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Wahlbetrug-TheseKommt doch noch das Trump-Comeback?

Lesezeit 4 Minuten
Innerhalb der republikanischen Partei hat Donald Trump noch Verbündete.

Innerhalb der republikanischen Partei hat Donald Trump noch Verbündete.

Washington/Phoenix – Der Glaube an die „große Lüge“ vom Betrug bei den US-Präsidentschaftswahlen wird von den Republikanern teils immer noch propagiert. Könnten Trump und sein harter Kern an Anhängern  mit ihrer Aktion dem neuen demokratischen Präsidenten Joe Biden noch gefährlich werden?

Sechs Monate sind seit den Präsidentschaftswahlen des Jahres 2020 vergangen. Seit dem 20. Januar regiert Joe Biden im Weißen Haus, Gerichte haben mit überwältigender Mehrheit den Sieg des Demokraten bestätigt und die zahlreichen Anfechtungen abgewiesen. Und dennoch werden immer noch Stimmen gezählt und auf ihre Gültigkeit geprüft – im bevölkerungsreichsten Bezirk des Bundesstaates Arizona, Maricopa County. Rund 2,1 Millionen Wähler leben dort – und vor allem Latinos haben mit ihrer Stimme dazu beigetragen, dass Biden am Ende Arizona mit einem Vorsprung von 10457 Stimmen gewonnen hatte. Der Demokrat hatte damit um 0,31 Prozent die Nase vorn.

Fokus auf Migranten und Briefwahl

Das war das zweitknappste Ergebnis aller Bundesstaaten und bot deshalb Donald Trump und den Republikanern jede Menge Munition für Verschwörungstheorien. Eine der beliebtesten: Illegal im Land lebende Migranten, die keine Wahlberechtigung haben, hätten es zu den Stimmabgaben geschafft oder die Briefwahl missbraucht – und seien das Zünglein an der Waage gewesen. Mehrere Prüfungen durch die staatliche Wahlkommission in Arizona ergaben für diese These keine Anhaltspunkte.

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Doch Aufgeben steht nicht im Parteiprogramm der Republikaner in dem südwestlichen Wüsten-Bundesstaat. Deshalb beauftragten sie am 31. März vier Prüffirmen, um die Stimmzettel erneut unter die Lupe zu nehmen – ein Verfahren, das sich nach Schätzungen von Beobachtern noch bis Mitte August hinziehen könnte. Da das offizielle Ergebnis von Arizona aber längst in Washington zertifiziert wurde, stellt sich die Frage: Welchen Zweck hat die Aktion – außer einer Legendenbildung und der Bestätigung der vom Trump-Lager weiter verbreiteten „Big Lie“ („Große Lüge“), dass Joe Biden kein legitimer Präsident sei?

Venezuela und Korea im Verdacht

Allein schon die Auswahl der Prüffirma zeigt die Absichten der Republikaner. Das Unternehmen nennt sich „Cyber Ninjas“. Und dessen Präsident Doug Logan macht keinen Hehl aus seinen Sympathien für Trump, der sich Berichten zufolge mehrfach am Tag über die Nachzählung informieren lässt. Er könne es nicht mehr hören, dass man behaupte, es habe keinen Wahlbetrug gegeben, so einer der Kernsätze Logans. Unter anderem war an den Prüftischen auch der ehemalige Bundesstaatsabgeordnete Paul Kern zu sehen, der auch am 6. Januar beim Sturm auf das US-Kapitol beteiligt gewesen sein soll.

Trump-Kritikerin Cheney fliegt aus Fraktionsspitze

Im Richtungsstreit der Republikaner ist die Trump-Kritikerin Liz Cheney auf Druck des früheren US-Präsidenten aus der Fraktionsführung im Repräsentantenhaus gedrängt worden. Eine Mehrheit der republikanischen Abgeordneten stimmte am Mittwoch dafür, Cheney von dem Führungsposten zu entfernen, wie der Abgeordnete Adam Kinzinger nach der geheimen Sitzung sagte.

Cheney hatte Donald Trumps Behauptungen über Wahlbetrug als „Lüge“ gebrandmarkt und ihre Partei vor dem Ex-Präsidenten gewarnt. Als Vorsitzende der Republikanischen Konferenz im Repräsentantenhaus war sie die dritthöchste Abgeordnete ihrer Fraktion. Cheney dürfte durch ihre Konkurrentin Elise Stefanik ersetzt werden. Nachdem Trump sich hinter Stefanik gestellt hatte, hatte Fraktionschef Kevin McCarthy der 36-Jährigen seine Unterstützung ausgesprochen. Cheney (54) hat weiterhin ihr Abgeordnetenmandat.

In einer kämpferischen Rede im Kongress hatte Cheney betont, sie werde nicht schweigend zusehen, wie sich ihre Partei „dem Kreuzzug des ehemaligen Präsidenten anschließt, um unsere Demokratie zu untergraben“. Dutzende Gerichte hätten Trumps Behauptung entkräftet, dass er durch Betrug um seine Wiederwahl gebracht worden sei. „Diejenigen, die sich weigern, die Urteile unserer Gerichte zu akzeptieren, stehen auf Kriegsfuß mit der Verfassung.“ (dpa)

So fehlt es dann auch nicht an absurden Behauptungen, die aus diesem Lager nach außen dringen. Eine geht davon aus, dass die Wahlautomaten mit einem Algorithmus „gefüttert“ worden seien, den der frühere Diktator Venezuelas, der verstorbene Hugo Chavez, erfunden und dann zu Manipulationszwecken eingesetzt habe. Ein anderer Verdacht führte dazu, dass die Prüfer nun mit Lupen nach Bambusfasern in den Stimmzetteln suchen. Denn angeblich sollen nach der Wahl jede Menge zugunsten Bidens gefälschte Stimmzettel aus Südkorea nach Arizona gebracht worden sein – und dieses Papier enthalte Bambusfasern.

70 Prozent stehen hinter der These

Trump und sein harter Kern an Anhängern gehen weiter davon aus, dass sich das Endergebnis zu Gunsten des längst feststehenden Wahlverlierers wenden werde. In einem Interview mit dem rechten Moderator Dan Bongino formulierte Trump, es gebe keine Zweifel am Sieg in Arizona. „Wir hatten einen Enthusiasmus, den man zuvor noch nie gesehen hat“, so der Ex-Präsident, „und ganz plötzlich verlieren wir. Die Menschen konnten es nicht glauben“. Rund 70 Prozent der Republikaner-Wähler in den USA, so zeigte jetzt eine Umfrage, stehen hinter dieser Trump-These. Die Zweifler hingegen sind deutlich in der Minderheit. Zu ihnen zählt Paul Boyer, der als Republikaner im Senat von Arizona sitzt und die Nachzählungen zunächst unterstützt hatte. Doch heute würde er sie am liebsten schnellstens verschwinden lassen. Denn: Die Prüfungen ließen die Partei „wie Idioten aussehen“, so Boyer.

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