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„Mir gehen die Nerven fliegen“So erlebte FC-Gründungsmitglied Max Esser die Rettung

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Max Esser (97).

Köln – Max Esser hat es dieses Mal aushalten können. Der 97-Jährige hat in dieser Saison oft das Fernsehgerät oder Smartphone ausgeschaltet, wenn der 1.FC Köln spielte. „Mir gehen dann die Nerven fliegen“, sagt er, „Und wenn sie zurückliegen, wird es ganz schlimm.“ Es war oft ganz schlimm in diesem Jahr.

Aber der 5:1-Sieg gegen Holstein Kiel, mit dem die Geißböcke den Klassenerhalt sichern konnten, war gefühlt ein Sonntagsspaziergang. Bis zum 3:1 blieb es am Ticker dran, dann machte er kurzzeitig aus, um nach dem 4:1 das süße Spielende zu genießen. „Es war eine wunderbare Leistung. Ich bin sehr erleichtert.“

Schon Mitglied beim Vorgängerclub

Max Esser ist einer von fast 112 000 Club-Mitgliedern. Aber keiner zittert so lange mit dem FC wie der ältere Herr aus Sülz – seit 83 Jahren. Dass der Verein erst seit 73 Jahren besteht, lächelt Esser müde weg, er war schon Mitglied im Vorgängerclub Kölner Ballspiel-Club (KBC), beigetreten ist er 1938. Der Senior besitzt ein Silbermedaille, die ans Double 1978 erinnert, zur 80-jährigen Mitgliedschaft ist er mit einem Geißbock in Gold geehrt worden.

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Aber er kennt auch das Leiden. „Es ist ein gewisser Gewöhnungseffekt eingetreten“, sagt der Senior zu den zahlreichen Tiefschlägen der vergangenen Jahre und dem nun gerade noch vermiedenen siebten Abstieg. Nur mit Verletzungen sei das dürftige Abschneiden nicht zu erklären, aber nun sei ja noch alles gut geworden.

Für die Fans endete an diesem Wochenende eine Saison, in der sie aufgrund der Corona-Pandemie komplett draußen bleiben mussten. Beim Relegationsfinale verhinderte die Inzidenz ein kollektives Erleben im Biergarten. Erst nach dem Spiel trafen sich die Anhänger zum traditionellen Korso auf den Ringen. Auch der fiel deutlich gedämpfter aus als noch bei der Rückkehr nach Europa vor vier Jahren oder früheren Aufstiegsfeierlichkeiten.

Abstand zu halten fiel recht leicht, interessierte aber trotzdem niemanden. Die Polizei sperrte sicherheitshalber die Plastik „Ruhender Verkehr“, auf der üblicherweise die rot-weiße Fahne gehisst wird. Dass Beamte einen Betonblock abriegeln, ist kein schlechtes Sinnbild für eine Spielzeit, in der die Geißböcke immer wieder mit dem Rücken zur Wand standen.

„Heute ist ein Tag zum Feiern“, sagt Patrick, der mit seinen Kindern auf den Hohenzollernring gekommen ist. Die Erleichterung sei riesig nach dieser Saison, die eigentlich eine zum Vergessen war. Er hat seine Kinder mitgebracht. Sie sollen das mal erleben, aber lieber noch würde er wiederkommen, wenn es mehr zu feiern gibt als nur den Nichtabstieg.

Ein paar Störenfrieden gelang es, mit einigen Böllerwürfen und Pöbeleien, die zahlreich vertretenen Polizisten zu beschäftigen. Ein Gruppe von 50 Personen musste zur Ehrenstraße zurückgedrängt werden. Ein Beamter wurde bei einer vorläufigen Festnahme verletzt, es gab drei Anzeigen.

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Um 22 Uhr, (fast) pünktlich zum Beginn der Ausgangssperre war der Festakt weitgehend vorbei. Auch danach blieben Polizei und Ordnungsamt auf den Straßen, um die Menschen nach Hause zu bitten. Etwas mehr als ein Dutzend Anhänger fuhr zum Flughafen, um die Spieler zu begrüßen, ebenso viele wurden am Geißbockheim gesichtet, es wurde Verfahren wegen Verstoßes gegen die Corona-Schutzauflagen eingeleitet. Insgesamt aber galt: So diszipliniert feiert der Kölner selten.

Der Psychologe Stephan Grünewald hat mal gesagt, der Kölner habe eine Haltung entwickelt, die man das „ewige Werden“ nennen könne. Er strebt zwar nach Höherem, nach dem Rang einer Weltmetropole und der Champions League, aber er wisse auch, dass das noch sehr lange dauern könnte. Bis dahin wisse er den Moment zu schätzen. Und einlösen müsse man diese Ansprüche nicht zwingend. Wäre ja noch schöner.

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