellen und Fußgängerbeauftragte auf die Straßen bringen, um die Rechte der Fußgänger zu stärken. 

Reker: Wir tun noch nicht genug. Ein wichtiger Schritt ist aber, dass wir die Altstadt verkehrsberuhigt und unter anderem die Wegebeziehungen für FußgängerInnen verbessert haben. Das ist sicher ein Modell für andere Veedel. Wir modernisieren unsere Ampelanlagen kontinuierlich mit akustischen Signalgebern und taktilen Bodenelementen und reduzieren freilaufende Rechtsabbieger. Wir planen zwei Fußgängerbrücken über den Rhein.

Warum gibt es nicht mehr fest installierte Blitzer?

Alles zum Thema Henriette Reker

Reker: In der Stadt sind aktuell sieben Radarwagen, ein Messcontainer und elf semistationäre Anlagen an über 1900 Messstellen im Einsatz. Dies geschieht vor allem in der Nähe von schutzwürdigen Einrichtungen, zum Beispiel Schulen und Kitas oder an Stellen mit besonderer Unfallhäufung. Fest installierte Radarfallen müssen teilweise vom Land oder der Bezirksregierung genehmigt werden, das sind aufwendige Verfahren.

Kossiski: Mobile und festinstallierte Blitzer sind keine Allheilmittel. Die jeweilige Verkehrsführung muss unter die Lupe genommen und angepasst werden, damit sich die Menschen mit mehr Rücksicht im Straßenverkehr begegnen und bewegen.

Viele Radwege im Rechtsrheinischen sind voller Wurzelaufbrüche und müssen saniert werden, Warum passiert nichts?

Kossiski: Ich würde es erweitern, es ist nicht nur im Rechtsrheinischen, es ist im gesamten Stadtgebiet so. In diesen Bereichen wurde in den letzten Jahren schlichtweg zu wenig getan. Hier muss so schnell als möglich reagiert werden. Wir brauchen Fahrrad-Netzwege, wir brauchen neue Fahrradwege und sie dürfen kein Gefährdungspotenzial für ihre Benutzer haben.

Reker: Fahrradstädte wie Rotterdam haben mit dem Ausbau ihrer Infrastruktur nach dem Zweiten Weltkrieg begonnen, wir haben also Nachholbedarf. Wir sanieren die Radwege kontinuierlich, reservieren Fahrspuren für den Radverkehr, bauen Fahrradstraßen aus und reduzieren freilaufende Rechtsabbieger. Das reicht noch nicht aus, aber wir haben in den vergangenen fünf Jahren mehr umgesetzt als in den 15 Jahren davor. Ich werde das Tempo in meiner zweiten Amtszeit weiter erhöhen.

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Sind Sie für oder gegen die Verlängerung des Niehler Gürtels für Autos?

Kossiski: Es geht nicht nur um eine Verlängerung, es geht um einen Gürtelschluss. Der Niehler Gürtel ist angelegt worden, um ein Gürtelsystem zu vervollständigen. Ich habe die Entscheidung des Gestaltungsbündnisses nie verstanden, weil es dazu führt, dass der Verkehr jetzt in die umliegenden Anwohnerstraßen ausweicht. Man hat versucht, ein Problem ökologisch zu lösen, und hat dadurch viele andere geschaffen.

Reker: Ich spreche mich klar für eine leistungsfähige Radverkehrsverbindung auf dem Niehler Gürtel aus. Er wird im städtischen Radwegenetz eine zentrale Achse, um beide Rheinseiten miteinander zu verbinden. Die Planungen bis zur Mülheimer Brücke laufen derzeit im Amt für Straßen und Verkehrsentwicklung. Damit setzen wir den Ratsbeschluss von 2018 um. In 2021 werden wir einen Variantenvorschlag den Gremien vorstellen

Sie haben sich für ein Nachtflugverbot von Passagiermaschinen ausgesprochen. Wie wollen Sie das gegenüber den anderen Anteilseignern des Flughafens durchsetzen?

Reker: Ich vertrete meine Forderung nach einem Nachtflugverbot für Passagiermaschinen energisch. Um eine Lösung herbeizuführen, bedarf es der Einigkeit mit den Anteilseignern. Die werde ich versuchen herzustellen.

Kossiski: So etwas geht nur im Konsens. Wir sind nur ein Anteilseigner. Aber wir müssen diese Themen gerade auch nach Corona – und in Fragen von Gesundheitsschutz – bei diesen Gremien in den Fokus rücken. Ich werde meine Stimme dafür einbringen, dass wir zu Lösungen kommen, dass der Passagierverkehr in der Nacht eingeschränkt oder ganz eingestellt wird.

