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Sternchen, Gerundiv, Binnen-iVerhunzt Gendern die deutsche Sprache?

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Gendersternchen

Das Gendersternchen wird immer mehr zum Alltag – und steht als Begriff auch im Duden. 

  • Geschlechtergerechte Sprache ist ein Reizthema. Befürworter streiten für einen modernen Sprachgebrauch, der kein Geschlecht und keine sexuelle Identität ausschließt.
  • Gegner befürchten die unwiderrufliche Verunstaltung der deutschen Sprache.
  • Was stimmt denn nun?

Berlin – Nun hat das Thema der geschlechtergerechten Sprache auch den beginnenden Bundestagswahlkampf erreicht. Hamburgs CDU-Chef Christoph Ploß machte sich vor einigen Tagen für ein Verbot der sogenannten Gendersprache (vom englischen Wort „gender“ für Geschlecht) bei staatlichen Stellen stark.

„Zu Hause am Abendbrottisch sollte selbstverständlich jeder, der das möchte, nach Herzenslust gendern können“, sagte der Bundestagsabgeordnete dem „Spiegel“. „Aber von Beamten, Lehrkräften und Dozenten erwarte ich, dass sie im Dienst gültige Regeln und Normen nicht einfach willkürlich verändern.“ Ploß nannte die geschlechtergerechte Sprache „künstlich und ideologisch motiviert“ und plädierte dafür, das Verbot ins Regierungsprogramm von CDU und CSU aufzunehmen.

Der Vorstoß löste heftige Reaktionen aus. So stellte zum Beispiel SPD-Chefin Saskia Esken fest, die CDU sei offenbar mit dem „gesellschaftlichen Wandel überfordert“. Die Christdemokraten der Hansestadt gossen ihre Haltung jedoch einstimmig in einen Beschluss: „Die Hamburger CDU spricht sich dafür aus, dass in allen Behörden, Schulen, Universitäten und anderen staatlichen Einrichtungen keine grammatisch falsche Gender-Sprache verwendet wird“, heißt es darin. Auch dürfe es keine Diskriminierung und Ausgrenzung von Menschen geben, die keine gendergerechte Sprache verwenden möchten.

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Was Wissenschaftler sagen

Auch der Vorsitzende der Gesellschaft für Deutsche Sprache, Peter Schlobinski, sieht den Einsatz von Gendersternchen und Gender-Doppelpunkten im Schriftverkehr von staatlichen Stellen und an Universitäten nicht von den in Deutschland geltenden Rechtschreibregeln gedeckt.

„Für die offizielle Schreibung in Institutionen, Verwaltungen, Schulen, Universitäten haben wir den Rechtschreibrat und das ist die Norm, an die wir uns zu halten haben“, sagte er dem „Tagesspiegel“. Wenn jetzt jeder davon abweiche – „wir haben in Hannover den Stern, in Lübeck den Doppelpunkt“ –, führe das zur Uneinheitlichkeit, warnte der Sprachwissenschaftler.

„Und das deckt sich einfach nicht mit dem Auftrag, den die Kultusministerkonferenz dem Rechtschreibrat gegeben hat.“ Vom Vorwurf, Gendern „verhunze“ generell die deutsche Sprache, hält dagegen der Sprachwissenschaftler Thomas Kronschläger vom Institut für Germanistik der TU Braunschweig nichts. „Das setzt ja voraus, dass es eine feste Sprache gibt, die ,verhunzt‘ werden könnte“, sagte er im „Stern“.

„Dabei gibt es das Deutsche in sehr unterschiedlichen Formen seit ungefähr dem 8. Jahrhundert. In 1200 Jahren deutscher Sprache hat sich aber ganz viel verändert, und die Sprache wurde auch immer wieder aktiv verändert, wenn man zum Beispiel an die Übersetzung der Bibel von Martin Luther denkt, die absolut entscheidend war für die deutsche Sprache.“

Was die Bevölkerung meint

Fast zwei Drittel der Deutschen lehnen einer Umfrage zufolge eine gendergerechte Sprache ab. 65 Prozent der Bevölkerung halten nichts von einer stärkeren Berücksichtigung unterschiedlicher Geschlechter, wie eine Befragung von Infratest Dimap für die „Welt am Sonntag“ ergab. Im vergangenen Jahr lag die Ablehnung noch bei 56 Prozent.

Die Mehrheit der Deutschen lehnt damit Formulierungen wie „Zuhörende“ statt „Zuhörer“ und die Nutzung des großen Binnen-I („WählerInnen“) in der Schriftsprache ebenso ab wie eine Pause vor der zweiten Worthälfte („Pendler_innen“) in der gesprochenen Sprache, wie es seit einiger Zeit zum Beispiel viele Rundfunk- und TV-Sender in ihren Nachrichtensendungen praktizieren. Frauen bewerten die gendergerechte Sprache positiver als Männer, dennoch stieg bei ihnen die Ablehnung von 52 auf 59 Prozent.

Eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für den „Spiegel“ ergab zudem, dass 53 Prozent der Deutschen ein Verbot geschlechtergerechter Sprache für staatliche Stellen befürworten. 38 Prozent sprechen sich gegen eine solche Regelung aus.

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Zwischen den einzelnen im Bundestag vertretenen Parteien gibt es in dieser Frage allerdings erhebliche Unterschiede. So befürworten mehr als zwei Drittel der Unionswähler ein Verbot der Gendersprache an Behörden und Schulen. Bei FDP- und AfD-Anhängern ist die Unterstützung noch größer. Fast drei Viertel halten ein Verbot für richtig.

Anders sieht es bei SPD und Linken aus. Fast die Hälfte der Wähler dieser Parteien spricht sich laut der Umfrage gegen ein Verbot aus. Allerdings sind etwa zehn Prozent der SPD-Wähler noch unentschieden, bei den Linken liegt der Anteil noch höher.

Die Grünen haben von jeher eine eindeutige Haltung zu dem Thema. Zwei Drittel ihrer Unterstützer lehnten in der Umfrage ein Verbot der Gendersprache ab. Es gibt allerdings auch abweichende Stimmen in den Reihen der Partei. Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann zum Beispiel kritisierte im vergangenen Jahr „Sprachpolizisten“ und forderte, jeder solle reden können, „wie ihm der Schnabel gewachsen ist“. (mit dpa/afp)

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