Spahn will Impfstrategie prüfenWird Astrazeneca nur für Jüngere zugelassen?

Lesezeit 4 Minuten
Astrazeneca

Ampullen mit dem Corona-Impfstoff des Herstellers AstraZeneca stehen in kleine Kartons verpackt in einem Kühlschrank.

Düsseldorf – Der dritte Impfstoff für die EU ist in Sicht. Die EU-Zulassungsbehörde (EMA) will voraussichtlich am Freitag über das Vakzin von Astrazeneca entscheiden. Doch möglicherweise wird es nur für Menschen unter 65 Jahren zugelassen, weil der britische Hersteller kaum ältere Menschen in seinen Studien berücksichtigt hat. Das Bundesgesundheitsministerium erklärte: „Acht Prozent der Probanden der Astrazeneca-Wirksamkeitsstudie waren zwischen 56 und 69 Jahren, nur drei bis vier Prozent über 70 Jahre.“

Das Ministerium und das Unternehmen wiesen aber Medienberichte zurück, wonach der Impfstoff von Astrazeneca bei Älteren nicht wirksam sein soll. Das Ministerium will nach der EMA-Zulassung prüfen, ob die Impfstrategie geändert werden muss. Bislang ist vorgesehen, dass die Älteren zuerst geimpft werden. „Ob und in welchem Umfang die Impfverordnung geändert werden muss, kann erst nach der Entscheidung der EMA und nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission entschieden werden“, erklärte ein Sprecher des Ministeriums. Das habe Jens Spahn (CDU) mit seinen Länderkollegen erörtert. Ebenso warnte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) vor Spekulationen. Man solle die Entscheidung der EMA abwarten, am Samstag würden die Gesundheitsminister dazu beraten.

Impfquote

Deutschland Einen Monat nach Start der Impfkampagne haben zwei Prozent der Bevölkerung die erste Dosis erhalten, so das Robert-Koch-Institut am Dienstag. Mehr als 1,6 Millionen Menschen sind nun geimpft.

Alles zum Thema Jens Spahn

NRW Die Impfquote variiert: In Mecklenburg-Vorpommern haben 3,2 Prozent die erste Dosis erhalten, in NRW nur 1,6 Prozent.  

Der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein, Frank Bergmann, geht davon aus, dass die Behörde die Zulassung beschränkt: „Er wird wegen der entsprechenden Studien wohl nur für Menschen bis 65 Jahre zugelassen werden.“ A uch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach betonte: „Der Impfstoff ist bei Älteren sehr viel schlechter untersucht als bei Jüngeren. Dazu hat der Hersteller gerade noch mal neue Daten an die Behörde nachgeliefert, die in die Zulassungsentscheidung einfließen werden.“

Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Josef Neumann, warnte: „Wenn wirklich nur bei einer derart geringen Zahl von Senioren die Wirksamkeit des Impfstoffe überprüft wurde, kann man nicht allen Ernstes erwarten, dass dieser eine Zulassung erhält.“ Er warf Laumann vor, die gesamte Impfstrategie auf Astrazeneca ausgerichtet zu haben. „Da erwarten wir jetzt klare Antworten, welche Alternativen er für die Menschen bereithält, die nicht mehr mobil sind.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Astrazeneca hatte die EU bereits am Freitag mit der Ankündigung verärgert, weniger als geplant zu liefern. In Brüssel ist man empört. In Kommissionskreisen wird kritisiert, dass von Lieferproblemen bei Nicht-EU-Ländern nichts bekannt sei und Astrazeneca Vorauszahlungen erhalten habe. Ärzte-Präsident Klaus Reinhardt, mahnte: „Die Bundesregierung und die EU sollten darauf drängen, dass die vertraglich zugesicherten Liefermengen und Liefertermine eingehalten werden.“ Gefährdete Gruppen müssten geimpft sein, bevor sich die britische Virusvariante ausbreite. „Da zählt buchstäblich jeder Tag.“

Terminvergabe auch am Dienstag überlastet

Die über 80-Jährigen, die derzeit einen Termin in einem NRW-Impfzentrum vereinbaren können, sind vom Wirbel um Astrazeneca nicht betroffen. Ihr Impfstoff kommt von Biontech. Doch die Terminvergabe sorgte auch am Dienstag für Ärger. Viele Bürger kamen am Telefon nicht durch oder erhielten online Fehlermeldungen – etwa, dass es erst 2026 wieder Termine gebe. Am Mittag musste die Vermittlung in Nordrhein zeitweilig gestoppt werden, weil alle Termine für die ersten sechs Wochen vergeben worden waren. Dann wurden Termine für w eitere drei Wochen bereitgestellt. KV-Chef Bergmann versicherte: „Woche für Woche stellen wir 70.000 Termine zur Verfügung.“ Jeder werde einen Termin erhalten, auch wenn dies bis April dauern könne. Für Ärger sorgt auch, dass pro Mailadresse nur eine Person, aber kein Ehepaar angemeldet werden kann. „Das werden wir ändern“, kündigte Bergmann an.

Laumann sagte, er verstehe die Frustration der Bürger, aber aber angesichts der Größe der Aufgabe sei der Impfstart in NRW „sehr wohl gelungen“. 275.000 vermittelte Impftermine seit Montag zeigten, dass das System funktioniere. In NRW haben 850.000 über 80-Jährige Anspruch auf einen Termin.

Rundschau abonnieren