Kopfschütteln über die NiederlandeRutte-Regierung bleibt in Corona-Fragen liberal

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Niederlande Coroan

Ein Blick in die Niederlande zeigt, dass sich die Menschen nicht überall an die Corona-Regeln halten.

Amsterdam – Wenn es eine Region in Deutschland gibt, die mit den Nachbarn in zwei angrenzenden Staaten besonders eng zusammengewachsen ist, dann ist es die Gegend um Aachen. In der Euregio Maas-Rhein arbeiten Deutsche, Belgier und Niederländer so intensiv zusammen wie sonst nirgendwo in deutschen Grenzregionen.

Gerade in der Corona-Krise war es den Politikern in den Provinzen Limburg, Lüttich, der Region Aachen und Ostbelgien ein großes Anliegen, die Grenzen offenzuhalten. Es ging um ungehinderte Warenströme zwischen den Häfen Antwerpen und Rotterdam und Nordrhein-Westfalen, aber natürlich auch um die rund 50.000 Berufspendler. Selbst wenn die Bundesregierung die Grenze am liebsten wie alle anderen geschlossen gesehen hätte – vor allem, weil die Corona-Zahlen in Belgien und den Niederlanden höher waren als in NRW – hielt die Landesregierung mit dem Aachener Armin Laschet an der Spitze dem Druck stand.

Wer in diesen Tagen die Region jenseits der Grenze besucht, der kann allerdings den Eindruck gewinnen, dass sich die Menschen wieder voneinander entfernen. Beispiel Venlo. Am ersten August-Samstag ist in den Parkhäusern kaum ein Platz zu finden. Die Kennzeichen deuten auf viele Deutsche hin: auf Besucher aus dem Ruhrgebiet, dem Rheinland und sogar aus dem Rhein-Main-Gebiet. Dann die Innenstadt: Bei angenehmem Sommerwetter schieben sich Menschenschlangen vorwärts, viele Cafés sind überfüllt, vor den Eisdielen bilden sich lange Schlangen, aber Abstandsregeln werden kaum eingehalten.

Als gäbe es kein Corona

Ein ähnliches Bild zeigt sich in anderen Teilen der Niederlande. Gerade an den Stränden und in den großen Städten sind die Menschen weit weniger vorsichtig als im Frühling. Die Quittung: Die Infektionszahlen steigen wieder an. Die Lage ist so ernst, dass Ministerpräsident Mark Rutte den Urlaub abbricht und seine Landsleute am Donnerstagabend dringend ermahnt, die Corona-Regeln einzuhalten. „Wir müssen einen zweiten Lockdown verhindern, das geht nur gemeinsam“, sagt Rutte. Gerade viele junge Leute verhielten sich verantwortungslos.

In Restaurants und Cafés werden nun die Auflagen verschärft, Gäste müssen sich vorher anmelden. Das Gebot, einen Mund-Nasen-Schutz anzulegen, gilt generell allerdings weiterhin nur für Busse und Bahnen. Nicht für Geschäfte. In Eigenregie können die Städte für besonders belebte Plätze Masken vorschreiben. Gebrauch gemacht haben davon aber nur die Verwaltungen in Amsterdam und Rotterdam, jene in Maastricht bisher nicht.

„Ich denke, es ist so genug“

Aber es wird diskutiert an diesem Freitagnachmittag in den Läden an der berühmten Maastrichter Brug¬straat. „Ich beachte das Abstandsgebot von 1,50 Meter, weise die Besucher auf das Desinfektionsmittel hin und schließe das Geschäft, wenn drei Personen hier sind“, sagt die Verkäuferin in einem Haushaltswarengeschäft, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. „Ich denke, es ist so genug“, meint sie und fügt fragend hinzu, „ist es denn sicherer, wenn die Menschen eine Maske anziehen, diese vor dem Geschäft um den Hals baumeln lassen und im nächsten wieder aufziehen?“

Auf den Bürgersteig vor dem Geschäft hat die Stadt ein Piktogramm aufgesprüht: „1,5 Meter Afstand“, steht darauf. Überall werden die Besucher darauf hingewiesen, dass sie nur auf der rechten Straßenseite bummeln sollen. Auch Adam Terlinde, der – ebenfalls ohne Maske bedienend – in einem Bekleidungsgeschäft hinter dem Tresen steht, will nichts geändert haben an der bisherigen Praxis: „Es kommen viele Belgier und Deutsche, haben einen Mund-Nasen-Schutz dabei und freuen sich, wenn sie ihn nicht aufsetzen müssen.“ Er sei mit der Politik der Regierung einverstanden.

Skepsis beim Nachbarn

Das allerdings sehen nicht alle so. Eine junge Frau, die in einem Geschäft in der Nähe arbeitet, findet es gar nicht gut, dass keine Masken getragen werden müssen. „Wir wollen doch alle gesund bleiben“, meint sie. Ihr wäre es am liebsten, wenn alle Besucher den Mund-Nasen-Schutz trügen. „Aber die Regierung und die Stadtverwaltung sagen, es ist nicht nötig“, sagt sie und schüttelt den Kopf.

Auch im belgischen Teil der Euregio gibt es Skepsis im Blick auf die Niederlande. „Früher bin ich viel nach Maastricht gefahren“, sagt ein Mittsechziger am Freitagmittag im Café Columbus in Eupen, aber heute sei ihm das zu gefährlich. Belgien insgesamt war lange ein Corona-Hotspot und manche Regionen entwickeln sich derzeit wieder dazu (siehe Bericht unten).

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In der Grenzregion ist man von einer zweiten Welle hingegen bisher weitgehend verschont geblieben. Columbus-Wirt Dieter Wetten weiß warum: „Die Menschen halten sich an das Maskengebot und sind sehr diszipliniert.“ Die Regeln unterscheiden sich kaum von denen in der wenige Kilometer entfernten Städteregion Aachen. Für die Corona-Schutzmaßnahmen in den Niederlanden hat Wetten kein Verständnis. „Ist ja klar, dass dort die Zahlen hochgehen, da laufen ja auch alle ohne Mundschutz rum.“

In der Tat: Anders als in deutschen Großstädten sind in Maastricht kaum Menschen zu sehen, die in der City Masken tragen. Die Düsseldorferin Marlis Garn gehört dazu. „Es ist einfach relaxter hier“, sagt sie, während sie mit ihren drei Freundinnen durch die Groote Staat schlendert, „so locker-flockig, eine sehr angenehme Atmosphäre.“ Alle vier haben aber einen Mund-Nasen-Schutz dabei. „In den Läden tragen wir natürlich Masken. Das gebietet der Respekt vor den Leuten“, sagt Marlis Garn. Damit sind die vier Frauen vom Niederrhein allerdings die große Ausnahme in Maastricht.

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