Ich bin 85 Jahre alt. Dass ich die neue Oper nicht mehr erlebe, damit habe ich mich abfinden müssen. Die Hoffnung auf besser funktionierende Aufzüge und Rolltreppen der KVB habe ich aber noch nicht aufgegeben. Trauen Sie sich als OB zu, dafür zu sorgen?

Reker: Es tut mir sehr leid, dass diese Baustelle sich so langwierig und schwierig gestaltet. Und ich bitte Sie, die Hoffnung nicht aufzugeben, dass Sie die Eröffnung erleben – hoffentlich in meiner zweiten Amtszeit. Die Stadt muss dringend barrierefreier gestaltet werden. Gerade bei den KVB-Haltestellen ist das aber häufig hochkomplex. Sie sind Jahrzehnte alt und lassen sich nicht ohne Weiteres baulich umgestalten. Außerdem spielt auch Vandalismus gerade bei Aufzügen eine große Rolle. Wir können die komplexen Umbauarbeiten nur sukzessive umsetzen. Ich werde aber ein weiteres Investitionsprogramm für die Barrierefreiheit an KVB-Stationen vorschlagen.

Kossiski: Es kann nicht sein, dass diese Mängel nicht zeitnah behoben werden. Verlassen Sie sich darauf, als Oberbürgermeister werde ich Druck machen, dass solche Selbstverständlichkeiten funktionieren werden. Die KVB muss in die Lage versetzt werden, solche Alltagsprobleme unmittelbar zu lösen.

Viele Schulen sind marode, es fehlt an Plätzen, vor allem an Gesamtschulen. Was tun Sie kurzfristig?

Kossiski: Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, um neue Gesamtschulen zu bauen. Die Stadt agiert hier am Elternwillen vorbei. Alleine in diesem Jahr fehlen Gesamtschulplätze für 1000 Kinder. Es ist ein Skandal, dass in Köln 54 Schulen fehlen. Das Wohl und die Bildung unserer Kinder hat Vorfahrt. Marode Schulen müssen kurzfristig saniert werden, das Geld muss bereitstehen! Man sollte prüfen, ob Budgets für fehlende Ausstattung, für Kleinanschaffungen nicht direkt vor Ort verwaltet werden.

Ich werde mich dafür einsetzen, dass dieses Problem unmittelbar und sofort und ohne weitere Verzögerungen angegangen wird. Ich werde auf Ergebnisse pochen und nicht müde werden, Prozesse zu hinterfragen um sie zu beschleunigen! Reker: An der Sanierung der Gebäude haben wir in den Sommerferien gearbeitet: 78 Bau- oder Sanierungsmaßnahmen für 59 Schulstandorte wurden durchgeführt, allein hier wurden mehr als 10 Millionen Euro investiert. Parallel arbeiten wir aktuell an 91 Neubau-Großprojekten und haben gerade erst das größte Schulbauprogramm aller Zeiten für Köln verabschiedet. Mit dieser Schulbau-Offensive können für Köln rund 22.000 Schulplätze gesichert oder zusätzlich geschaffen werden.

Wie wollen Sie für mehr Sicherheit im öffentlichen Raum sorgen?

Kossiski: Durch mehr Veedels-Beamte, durch eine stärkere Präsenz des Ordnungsdienstes, den wir mittelfristig ausbauen müssen - ich werde mich dafür stark machen, dass dieser dezentral angesiedelt wird. Wir benötigen Streetworker und Sozialarbeiter. Aber auch kriminalpräventive Räte in den Veedeln, die von den Menschen gestaltet werden, die dort leben, die genau wissen wo die Unsicherheitspotenziale sind, wo Angsträume existieren. Denn Sicherheitsfragen sind Fragen für alle.

Reker: Köln ist statistisch gesehen so sicher wie zuletzt vor 30 Jahren. Ich setze mich aber für eine stärkere Präsenz von Polizei und Ordnungskräften ein, damit sich jede Kölnerin und jeder Kölner auch sicher fühlt. Im Ordnungsamt haben wir hierzu 100 neue Stellen geschaffen, sowie effektive Sicherheitsstrukturen, die ich weiter stärken möchte: Ordnungspartnerschaften, mobile Sicherheitsangebote, eine regelmäßige Sicherheitskonferenz und ein neues Zentrum für Kriminalprävention.

