Wegen Kinderarbeit und HungerlohnBund einigt sich auf umstrittenes Lieferkettengesetz

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Bangladesch: Eine Frau arbeitet in einer Textilfabrik. (Symbolbild)

Berlin – Im langen Streit um ein Lieferkettengesetz zur Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards haben die drei beteiligten Ministerien einen Durchbruch erzielt. Die Ressorts von Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU), Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) einigten sich auf einen gemeinsamen Referentenentwurf, wie die Deutsche Presse-Agentur am Freitag aus Regierungskreisen erfuhr. Die drei Minister wollen den Kompromiss am Vormittag (10.45 Uhr) in Berlin vorstellen.

Für Unternehmen mit mehr als 3000 Mitarbeitern

Vorgesehen ist demnach eine „abgestufte Verantwortung“ für den Weg vom Endprodukt zurück zum Rohstoff. Nach dpa-Informationen soll es vom 1. Januar 2023 für Unternehmen mit mehr als 3000 Mitarbeitern gelten, von Anfang 2024 an auch für Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern.

Es soll keine zivilrechtliche Haftung der Unternehmen geben. Das hatte Altmaier abgelehnt. Wirtschaftsverbände hatten argumentiert, eine zivilrechtliche Haftung von Unternehmen für unabhängige Geschäftspartner im Ausland, die dort eigenen gesetzlichen Regelungen unterliegen, sei realitätsfern. In diesem Falle drohe, dass sich deutsche Firmen wegen zu hoher Risiken aus vielen Ländern der Welt zurückziehen.

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Ziel von Heil und Müller war es, ein Lieferkettengesetz noch in dieser Legislaturperiode zu verabschieden. Die Bundestagswahl ist im Herbst. Das Gesetz soll einen Beitrag leisten, um Kinderarbeit und Hungerlöhne bei ausländischen Zulieferern einzudämmen. Es soll deutsche Unternehmen verpflichten, bei ausländischen Lieferanten die Einhaltung sozialer und ökologischer Mindeststandards zu verfolgen.

Die Firmen sollen ihre gesamte Lieferkette im Blick haben. Wird einer Firma ein Missstand in der Lieferkette bekannt, soll sie verpflichtet werden, für Abhilfe zu sorgen. Nach dpa-Informationen sollen Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften künftig die Möglichkeit bekommen, Betroffene vor Gericht zu vertreten, wenn es Verstöße gegen Standards in Lieferketten gibt.

In einem regierungsinternen Papier, das der Deutschen Presse-Agentur vorlag, heißt es: „Das Gesetz bekommt Zähne. Wir gewährleisten seine effektive Durchsetzung durch eine starke Kontrollbehörde, die Unternehmen auf die Finger schaut mit Vor-Ort-Kontrollen in Unternehmen und Bußgeldern bei Verstößen - aber auch mit substanziellen Unterstützungsangeboten.“ Unternehmen, gegen die aufgrund von Verstößen gegen die Sorgfaltspflicht ein Bußgeld verhängt wird, sollen demnach bis zu drei Jahre von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden.

Mangelnder Arbeitsschutz in sogenannten Entwicklungsländern

Heil und Müller hatten betont, mit dem Gesetz sollten Kinderarbeit, Niedriglöhne und mangelnder Arbeitsschutz vor allem in Entwicklungsländern bekämpft werden. Wirtschaftsverbände hatten sich zu Standards bekannt, aber darauf hingewiesen, ein Lieferkettengesetz müsse praktikabel sein - weil Firmen mitunter hunderte Lieferanten haben.

Ein Monitoring der Bundesregierung hatte gezeigt, dass nur ein Fünftel aller in Deutschland ansässigen Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht entlang ihrer Lieferketten genügend nachkomme. Freiwillige Selbstverpflichtung reiche daher nicht aus.

Im Koalitionsvertrag war für diesen Fall vereinbart worden, national gesetzlich tätig zu werden. Außerdem will sich die Bundesregierung auf EU-Ebene für verbindliche Regeln einsetzen. Wirtschaftsverbände hatten vor einem nationalen Alleingang gewarnt, weil dies zu Lasten der Wettbewerbsfähigkeit von Firmen gehen könnte. (dpa)

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