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Pressestimmen zu Kamala Harris„Das Spiel ist für Trump noch lange nicht vorbei“

Lesezeit 6 Minuten
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Kamala Harris

Joe Biden hat Kamala Harris zu seiner Vizekandidatin gemacht. Ein Wahlsieg mit Biden wäre historisch - noch nie war eine Frau Vizepräsidentin. Es ist das erste Mal, dass eine Schwarze für eine der beiden großen Parteien für dieses Amt ins Rennen zieht. Das internationale Presseecho ist immens. Ein Überblick.

„Washington Post“: Harris erfüllt die wichtigsten Kriterien

„Von dem Augenblick an, als der frühere Vizepräsident Joe Biden mutmaßlicher Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Partei wurde, zeichnete sich die wichtigste Qualifizierung seines Running Mate ab: Dass sie oder er darauf vorbereitet ist, als Präsident zu dienen. Die Senatorin Kamala D. Harris, die kalifornische Demokratin, die Biden am Dienstag als seine Wahl bekannt gab, besteht den Test. (...) Sie wurde im bevölkerungsreichsten Bundesstaat dreimal gewählt. Als Kaliforniens Generalstaatsanwältin (...) erwarb sie Regierungserfahrung und Respekt für ihre Klugheit und ihr Verwaltungsgeschick. Als Senatorin gewann sie Washington-Erfahrung. Und als Bewerberin um die Präsidentschaftskandidatur im letzten und in diesem Jahr war sie dem Druck der Wahlkampftour und der Debattenbühne ausgesetzt.

Es ist ein Plus für die Nation, dass die qualifizierte Person, für die sich Mr. Biden nach einem recht langen Prozess entschieden hat, auch - wie von ihm versprochen - eine Frau ist und eine nicht-weiße Frau, die Tochter einer Mutter aus Indien und eines Vaters aus Jamaika. Sie sieht sich als Afroamerikanerin und wäre damit die erste Frau und die erste schwarze Frau im Amt des Präsidenten oder Vizepräsidenten. Es ist an der Zeit.“

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„Wall Street Journal“: Biden-Wähler stimmen auch über Nachfolge ab

„Mr. Bidens Entscheidung ist besonders wichtig, weil er mit 78 Jahren am Tag der Vereidigung der älteste Präsident wäre. Die Sterbetafeln und seine nachlassende Geistesschärfe legen nahe, dass er nicht für eine Wiederwahl antreten würde, angenommen er hält eine volle Amtszeit durch. Amerikaner, die Mr. Biden auf seiner Wahlkampftour beobachtet haben - und wie ihn seine Berater vor Medienfragen schützen - sind schlau genug zu wissen, dass sie bei einem Votum für Mr. Biden auch dessen Running Mate als möglichen Präsidenten wählen.

Ms. Harris sticht besonders hervor als Beispiel für amerikanische Aufstiegschancen, vor allem für Einwanderer. Ihr Vater ist ein in Jamaika geborener Stanford-Ökonom. Ihre in Indien geborene Mutter war eine Brustkrebsforscherin an der University of California in Berkeley. Selbst als das Land weniger rassentolerant war als jetzt, machten beide Elternteile erfolgreich Karriere und konnten ihrer Tochter Chancen eröffnen, selbst als sie sich scheiden ließen. Sie hat das Beste daraus gemacht. Wie Barack Obama, ist Ms. Harris Erfolg der lebende Gegenbeweis zur linken Kritik von Amerika als einem repressiven, rassistischen Land.“

„New York Times“: Eine bahnbrechende Entscheidung

„Mit der Nominierung von Kamala Harris als Running mate hat Joseph R. Biden Jr. eine bahnbrechende Entscheidung getroffen, indem er eine nicht-weiße Frau auswählte, die Vizepräsidentin und möglicherweise eines Tages eine Nachfolgerin im Weißen Haus werden soll. Trotzdem hat Mr. Biden auf gewisse Weise auch eine konventionelle Wahl getroffen: eine Senatorin zu wählen, die ein Gleichgewicht der Generationen und der Geografie auf das Ticket der Demokraten bringt und seine Mitte-Links-Politik in Zeiten eines zunehmenden Wandels der Partei teilt. (...) Progressive Demokraten finden sich nun unter der Führung von zwei Gemäßigten mit recht vorsichtigen politischen Instinkten wieder, auch wenn die Energie der Aktivisten die Partei durchströmt und linke Herausforderer einige Amtsinhaber entthronen. Die meist jungen Protestierenden, die die Straßen fast jeder amerikanischen Stadt füllen, um die Polizeibrutalität und Präsident Trump anzuprangern, werden von zwei Persönlichkeiten repräsentiert, die ihnen verständnisvolle Worte und Vorschläge anboten, aber deren Karrieren durch ihr Verhältnis zur Staatsmacht geformt wurden.“