Was wollen Sie gegen die seit Jahren fortschreitende Verunreinigung des Grundwassers tun? Wie reagieren Sie auf die immer wiederkehrenden Störfälle bei Shell in Godorf?

Reker: Es ist natürlich unfassbar, dass über Monate 450 000 Liter Öl im Boden versickern konnten, zumal Shell seit Jahren verspricht, dass die Rohre geprüft werden. Die zuständige Aufsichtsbehörde ist hier allerdings die Bezirksregierung und nicht die Stadt. Darüber hinaus ist es Aufgabe der Staatsanwaltschaft, juristische Konsequenzen zu prüfen. Das geschieht in diesem Fall auch.

Kossiski: Wir benötigen konsequente Kontrollen durch städtische Behörden sowie von Landes- und Bundesbehörden. Die Stadt hat über Jahre Personal abgebaut. Wir brauchen aber qualifiziertes Personal, um Kontrollen überhaupt durchführen zu können. Es kann nicht sein, dass in manchen Betrieben nur alle zehn Jahre kontrolliert wird! Das ist ein Prozess, der jetzt angepackt werden muss. Wir müssen dort, wo andere zuständig sind, darauf drängen, dass sie genügend qualifiziertes Personal zur Verfügung stellen.

Sind Sie für den Ausbau der FC-Trainingsplätze im Grüngürtel?

Kossiski: Ja!

Reker: Nein, ich will unsere Grüngürtel als Naherholungs- und Landschaftsschutzgebiete erhalten. Ich habe vor der Ratsabstimmung dafür geworben, mit dem FC einen alternativen Standort zu suchen. Als OB muss ich akzeptieren, dass der Stadtrat hier anders entschieden hat. Der FC muss jetzt mit Blick auf den großen Widerstand selbst wissen, ob er das Risiko einer langjährigen juristischen Auseinandersetzung eingeht.

Gibt es Pläne für neue Theater, Proberäume und die Clubszene? Kleine Bühnen verschwinden, Hotels, Büros und Wohnungen sind lukrativer.

Kossiski: In den Corona-Zeiten zeigt sich, wie wichtig die Kultur- und Club-Szene ist. Wir müssen JETZT politische Entscheidungen treffen. Ich erwarte, dass ab sofort die entsprechenden Gesprächsrunden stattfinden. Die vorhandenen Ideen aus der Kulturszene oder der IG Gastro müssen gehört werden, Konzepte müssen umgesetzt werden. Denn es besteht die Gefahr, dass wir die Vielfältigkeit dieser Stadt verlieren.

Reker: Wir haben den Kulturetat seit 2016 um 50 Millionen Euro erhöht und damit ein wichtiges Signal gesendet: Kunst und Kultur sind die Seele unserer Stadt. Köln hat neben den etablierten Institutionen eine sehr vielfältige Freie Kulturszene, die wir fördern und in der Coronakrise gezielt unterstützt haben, unter anderem mit einem 3 Millionen Euro Notfallfonds. Aber die Pläne müssen von den Kulturschaffenden kommen, als Stadt können wir nur weiter fördern.

Was halten Sie vom Bau einer neuen Event-Konzerthalle, die die Angebotslücke zwischen dem Palladium mit ca. 4000 Besuchern und der Lanxess-Arena (ab 7000 Zuschauer) schließt?

Reker: Grundsätzlich braucht die Stadt mit ihrem vielfältigen kulturellen Angebot eine solche Spielstätte. Ob der Zeitpunkt gerade jetzt in der Corona-Krise aber der richtige ist, stelle ich in Frage.

Kossiski: Ich kenne dieses Thema aus dem Sportbereich. Es fehlt uns eine Halle mit einer Kapazität von 4000 - 5000 Zuschauern für die Sportarten Handball, Basketball, Volleyball. Weshalb also nicht eine Multifunktionshalle dieser Größenordnung als Kultur, Event- und Sportlocation bauen?

Sind Sie für den Bau einer Markthalle mit Gastronomieangebot in Köln, wie es sie in Berlin oder Frankfurt gibt? Bietet sich der Deutzer Hafen dafür an?

