Kommunalwahl in LindenthalLisa Steinmann feiert politisches Comeback in Köln

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Lisa Steinmann

Lisa Steinmann an einem ihrer Lieb­ling­sor­te, dem Café Chante Cocotte

Köln – Sie steht unter Strom, im besten Sinne der bildhaften Beschreibung. Lisa Steinmann verspürt einen Überschuss an Energie, so sagt sie. Und den möchte sie nutzen, um als Ratsfrau in Köln Politik zu machen. Die Kandidatur der ehemaligen SPD-Landtagsabgeordneten bei der Kommunalwahl wirft allerdings eine Frage auf, die sie gerne selbstironisch formuliert: „Was will die olle Abgeordnete denn jetzt wieder im Stadtrat?“ Das würden sicherlich viele Menschen denken und den Wechsel von der Berufs- in die Lokalpolitik als Rückschritt bewerten.

So sieht Steinmann ihr erneutes kommunalpolitisches Engagement nicht. Sie sei einfach „em Veedel zohus“, betont die Sülzerin mit ihrem Motto zur Kommunalwahl. „Ich bin eine Kölnvertreterin. Das war ich auch in Düsseldorf. Ich führe die Erfahrung fort, die ich erst während acht Jahren in der Bezirksvertretung Lindenthal und dann von 2012 bis 2017 im Landtag sammeln konnte.“ Ein Ratsmandat hatte sie bislang noch nicht. Für Steinmann würde sich also ein Kreis schließen: „Ich habe mich im Landtag viel mit dem Thema Kommunalverfassung beschäftigt.“ Sie ist damit noch nicht fertig.

Steinmann: Kölner sollen sich mehr beteiligen

Konkret bedeutet das: Steinmann wünscht sich in Köln mehr Bürgerbeteiligung, Transparenz, vor allem mehr „Open-Source“, also bei der Verwaltung öffentlich einsehbare Quellen. „Die Daten gehören nicht der Stadt, sie gehören dem Volk“, findet sie. Und sie hat noch weitere Interessen: die interkommunale Vernetzung, Kulturpolitik, Klima, Umweltschutz, Digitalisierung und Soziales.

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Letzteres sei gerade auch in ihrem Wahlkreis Sülz/Klettenberg ein Thema. In den wohlhabenden Stadtteilen seien Menschen in Existenznöten oft nicht sichtbar, lebten mit dem Stigma verborgen hinter ihren Vorhängen. „Es gibt versteckte Kinderarmut“, so Steinmann, „versteckte Altersarmut, genügend soziale Fallstricke für alle. Corona hat gezeigt, wie schnell man in die Insolvenz rutschen kann und sich die Frage stellt, ob man sich morgen noch die Mieten in Sülz leisten kann.“

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Es gibt genug zu tun für Lisa Steinmann im Jahr 2020. Zwischen dem Verlust des Landtagsmandats und dem neuen politischen Engagement klafft ein Loch. Dass Steinmann dort hinein rutschte, hatte auch gesundheitliche Ursache: „Ich hatte kurz vor der Landtagswahl 2017 eine Sepsis, die ich knapp überlebt habe“, schildert Steinmann. Zum Wahlkampf wurde sie kurz aus der Klinik entlassen, und musste danach direkt dorthin zurück. „Da lag ich dann viereinhalb Monate, musste an der entzündeten Stelle im Sitzbein operiert werden“.

Zu der gesundheitlichen kam die politische Vollbremsung und steuerte ihren Teil zu Steinmanns körperlich-seelischer Gesamtverfassung bei. Sie habe ihr Landtagsmandat mit Enthusiasmus übernommen, erinnert sich die Politikerin, wissend, dass es endlich ist, wollte sie möglichst viel in der ihr gegebenen Zeit erreichen. „Als ich das Mandat verloren habe, hat man mir in voller Fahrt den Stecker gezogen“, sagt Steinmann. Der Aufschlag war hart, der erste Reflex ein Gedanke: „Das war es jetzt mit meiner politischen Laufbahn.“ Dann blieb eine Frage: „Wo kann ich denn jetzt hier nicht weitermachen?“ Humor schwingt in der Formulierung mit.

Lisa Steinmann hat kein Unfall-Trauma

Steinmann hat sich wieder aufgerappelt. Die Quereinsteigerin hatte schließlich ein Vorleben: Erst mit Mitte 30 ist die Veranstaltungskauffrau in die Politik eingestiegen – nach dem Unfall, der den Rollstuhl zu ihrem Begleiter werden ließ. Es war Schicksal, kein Trauma. Sie hadert nicht damit. „Ich bin an einer Stelle in einen Badesee gesprungen, wo ich es heute vermutlich genauso wieder machen würde“, erzählt Steinmann. „Andere Leute rutschen auf der Bordsteinkante aus und erleiden, dieselben Verletzungen.“ Sie habe damals glücklicherweise schon ein gewisses Alter und eine innere Stabilität gehabt. Sie hatte Freunde und ein Umfeld, die ihr zur Seite standen. Nur der Plan, nach Brasilien auszuwandern, der Grund, warum sie damals Regionalwissenschaften Lateinamerika studierte, scheiterte.

Sie blieb in der ebenerdigen Studentenwohnung an der Luxemburger Straße. Zwei Jahre brauchte sie bis sie gesundheitlich soweit war, dass sie wieder arbeiten konnte. „In dieser Zeit ist mir hier im Veedel soviel Positives widerfahren“, erzählt Steinmann, „an Hilfsbereitschaft von wildfremden Leuten, dem Stüssgen-Leiter, der sich die Frage stellte, wie sie am besten in den Supermarkt kommt, dem Bäcker der für sie und alle Kinderwagen den Weg zu seinem Laden ebnete. Diese Erfahrung sei die Quelle der Energie sagt Steinmann, die sie politisch immer wieder aktiv werden lässt, für eine bessere Gesellschaft.

Sich in Sülz durchzusetzen, wird nicht einfach. Die Grünen sind hier die Favoriten für die Direktmandate, auch die CDU ist stark. Die SPD muss kämpfen. Lisa Steinmann wird aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im nächsten Stadtrat dabei sein. Sie steht auf Platz Sechs der Reserveliste ihrer Partei. Nicht wenige könnten sie sich als nächste Fraktionschefin der Kölner Sozialdemokraten vorstellen.

Wahlbezirk 13 neu zugeschnitten

Prognosen auf der Grundlage der Ergebnisse der letzten Kommunalwahl sind nicht einfach, weil die Wahlbezirke neu zugeschnitten wurden. Zum Wahlbezirk 13 gehören Teile von Sülz und Klettenberg, aber auch Lindenthal. Neben Lisa Steinmann für die Sozialdemokraten kandidieren die kaufmännische Angestellte Claudia Heithorst für die CDU und der Produzent, Schauspieler und Pantomime Mario Michalak für die Grünen, der bereits als sachkundiger Einwohner in mehreren Ratsausschüssen kommunalpolitische Erfahrungen gesammelt hat. CDU-Frau Heithorst ist seit 2016 bereits Mitglied des Stadtrates, wo sie unter anderem im Wirtschaftsausschuss mitarbeitet.

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