Malu Dreyer im Interview„Wir halten Ausnahmen für sinnvoll“

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Nach ihrem Wahlsieg in Rheinland-Pfalz stellt sich Malu Dreyer hinter Olaf Scholz.

Nach ihrem Wahlsieg in Rheinland-Pfalz stellt sich Malu Dreyer hinter Olaf Scholz.

  • Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (60) ist seit ihrem Wahlsieg in Rheinland-Pfalz der neue Star der SPD.
  • Im Interview mit Rena Lehmann wirbt sie für ihren Weg aus der Corona-Pandemie.
  • Sie will trotz steigender Infektionszahlen Öffnungen ermöglichen.

Frau Dreyer, Sie haben für die SPD in Rheinland-Pfalz gerade 36 Prozent geholt, mehr als doppelt so viel wie ihre Partei im Bund in Umfragen hat. Was macht der SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz falsch?

Olaf Scholz macht alles richtig. Eine Landtagswahl kann der SPD insgesamt Rückenwind geben, aber sie ist keine Vorentscheidung. Was sicherlich ein Erfolgsrezept in Rheinland-Pfalz ist: Die SPD ist geschlossen und wir haben Menschen in unseren Reihen, denen die Menschen im Land vertrauen. Auch die Bundespartei ist derzeit geschlossen und hat ein gutes Programm und einen guten Kanzlerkandidaten.

Was erwarten Sie von der SPD im Umgang mit Scholz?

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Seine Handschrift ist klar im Programm zu sehen, er wurde einstimmig nominiert. Wir sind ganz klar und arbeiten geschlossen an dem Ziel, dass die SPD wieder an Stärke gewinnt und führende Kraft wird.

Die SPD will die Schuldenbremse aussetzen, Hartz IV in der jetzigen Form abschaffen und Vermögende höher besteuern. Das klingt nach einem Koalitionsangebot an die Linke…

Ein SPD-Programm gibt es nur mit dem Schwerpunkt soziale Gerechtigkeit, aber es ist vor allem auch ein Fortschrittsprogramm. Wir leben in einer Zeit des Aufbruchs und der Veränderung. Die SPD will diesen Aufbruch gestalten, damit es eine gute Zukunft für alle wird, nicht nur für die Starken und die Schnellen. Die Ziele des Programms entsprechen zu 100 Prozent unserem Kanzlerkandidaten Olaf Scholz. Und es ist doch klar, dass wir Hartz IV nicht nur auf dem Papier überwinden wollen, sondern das auch umsetzen wollen.

Nach ihrer Erfahrung in Rheinland-Pfalz: Was könnte denn das Reizvolle an einem Ampelbündnis auf Bundesebene sein?

Die politische Landschaft verändert sich. Es ist gut, dass sich neue Optionen abzeichnen. Wir haben in Rheinland-Pfalz die Ampel und wir regieren sehr erfolgreich und harmonisch. Das Bündnis deckt einen sehr großen Teil der Bevölkerung ab. Die Ampel in Rheinland-Pfalz hatte in den vergangenen fünf Jahren die Themen soziale Gerechtigkeit, ökologische Verantwortung und wirtschaftliche Stärke im Blick. Wenn es gelingt, dass die Partner vertrauensvoll zusammenarbeiten, kann man auf diesen Säulen das Land mit einer Ampel-Regierung nach vorne bringen.

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Der bundesweite Inzidenzwert schnellt hoch. Waren die Öffnungsschritte ein Fehler?

Ich bin sehr froh, dass wir den Perspektivplan haben und halte ihn nach wie vor für richtig. Der Plan hat vielen Menschen Hoffnung zurückgegeben. Er setzt aber voraus, dass alle auch die Notbremse ziehen, wenn die Inzidenz wieder über 100 steigt. Zu dem Plan hat immer gehört, dass man verantwortlich öffnet, aber auch wieder schließt, wenn es nötig ist. Die Notbremse ist zwingendes Element des Plans genauso wie das konsequente Testen und Impfen.

Wird der nächste Öffnungsschritt ausfallen?

Wir können nicht ganz Deutschland für weitere Monate komplett abriegeln, aber für den nächsten großen Öffnungsschritt sind die Zahlen im Augenblick zu hoch. Deswegen wollen wir uns am Montag dafür einsetzen, regionale Lösungen zu erproben. Wir halten Ausnahmen in einigen Modellkommunen oder Landkreisen für sinnvoll. Wenn diese eine Inzidenz unter 100 haben und ein lückenloses Test- und Kontakterfassungssystem erarbeiten, könnte dort Außengastronomie, Kultur und Einzelhandel mit tagesaktuellem Corona-Test öffnen.

Kippt das Verständnis für die Maßnahmen nicht komplett, wenn es beim Impfen und Testen nicht endlich schneller vorangeht?

Also bei uns läuft es mit dem Testen sehr gut. Wir haben aktuell über 560 Teststellen überall in Rheinland-Pfalz, die Zahl steigt stetig. Beim Impfen liegen wir deutschlandweit sehr weit vorne, aber wir können nur so viel Impfen, wie es auch Impfstoff gibt. Es ist eine zusätzliche Verzögerung, dass Astrazeneca jetzt erstmal ausgefallen ist. Wir brauchen dringend eine Sicherheit, wieviel Impfstoff wann kommt.

Die Menschen können jetzt an Ostern nach Mallorca fliegen, aber nicht zum Wanderurlaub nach Rheinland-Pfalz fahren. Wer soll das verstehen?

Darüber müssen wir am Montag sprechen. Es kann nicht sein, dass die Leute bei uns kein Gartenlokal besuchen dürfen und keine Bleibe für einen Wanderurlaub in Rheinland-Pfalz buchen können, aber nach Mallorca fliegen dürfen. Aber wir alle müssen wissen: Wir dürfen auch nicht übermütig werden. Die Infektionszahlen steigen leider wieder.

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