Wahlkampf im Kölner NordenSPD und CDU wollen „Swing State“ gewinnen

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collage kirchner nesseler

Brigitte Nesseler-Komp (CDU) und Jürgen Kirchner (SPD)

Köln – Das quirlige Großstadttreiben um den Dom herum ist weit weg, stattdessen prägt hier an der Stadtgrenze zu Dormagen ländliche Beschaulichkeit das Bild. Der Kommunalwahlbezirk 30, der Roggendorf/Thenhoven, Worringen und Blumenberg sowie die Rheindörfer Langel, Rheinkassel und Merkenich umfasst, ist Kölner „hoher Norden“.

Bis auf das Neubaugebiet Blumenberg waren alle Stadtteile hier einst Bauern- oder Fischerdörfer, deren Leben durch die Nähe zum Rhein geprägt war. „ All diese Orte sind im Grunde eigene Systeme, mit ganz eigenen Mentalitäten“, sagt Birgitta Nesseler-Komp. „Auf Brauchtumspflege wird hier Wert gelegt. Das Schützenfest, der eigene Karnevalsumzug, das Vereinswesen wird hier noch großgeschrieben. Das gibt dem Leben hier viel Struktur.“ Gerade dadurch hätten die Orte aber auch große Integrationskraft. „Wer neu hierhin zieht, wird über einen Verein unheimlich schnell eingebunden“, sagt die Kandidatin der CDU.

"Man kennt sich"

Ihr Kontrahent von der SPD, Jürgen Kircher, bestätigt das: Als Kind zog er in den 1960ern mit seiner Familie aus Kalk nach Worringen und hat den Ort seitdem nicht wieder verlassen. „Das Lebenswerte, das ist für mich das Besondere an den Orten im Wahlkreis“, meint er. „Das sind gewachsene Gemeinden, in denen man sich kennt, und wenn man will, kann man bis nach Sinnersdorf über Feldwege durch die Natur radeln. Was brauche ich denn mehr?“

Eine Vertretung im Rat der Stadt Köln zum Beispiel – eine Aufgabe, die sowohl Nesseler-Komp, als auch Kircher in der nächsten Legislaturperiode gerne wieder übernehmen möchten. Beide haben viel Erfahrung vorzuweisen: Nesseler-Komp ist seit 20 Jahren in der Kommunalpolitik tätig, ist schulpolitische Sprecherin und Mitglied im Verkehrsausschuss, sowie im Ausschuss für Bauen und Wohnen. Kircher arbeitet im Sportausschuss und im Ausschuss für Bauen und Wohnen. Von 2007 bis 2009 war er Bezirksbürgermeister für Chorweiler. „Tatsächlich war ich sogar der erste Bezirksbürgermeister hier, denn vorher hieß es noch Bezirksvorsteher“, meint er und lacht.

Auf der Suche nach gemeinsamer Linie

Der Wahlbezirk lässt sich als „Swing State“ bezeichnen, in dem das Pendel mal zum einen, mal zum anderen politischen Lager ausschlägt. „Das ist hier sehr von den Personen abhängig, weniger von den Parteien“, meint Kircher aus Erfahrung. Was auch daran liege, dass die Politik hier an der Sachlage orientiert sei, so CDU-Frau Nesseler-Komp. „Hier im dörflichen Bereich muss man zusammenarbeiten, sonst hat man keine Chance“, sagt sie. „Ja, die SPD ist der politische Gegner, aber wir bemühen uns um ein pragmatisches Verhältnis und bekämpfen uns nicht aufs Blut, sondern versuchen, möglichst eine gemeinsame Linie zu finden.“