Kossiski: In anderen Städten sind das erfolgreiche Modelle. Doch dafür braucht man ein schlüssiges, durchdachtes Konzept – und Investoren. Wenn solche Vorhaben durchgeplant sind, sollten sich entsprechende Flächen finden. Wo genau das in der Stadt sein könnte, hängt von vielen Variablen ab – nicht zuletzt von der Verkehrs- und ÖPNV-Anbindung. Reker: Natürlich hat angesichts des großen Bedarfs für uns zunächst einmal die Schaffung von Wohnraum oberste Priorität. Den Deutzer Hafen planen wir als gemischt genutztes Quartier und vielfältige Nachbarschaft mit Kitas, einer Grundschule, Gastronomie, sowie Kultur- und Freizeitangeboten. Ich kann mir durchaus auch eine Markthalle vorstellen, wie es sie in vielen europäischen Metropolen gibt, ob dies in Deutz sein soll, kann ich derzeit nicht abschätzen.

Wie stehen Sie zur Bebauung des Parkplatzes am Haupteingang des Melaten-Friedhofs (Piusstraße) und dem Verlust von großen Bäumen in Zeiten des Klimawandels in der Großstadt Köln?

Kossiski: Wir begrüßen die Schaffung von 40 bezahlbaren Mietwohnungen auf dem Parkplatz Piusstraße. 60 % werden öffentlich gefördert errichtet, darunter Wohnungen für Flüchtlinge. Im Erdgeschoss wird Einzelhandel und Gastronomie angesiedelt werden. Ausgleichsmaßnahmen für die leider notwendige Fällung der vorhandenen Bäume wird das Bebauungsplanverfahren vorsehen, das zurzeit läuft. Dafür werden wir uns einsetzen. Reker: Auf dem Grundstück Piusstraße/Ecke Geleniusstraße, das derzeit als Parkplatz genutzt wird, soll ein Wohngebäude entstehen. Stadtentwicklung ist immer ein Abwägungsprozess: Wir wollen natürlich das Klima schützen, aber wir brauchen eben auch dringend Wohnraum. Und gerade der Friedhof Melaten ist mit seinem alten Baumbestand mit Platanen, Ahorn, Birken und Trauerulmen ja ein wesentlicher Teil der grünen Lunge Kölns, der unangetastet bleibt.

In Buchheim ist seit Jahren der Strunder Bach trocken gelegt und die Bäume leiden darunter. Wie wollen Sie „altes Grün“ wie in Buchheim erhalten?

Reker: Die Kölner Grünanlagen sind ein einmaliges Kulturgut. Wir wollen die vorhandenen Wälder, Grünflächen und Parks nicht nur erhalten, sondern auch weiterentwickeln, z.B. mit der Verlängerung des Inneren Grüngürtels bis zum Rhein. Die Pflege von bestehenden Bäumen ist aber genauso wichtig. Zur Bekämpfung der Trockenheit haben wir deshalb zusätzliche Gießfahrzeuge im Einsatz, außerdem Standrohre zur mobilen Wasserentnahme und die im letzten Jahr erprobten Wassersäcke.

Kossiski: Die Stadtentwässerungsbetriebe Köln arbeiten aktuell daran, wie eine offene Verbindung des Strunder Bachs bis an den Rhein gestaltet werden kann. Ich begrüße es sehr, wenn hier zügig Vorschläge kommen. Angesichts weiterer „Hitzesommer“ und Trockenphasen ist eine praktikable Strategie erforderlich, um unsere Grünflächen und den Baumbestand zu schützen und zu erhalten. Hier darf es nicht nur am Engagement der Kölner*innen hängen, die als Baumpaten oder z.B. im Rahmen von „gießt Kölle“ großen Einsatz zeigen.

Wollen Sie die Mitsprachemöglichkeiten der Bezirksvertretungen bei Entscheidungen, die den Bezirk betreffen, ausweiten oder beschränken?

Kossiski: Starke Veedel, starkes Köln - starke Bezirke, starkes Köln! Die Bezirksvertretungen sollten mit einem eigenen Budget ausgestattet werden. Aufgaben, die vor Ort gelöst werden können, müssen nicht auf der nächsthöheren Ebene geklärt werden. Die Entscheidungen müssen näher bei den Menschen sein, deshalb brauchen wir neun starke Stadtbezirke.

Reker: Ich finde es wichtig, den Bezirken größere Handlungsspielräume zu verschaffen, denn in den Veedeln sind sie die Experten. Darum habe ich 2016 eine „Kommission zur Stärkung der Bezirke“ eingesetzt, die die Zuständigkeiten zwischen Rat und Bezirken neu geregelt hat. Die Bezirke haben nun ein größeres Mitspracherecht unter anderem zu Straßen und Plätzen, Schulen, Denkmälern, Kultur- und Sporteinrichtungen, sowie Grün- und Parkanlagen. Das können wir sicher noch ausbauen!

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