Razzia in OberbergBeck wirft Behörden bei Ditib-Ermittlung Verzögerungstaktik vor

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Eine Ditib-Einrichtung: Die Moschee in Köln

Köln – Die oberbergischen Städte Bergneustadt und Engelskirchen waren nur zwei von mehreren Orten in NRW und Rheinland-Pfalz, in denen Beamte des BKA nach Beweisen gesucht haben. Beweise dafür, dass von der türkischen Religionsbehörde Diyanet entsandte Imame in Deutschland Anhänger der Gülen-Bewegung ausspioniert haben sollen. Mindestens 13 Imame aus NRW stehen unter Verdacht. Nach wochenlangen Diskussionen um die Spitzeldienste ließ die Generalbundesanwaltschaft neben Wohnobjekten von islamischen Geistlichen in Oberberg auch die Fatih-Moschee in Bonn-Bad Godesberg und die Moschee im rheinland-pfälzischen Fürthen (Kreis Altenkirchen) durchsuchen. Wie die Karlsruher Behörde mitteilte, wurden unter anderem Kommunikationsmittel, Datenträger und schriftliche Unterlagen sichergestellt. Die Bundesanwaltschaft ermittelt seit Mitte Januar - nach einer Strafanzeige des religionspolitischen Sprechers der Grünen im Bundestag, Volker Beck, die dieser bereits im Dezember gestellt hatte.

Womöglich absichtlich gebummelt

Der Kölner Bundestagsabgeordnete kritisiert denn auch die späte Reaktion und findet gegenüber unserer Zeitung deutliche Worte: "Es deutet manches darauf hin, dass hier womöglich absichtlich gebummelt wurde." Bis zu den Durchsuchungen sei zu viel Zeit vergangen. "Man hätte bereits Anfang Dezember mit den Ermittlungen beginnen müssen, dann hätte es vielleicht auch für Haftbefehle gereicht. Jetzt hat man hingenommen, dass die Verdächtigen in die Türkei türmen konnten."

Um die Verdächtigen festzusetzen, ist es jetzt womöglich zu spät. Nach Informationen dieser Zeitung konnten die Ermittler den betreffenden Imam aus Bad Godesberg bei der Razzia nicht antreffen. Bereits Ende Januar hatte die Rundschau berichtet, dass die Imame aus Engelskirchen und Bergneustadt von der türkischen Religionsbehörde Diyanet in die Türkei zurückgerufen worden waren. Der türkisch-deutsche Moscheeverband Ditib, in dessen Gemeinden die Imame gearbeitet hatten, hatte Anfang Februar mitgeteilt, dass "die Amtsdauer dieser Religionsbeauftragten in Deutschland vorzeitig beendet" wurde. Das BKA macht zum Aufenthaltsort der Verdächtigen keine Angaben. Nur: Es bestehe kein dringender Tatverdacht, daher hatten auch die Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof Haftbefehle abgelehnt. Daher können Verdächtige nicht im Land festgehalten werden.

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Ditib äußert sich nur allgemein

Die Pressestelle der Ditib mit Sitz in Köln stand telefonisch nicht für Anfragen zur Verfügung. Es hieß, Anfragen würden nur schriftlich beantwortet. Bis Redaktionsschluss antwortete der Verband allerdings auch auf gezielte Nachfragen nur mit einer allgemeinen Stellungnahme. Darin heißt es, Ditib sei seit Bekanntwerden der Vorwürfe intensiv um Aufklärung bemüht. Und: "Die Ermittlungen richten sich nicht gegen den Ditib-Verband, nicht gegen Ditib-Mitarbeiter und auch nicht gegen die Ditib-Moscheen." Volker Beck glaubt zu wissen, warum die deutschen Behörden in diesem Fall absichtlich so viel Zeit verstreichen ließen, so dass die Geistlichen das Land verlassen konnten: "Ein denkbarer Hintergrund ist der Flüchtlingsdeal zwischen Deutschland und der Türkei." Das Abkommen solle durch die Vorkommnisse nicht gefährdet werden. Außerdem sei Merkel Anfang Februar zu Besuch beim türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und Ministerpräsident Binali Yildirim in Ankara gewesen. Zeitlicher Zufall? "Ein Schelm, wer Böses dabei denkt", kommentiert Beck.

Bundesjustizminister Heiko Maas erklärte, wenn sich der Spionageverdacht bestätige, müsse sich Ditib vorhalten lassen, "zumindest in Teilen ein verlängerter Arm der türkischen Regierung zu sein". "Der Einfluss des türkischen Staats auf die Ditib ist zu groß." Der Dachverband müsse sich "glaubhaft von Ankara lösen" und seine Satzung ändern, in der eine enge Verbindung zur Diyanet festgeschrieben sei.

Beck dagegen bezeichnet Maas' Ausführungen als "Witz": "Die Spionage hat Ditib längst eingeräumt." Maas müsse erklären, warum er vorher nichts unternommen habe. "Wie kann ein Justizminister so naiv Empörung heucheln?" so Beck. Und: "Warum hat es erst meine Strafanzeige gebraucht, damit etwas passiert?"

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