Der Kampf um bessere ÖPNV-Anbindung

So ist es nicht verwunderlich, dass sich ihre Anliegen durchaus ähneln: Beide stellen das Thema Verkehr in den Vordergrund, etwa die mangelhafte Anbindung an den ÖPNV. „Im letzten Jahr bin ich monatelang nur Bus und Bahn gefahren, denn man sollte ja Ahnung von dem haben, wovon man spricht“, so Nesseler-Komp. „Wenn es um das Thema Anbindung geht, wird oft auf die S-Bahn verwiesen und die Verbindung wäre ja klasse – wenn man sich denn drauf verlassen könne, dass die Bahn kommt.“ Tatsächlich käme es aber immer wieder vor, dass verspätete S-Bahnen nicht am Bahnhof Worringen und anderen Stationen im Norden anhalten, sondern durchfahren. Oft habe sie ihr Sohn, der in Dormagen zur Schule geht, angerufen und gesagt: „Mama, ich steh' in Longerich.“

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Auch das Busliniennetz wurde im Wahlbezirk mit den Jahren immer löchriger – darum haben sich beide Kommunalpolitiker zum Ziel gesetzt, in der kommenden Legislaturperiode die lange versprochene Verlängerung der Linie 12 und die Anbindung der Rheindörfer an das Stadtbahnnetz auf den Weg zu bringen. „2006 habe ich da den ersten Antrag in den Rat eingebracht, da habe ich großes Gelächter geerntet“, erinnert sich Kircher. „Zumindest haben wir damals aber die nötigen Grundstücke für die Trasse sichern können, auf die immer wieder jemand begehrliche Blicke wirft.“

Von Seiten der Verwaltung heiße es oft, es gebe dafür nicht genug Bedarf. Doch diese Einschätzung verkenne die Lage völlig, so Nesseler-Komp. „Die Leute vergessen immer das Gewerbegebiet in Feldkassel, für die Beschäftigten dort wäre es eine kolossale Erleichterung.“ Das Ziel ist ambitioniert – noch bei der letzten Ausgabe von OB Rekers „Stadtgespräch“ im Bezirk hatte die Verwaltung klar geäußert, dass die Verlängerung der Linie 12 keine Priorität habe.

Solange die Bahnanbindung also Wunsch bleibt, müsse zumindest das Busliniennetz ausgebaut werden, auch da sind sich beide Kandidaten einig. Nesseler-Komp fordert eine Buslinie von Merkenich über die Rheindörfer bis nach Worringen, Kircher hingegen schlägt vor, die alte Linie 128 wieder zu reanimieren und die Linie 121 von der Fähre Langel an bis nach Worringen zu verlängern. „Dann haben sie zumindest zwei Achsen, über die die Leute bis nach Chorweiler kommen.“

CDU will Gesamtschule in Worringen

Daneben setzen beide auch eigene Akzente. Nesseler-Komp etwa kämpft dafür, anstelle der aufgegebenen Hauptschule eine Gesamtschule in Worringen anzusiedeln. „Da wurde oft wegen der angeblichen Randlage abgewunken, was natürlich Unsinn ist – hier wohnen 10 000 Leute“, weiß sie. Als schulpolitische Sprecherin habe sie den Standort immer wieder ins Gespräch gebracht „und inzwischen favorisiert die Verwaltung ihn auch.“ Dass sie als CDU-Frau für eine Gesamtschule kämpfe, verwundere manche. „Ich finde das Thema aber oft zu ideologisch aufgeladen. Ich finde, es muss passen und hier passt es einfach.“

SPD will mehr Wohnungsbau

Ein Schwerpunkt von Kircher ist, den Durchgangs- und Schwerlastverkehr aus dem Ortsinneren Worringens herauszuhalten. „Ein 40-Tonner, am besten noch mit Gefahrgut beladen, hat hier nichts zu suchen“, sagt er. In Roggendorf/Thenhoven und Fühlingen habe sich die Lage durch Umgehungsstraßen deutlich verbessert - „jetzt ist Worringen dran“. Daneben setzt er auch auf das zentrale Wahlkampfthema der SPD, den Ausbau des bezahlbaren Wohnraum. „Wir wollen Wohnungen, die sich auch die Arbeiterin in der Fertigung bei Kraus leisten kann.“

Der oft zitierten Aussage, dass für die Stadtverwaltung Köln am Grüngürtel aufhöre, wollen beide etwas entgegensetzen. Nesseler-Komp: „Man muss immer wieder laut sein und dicke Bretter bohren, wenn man etwas für den Kölner Norden erreichen will.“

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