Kommunalwahl in KölnRot-grüner Machtkampf im ehemaligen Arbeiterveedel Ehrenfeld

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Wahlserie ehrenfeld

Christiane Martin (l.) und Christiane Jäger

  • 45 Wahlbezirke gibt es in der Stadt. Bis zur Wahl am 13. September, bei der auch Oberbürgermeister, Bezirksvertretungen und Integrationsrat neu gewählt werden, berichten wir aus allen Veedeln der Stadt.
  • Heute: Ehrenfeld. Aus dem einstigen Arbeiterviertel ist Kölns Szene-Stadtteil geworden. Die SPD, die sich lange um die Aufwertung des Stadtteils bemüht hat, leidet nun unter den Folgen des eigenen Engagements.
  • Die Wahlbezirke sind nun zur Hochburg der Grünen geworden.

Köln-Ehrenfeld – Steht in Kölns Szeneviertel schon alles auf Grün? Zwischen der Inneren und der Äußeren Kanalstraße, Subbelrather- und Weinsbergstraße scheint die Wahl schon gelaufen. Im einstigen Arbeiterstadtteil wird eigentlich nur über die Höhe des Ergebnisses spekuliert, mit dem die Grünen bei den Kommunalwahlen triumphieren könnten. Selbst die SPD-Bastion „Bezirksrathaus“ könnte fallen. Und das wäre in der Tat ein historischer Einschnitt, wenn die SPD den von ihr seit 1975 bekleideten Posten des Bezirksbürgermeisters abgeben müsste. Es bräuchte aus SPD-Sicht also schon ordentlich „Wumms“, um es mit einem Wort des sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten auszudrücken, damit es anders kommt.

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Eigentlich liegt dem Wandel von einer roten in eine grüne Hochburg eine soziale Entwicklung zugrunde. In den 1950er und 60er Jahren war „Ihrefeld“ dreckig, ruppig, voller Kneipen und Fabriken. Vulkan, Mauser, Kolb, Mülhens – an die Namen der längst geschlossenen größeren Ehrenfelder Arbeitgeber erinnert sich heute kaum noch jemand. Als noch Schlote rauchten und Maschinenlärm aus den Fabrikhallen dröhnte, gab es sogar Ergebnisse von gut über 60 Prozent für die SPD.

Alles zum Thema Kommunalwahlen

Jahrzehntelang zweitrangig war das Image Ehrenfelds. Erst vor rund 30 Jahren sollten „WUMs“ die Lebensqualität im Viertel verbessern. Das Kürzel steht für „Wohnumfeldmaßnahmen“. Sie waren das Zauberwort für allerlei Verschönerungen in den damals tristen, verrußten Straßen voller sanierungsbedürftiger Häuser. Noch dazu war der Stadtteil vom U-Bahnbau gebeutelt. Bäume, begrünte Fassaden, gepflasterte Straßenabschnitte gegen Raser sollten Anreize schaffen, Häuser zu sanieren und Baulücken zu schließen. Auf den Weg gebracht und beschlossen mit SPD-Mehrheit, die damals allmählich schon um Stimmen kämpfen musste.

Sehr hohe Mieten in Ehrenfeld

Im Abschlussbericht zur „Sanierung Ehrenfeld-Ost“ heißt es noch: „Trotz deutlicher Substanzmängel genießt das Quartier eine steigende Attraktivität als Wohnstandort mit urbanen Qualitäten. Daher hatte die Sanierung auch unter anderem die Aufgabe, durch gezielte Einflussnahme auf die Modernisierungs- und Neubautätigkeit die Verdrängung einkommensschwacher Bevölkerungsschichten zu verhindern.“

Es gab die Landesentwicklungsgesellschaft LEG als Sanierungstreuhänderin, eine detaillierte Sozialplanung und Mieterberatung. Doch das Problem der Verdrängung stellte sich immer mehr. Heute diskutiert man die Folgen der Gentrifizierung. Denn Ehrenfeld ist vielerorts ein richtig teures Pflaster geworden – mit Immobilienpreisen, die denen im Hahnwald nahe kommen. Höchste Mieten pro Quadratmeter werden vor allem für Single-Wohnungen und Micro-Appartements verlangt. Davon gibt es mittlerweile viele in Ehrenfeld. Angepriesen werden diese von Graffiti-Wänden und alten Backsteinmauern eingefassten Objekte fast immer mit der Betonung auf den „lebendigen, quirligen, bunten Stadtteil“. Preiswert wohnt fast nur noch, wer einen alten Vertrag hat und die Wohnung in ebenso altem Zustand ist. Oder bereits vor Jahren Eigentum erwarb.

