Abo

Politische DiskussionSoll es wieder eine Wehrpflicht geben?

Lesezeit 4 Minuten
Symbolbild: Rekruten der Bundeswehr

Symbolbild: Rekruten der Bundeswehr

  • Mit ihrem Vorstoß zur Wiedereinführung der Wehrpflicht hat die neue Wehrbeauftragte Eva Högl die politische Diskussion am Wochenende bestimmt Sie erntete damit Kritik und Unterstützung.
  • Die Bundeswehr ist angesichts von mehreren rechtsextremistischen Vorfällen in die Schlagzeilen geraten.
  • Nun entsteht auf einmal eine Debatte über die Wiedereinführung der ausgesetzten Wehrpflicht. Aber ist das aktuell wirklich realistisch?

Berlin – Wie groß ist das Problem des Rechtsextremismus in der Bundeswehr? Die Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD) schätzt es als so gravierend ein, dass sie sich fast zehn Jahre nach dem Ende der Wehrpflicht für eine Wiedereinführung ausgesprochen hat. Die SPD-Politikerin sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, die Aussetzung 2011 sei ein „Riesenfehler“ gewesen. Eine Wiedereinführung könne auch vor rechtsextremistischen Tendenzen schützen. Sie wolle im kommenden Jahr intensiv darüber diskutieren. Doch Högl stieß damit auf breite Ablehnung aus nahezu allen Parteien, lediglich die AfD begrüßte den Vorstoß für eine Rückkehr zum verpflichtenden Dienst an der Waffe.

Was sagt die zuständige Ministerin zu dem Vorstoß?

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) nannte die von Högl angestoßene Debatte „interessant“. Zugleich machte sie aber einen eigenen Vorschlag für einen neuen Freiwilligendienst in der Truppe. Als Ergänzung zum bestehenden freiwilligen Wehrdienst soll demnach bereits ab 2021 unter dem Titel „Dein Jahr für Deutschland“ ein weiteres Programm eingeführt werden.

Freiwillige

Im laufenden Jahrgang gibt es nach Angaben des Familienministeriums 38 000 Bundesfreiwillige, die ihren Dienst beispielsweise in sozialen Einrichtungen leisten. Allerdings kämpfen derzeit viele „Bufdis“ mit einem Problem: Sie müssen wegen der Pandemie teils an einem Ausweich-Einsatzort ihren Dienst verrichten. Ende Juni wurden beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben 515 Bundesfreiwillige mit einem so genannten „erweiterten Einsatzbereich“ aus insgesamt 364 Einsatzstellen erfasst. Anfang Juni waren es noch 498 Bundesfreiwillige aus insgesamt 350 Einsatzstellen.

Jugendliche, die sich für den Dienst entscheiden, sollen nach Kramp-Karrenbauers Angaben in ihrer jeweiligen Heimat eine sechsmonatige militärische Grundausbildung erhalten und anschließend für sechs Monate heimatnah zu Reservediensten herangezogen werden.

Was ist das Ziehl der Wehrbeauftragten?

Seit dem Aussetzen der Wehrpflicht – und damit auch des Zivildienstes – ist die Bundeswehr eine Freiwilligenarmee. Wer in ihr dienen will, kann sich für sieben bis 23 Monate verpflichten. Eva Högl will die Truppe jedoch wieder breiter in der Gesellschaft verankern. „Natürlich müssen wir das Problem der Wehrgerechtigkeit im Auge behalten“, sagte sie. Es tue der Bundeswehr jedenfalls sehr gut, wenn ein großer Teil der Gesellschaft eine Zeit lang seinen Dienst leiste. „Das erschwert es auch, dass sich Rechtsextremismus in der Truppe breit macht“, sagte Högl.

Wie groß ist das rechtsextreme Potenzial in der Truppe?

Dass rechtes Gedankengut in Teilen der Bundeswehr verbreitet ist, wurde zuletzt am Beispiel der Eliteeinheit KSK deutlich. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) untersucht im Moment 20 Fälle von KSK–Soldaten mit mutmaßlich rechtsextremer Gesinnung. 30 weiteren KSK-Kämpfern wird fehlende Verfassungstreue angelastet. Damit ist die Einheit fünfmal stärker belastet als der Rest der Truppe. Nach MAD-Angaben geht man insgesamt 600 Verdachtsfällen von Rechtsextremisten und so genannten Reichsbürgern nach, teile der Präsident des Dienstes, Christof Gramm, jüngst mit.

Was sagen Kritiker zu den Plänen?

Die FDP hatte das Aussetzen der Wehrpflicht einst mit der Union durchgebracht und verteidigt es jetzt, die Grünen sprachen von einer Sommerloch-Debatte, die Linken forderten eine andere Kultur gegen Rechtsextremismus in der Truppe.  Doch auch in den eigenen Reihen stößt Högl auf Gegenwind. Die beiden SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans sehen in einer Wiedereinführung kein geeignetes Mittel gegen Rechtsextremismus. „Die Wehrpflicht gehört zu den immer wiederkehrenden Themen und steht nicht im Zusammenhang mit der gefährdeten Demokratiefestigkeit einzelner Bereiche der Bundeswehr, die nie mit Wehrpflichtigen besetzt worden sind“, erklärten sie mit Blick auf das KSK.

Was sind Konzepte gegen rechte Tendenzen?

Inwiefern beispielsweise ein weiterer Freiwilligendienst solchen Tendenzen entgegenwirken könnte, dürfte in den kommenden Monaten weiter die Debatte anheizen. Denn CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer hatte ohnehin vor, ihr Konzept eines allgemeinen Dienstjahres, das sie schon zu Beginn ihrer Amtszeit ins Gespräch gebracht hatte, weiter auszurollen. So will die CDU unter dem Titel eines „Deutschlandjahrs“ ein allgemeines Dienstjahr für junge Männer und Frauen einführen – offen ist, ob dies verpflichtend sein soll. Es soll nicht nur bei der Bundeswehr geleistet werden können, sondern etwa auch in der Pflege, der Umwelthilfe oder bei der Feuerwehr.

Das könnte Sie auch interessieren:

Dafür gibt es seit dem Ende des Zivildienstes bereits das Angebot des Bundesfreiwilligendienstes, neben dem sogenannten Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) oder einem Freiwilligen Ökologischen Jahr (FÖJ). Zuständig für die Bundesfreiwilligen (“Bufdis“) ist Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD), die sich einst entsprechend kritisch mit Kramp-Karrenbauers Ideen auseinander gesetzt hatte. Von einem Pflichtjahr hält sie jedenfalls nichts. Auch aus dem Sozialverband VdK hatte es einst Kritik gegeben an solchen Plänen, weil ein Pflichtjahr beispielsweise den Fachkräftemangel in der Pflege nicht ersetzen könne.

Rundschau abonnieren