Neues Buch „Freiheit“Kardinal Marx fordert grundsätzlichen Wandel der Kirche

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Räumte "Versagen der Institution" in: Reinhard Kardinal Marx, hier noch als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz 2019 in Fulda. Foto: dpa

München – Eine neue Theologie, mehr Menschlichkeit, mehr Freiheit, ein neues Zeitalter des Christentums: Wenige Monate nach seinem Rückzug vom Vorsitz der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) fordert der Münchner Kardinal Reinhard Marx eine grundlegende Erneuerung der katholischen Kirche. In seinem Buch „Freiheit“, das an diesem Montag auf den Markt gekommen ist, mahnt er einen grundsätzlichen Wandel an – und geht mit konservativen Widersachern hart ins Gericht. „Die kirchlichen Skandale und Krisen der letzten Jahre haben die Dringlichkeit zur Erneuerung unterstrichen“, schreibt der 66-Jährige. „Bei mir jedenfalls hält die Erschütterung darüber an, dass ‚Schein’ und ‚Sein’ in der Kirche selbst so eklatant auseinanderfallen konnten.“

Die Geschichte der Kirche gehe nicht zu Ende. „Zu Ende geht aber möglicherweise eine bestimmte Sozialgestalt und auch eine bestimmte Sprache“, betont der Erzbischof von München und Freising. Es werde sich vieles ändern an kirchlichen Lebensgewohnheiten. „Das betrifft das Zueinander von Freiheit und Gehorsam, Glaube und Leben, das Verhältnis von Männern und Frauen, Laien und Klerikern, Vielfalt und Einheit in der Kirche.“

Freiheiten als gesellschaftliche Errungenschaft

Zu der Erneuerung, die er fordert, gehört es für ihn zwingend, moderne Freiheiten als gesellschaftliche Errungenschaft zu betrachten. Gewissensentscheidungen von Menschen seien „unbedingt zu respektieren“. Es gehe „nicht an, die Freiheitsgeschichte der modernen Welt als Irrweg zu verdammen oder gar als Bedrohung des Glaubens und der Kirche zu sehen“.

Diese Ausführungen sind vor allem vor dem Hintergrund bemerkenswert, dass Joseph Ratzinger, der emeritierte Papst Benedikt XVI., sich gerade erst in einer neuen Biografie völlig gegensätzlich zu modernen Freiheiten geäußert und etwa Homosexualität nur notdürftig verklausuliert als Werk des Antichristen bezeichnet hat.

Ratzinger, dem Kritiker vorwerfen, er habe sich als konservativer Schattenpapst gegen seinen Nachfolger Franziskus in Stellung bringen lassen, kommt in Marx‘ Buch genau einmal vor – explizit „Joseph Ratzinger“ genannt und nicht Papst Benedikt. Zum Vergleich: Papst Franziskus findet rund 30 Mal meist lobende Erwähnung.

Musste Marx, der auch schonmal den Ruf hatte, ein Konservativer zu sein, sich als DBK-Vorsitzender bis zu seinem überraschenden Rückzug in diesem Frühjahr oft noch zurücknehmen in seinem erwachenden Reformeifer, deuten nun zahlreiche Ausrufezeichen in seinem neuen Buch darauf hin, dass es damit nun womöglich vorbei sein könnte.

Treibende Kraft hinter der Reform

Er galt ohnehin schon als treibende Kraft hinter dem Reformprozess der katholischen Kirche in Deutschland, der „Synodaler Weg“ genannt wird und sich mit der Sexualmoral, dem Zölibat und der Stellung der Frau befassen soll. Konservative wie der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki und besonders der frühere Regensburger Bischof und ehemalige Präfekt der Glaubenskongregation im Vatikan, Kardinal Gerhard Müller, gelten als scharfe Kritiker dieser Linie.

In seinem Buch nennt Marx keinen dieser Namen. Doch er wendet sich klar gegen konservative, reaktionäre Strömungen. Eine Kirche, „die in einer rein negativen Sicht der Moderne verharrt und sich zurückträumt in eine idealisierte Vergangenheit (...) ist nicht nur überholt, sondern sogar zu verhindern. Dass solche Stimmen zum Teil vermehrt zu hören sind, beunruhigt mich.“ Diese hätten „nichts gelernt aus der Geschichte“. Er könne nicht akzeptieren, „dass der Weg der Kirche ein Weg in eine größere Enge, in einen stärkeren Fundamentalismus wird und sich möglicherweise sogar politisch, gesellschaftlich und auch theologisch auf eine autoritäre Restauration zubewegt“.

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Der Kardinal schreibt eindringlich, er hoffe auf „eine neue Epoche des Christentums“ und eine „neue Theologie“, die „einen Schritt weiter“ gehe. „Es muss eine Theologie sein, die noch stärker lernt, die ‚Zeichen der Zeit’ im Licht des Evangeliums zu deuten“, betont Marx. Der Kirche dürfe „nichts Menschliches fremd sein“. „Wenn frei sein und katholisch sein nicht zusammengehören können, ist der Weg des Glaubens in die Zukunft versperrt.“ (dpa)

Reinhard Marx, „Freiheit“ , erschienen im Kösel-Verlag, München, 175 Seiten, 18 Euro

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