„Libération“: Im US-Wahlkampf ist trotz Harris noch alles möglich

„Es war für (den Präsidentschaftskandidaten der US-Demokraten) Joe Biden von entscheidender Bedeutung, zu zeigen, dass er sich der Erwartungen bewusst war. Kamala Harris, halb Jamaikanerin, halb Inderin, kann all jene beruhigen und ein wenig Hoffnung geben, die sich wegen ihrer Hautfarbe erniedrigt fühlen. Aber lassen Sie uns nicht übertreiben. Auch wenn Joe Biden in den Umfragen weniger als drei Monate vor der Wahl vor Donald Trump liegt, ist das Spiel noch lange nicht vorbei. Der US-Präsident hat viele Fehler, aber er ist einfallsreich, und das internationale Umfeld ist so unsicher, dass alles möglich ist.“

„Aftonbladet“: Kamala Harris ist alles andere als linksextrem

„Kamala Harris ist oft die Erste gewesen. Erste Bezirksstaatsanwältin in San Francisco. Erste Justizministerin von Kalifornien. Sie ist auch die erste schwarze Frau, die als Vizepräsidentschaftskandidatin der beiden großen Parteien nominiert worden ist. Und jetzt wird sie zum vielleicht ersten Mal als linksextrem bezeichnet: Das ist nämlich einer der Botschaften des Trump-Lagers nach dem Entschluss von Joe Biden.

Dass die gemäßigte Demokratin Harris weit links stehen soll, stimmt jedoch nicht. Aus dem linken Flügel kommt vielmehr wiederkehrende Kritik, dass sie in Wirtschaftsfragen zu sehr in der Mitte stehe und in ihrer Karriere die Todesstrafe verteidigt habe. Kamala Harris ist also eher als „tough on crime“ bekannt. Aber die Senatorin ist auch dafür bekannt, sich konkret für bessere Bedingungen für Randgruppen einzusetzen und furchtlos auf Fragen der Gleichstellung, des Rassismus und der Segregation einzugehen. Es wird anstrengend für die Trump-Kampagne werden, jemanden mit Kamala Harris' Profil aus dem Weg zu räumen.“

„NZZ“: Biden geht auf Nummer sicher

„Für Spannung hat der Favorit im Rennen um das Weiße Haus, Joe Biden, zweifellos gesorgt: Zweimal ließ der Demokrat eine selber gesetzte Frist für die Bekanntgabe seiner Vizepräsidentschaftskandidatin verstreichen, ohne die Katze aus dem Sack zu lassen. Doch zuletzt entschied sich Biden für jene Politikerin, die stets als wahrscheinlichste Wahl gegolten hatte, Senatorin Kamala Harris. Er demonstriert damit vor allem eines: In seinem Feldzug gegen den Amtsinhaber Donald Trump will er keine unnötigen Risiken eingehen.(...) Auf Nummer sicher geht Biden mit Harris auch, weil er umstrittenere Optionen verwarf, etwa die frühere Sicherheitsberaterin Susan Rice, eine alte Zielscheibe der Republikaner, oder prononcierte Verfechterinnen der Rechte von Schwarzen wie Karen Bass und Stacey Abrams. (...) Gegenüber Politikern wie Kamala Harris, die sich nicht primär als Vertreter einer bestimmten Ethnie sehen, haben weiße Wähler wesentlich geringere Berührungsängste - dies hat bereits die Wahl Barack Obamas vor zwölf Jahren gezeigt.“

„The Guardian“: Wichtige Botschaft für jüngere Wähler

„In einer Zeit von Black Lives Matter und #MeToo sowie angesichts der sich verändernden Demografie der Vereinigten Staaten geht es bei der Ernennung von Kamala Harris darum, den Gang der Geschichte in Richtung Gerechtigkeit zu lenken. Diese Botschaft ist von entscheidender Bedeutung für jüngere Wähler, insbesondere für die nicht weißen, die bislang Joe Biden gegenüber zurückhaltend waren.

Dass Kamala Harris Biden zur Seite steht, wird linke „Bernie“-Fans nicht zu Biden-Fans machen. Aber sie signalisiert damit schwarzen Wählern, die nicht genug für Hillary Clinton eingetreten waren, dass sie wichtig sind und sie bestätigt zugleich die Schlüsselrolle, die schwarze Frauen für die Demokraten spielen. Wie Barack Obama repräsentiert Kamala Harris ein multi-ethnisches Amerika, in dem die meisten Bürger heute leben möchten. Ihre Ernennung ist zukunftsweisend: Kamala Harris ist mit 55 Jahren mehr als zwei Jahrzehnte jünger als Joe Biden, der im Falle seines Sieges der älteste gewählte Präsident wäre.“ (dpa)

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