Man könnte sagen: Die SPD , leidet in ihrer einstigen Hochburg unter den Folgen ihrer damaligen Politik. Die Aufwertung Ehrenfelds hat vor allem Grünen-Wählerklientel angezogen.

Alle setzen auf Buntes und Multikulturelles

Auffällig ist, dass fast alle Parteien das Bunte und Multikulturelle an Ehrenfeld betonen und zugleich dessen Erhalt fordern. Und zwar, indem den Preisentwicklungen auf dem Ehrenfelder Immobilienmarkt allmählich Einhalt geboten wird.

Die SPD hat das Thema bezahlbares Wohnen bei ihrer Wahlkampfstrategie in Ehrenfeld an die vorderste Position gesetzt. Klassische „grüne“ Themen wie Bäume, Luftreinhaltung oder Klimaschutz klammert sie aus. Cornelia Schmerbach – SPD-Ratsfrau seit einem Vierteljahrhundert – mahnt eine „soziale und gerechte Stadt“ an. Kölns SPD-Chefin Christiane Jäger, Kandidatin im neugebildeten Wahlbezirk 18, ist Expertin für Stadtentwicklung. Sie will „die Ehrenfelder Mischung stabil halten“. Ein Instrument dafür sei eine soziale Erhaltungssatzung, also eine gesetzliche Regelung, die unter anderem die den Eingriff ins Eigentumsrecht von Hausbesitzern ermöglicht. Jäger: „Statt allein Investoren den Stadtteil zu überlassen, muss Wohnungsbau für Jung und Alt jeder Herkunft gestaltet werden.“

Bei den Linken, deren OB-Bewerber Jörg Detjen in Ehrenfeld wohnt und kandidiert, war das Thema preiswerter Wohnraum eigentlich schon immer auf der Agenda. Und nach dem guten Abschneiden bei der Bundestagswahl 2017, wo in Ehrenfeld mehr als 16 Prozent erreicht wurden, spricht man bei den Linken sogar offen von möglichen Direktmandaten.

„Wenn das so heiß bleib, wählen eh alle grün“

Doch auch die Grünen, denen die Anziehungskraft von Ehrenfeld für Studenten, junge Singles und Familien bislang eher Wachstum gebracht hat, wollen mittlerweile „Luxusimmobilien“ verhindern. Sie streben mehr städtischen Grundbesitz und 50 Prozent Sozialen Wohnungsbau an. So steht es zwar auf dem Papier ihres Wahlprogramms, doch aktuell wächst teurer Wohnraum munter weiter in die Höhe. Die Grünen scheinen zu erkennen, dass der Zuzug von Menschen, denen das Ehrenfelder Wohngefühl eine Stange Geld wert ist und die darüber hinaus noch genügend davon übrig haben, um im Bio-Supermarkt oder im Pop-up-Hofladen einzukaufen, gebremst werden könnte, wenn es immer teurer wird.

Christiane Martin, die auch die Reserveliste der Grünen anführt, hat Sorge, dass im neuen „Ehrenveedel“ auf dem Areal des früheren Güterbahnhofs die beabsichtigte Mischung, die Wohnen für möglichst alle Schichten ermöglicht, nicht gelingt. Es gebe zwar sozialen Wohnungsbau, aber darüber hinaus nur ausgesprochen teure Wohnungen. Es fehlten Angebote für Familien und Normalverdiener. Zumindest, wenn demnächst die Weichen für das Max-Becker-Gelände gestellt würden, müsse man darauf achten. Trotz allem könnten am Ende doch die Ökothemen – Klimawandel und Mobilitätswende – den Ausschlag geben. Bei der Grünen-Kampagne stehen sie im Vordergrund. Christiane Martin ist sogar überzeugt, genau deswegen die Wählerstimmen zu bekommen. Sie könnten auch den kleineren Gruppierungen wie Klima Freunde und der Ratsgruppe GUT zu Stimmenanteilen verhelfen.

Zwei Gründe sprechen dafür: Erstens, das tägliche Gegeneinander der Verkehrsteilnehmer auf und beiderseits der Venloer Straße. Und zweitens, das Wetter. Dazu passt die flapsig gemeinte Bemerkung von SPD-Frau Jäger nach einer schweißtreibenden Plakatieraktion an einem der heißesten Tage zu ihren Helfern: „Wenn das so heiß bleibt, nutzt das alles nix. Dann wählen eh alle grün.“ Die Wetterlage sorgt also für zusätzliche Spannung, was den Wahlausgang in Ehrenfeld angeht.

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