„Weg von der One-Man-Show“Dr. Carsten Wettich über den Strukturumbau beim 1. FC Köln

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Dr. Carsten Wettich

Dr. Carsten Wettich

  • Der 1. FC Köln holt am Donnerstag seine Mitgliederversammlung 2020 nach.
  • Dr. Carsten Wettich soll dann als Vizepräsident des Fußball-Bundesligisten bestätigt werden.
  • Im Vorfeld stellte er sich den Fragen von Martin Sauerborn.

Herr Wettich, am Donnerstag findet die Mitgliederversammlung 2020 des 1. FC Köln statt. Der Vorstand, dem Sie seit dem Rücktritt von Jürgen Sieger Mitte Dezember 2019 angehören, hat in seiner bisherigen Amtszeit viel Kritik und wenig Lob geerntet. Mit welchem Gefühl gegen Sie in diese rein virtuelle Veranstaltung? Wettich: Erst einmal freuen wir uns, dass die Versammlung nun stattfindet. Auch wenn sie leider nur virtuell möglich ist. Wir hatten ja auf eine hybride Versammlung hingearbeitet. Es ist wichtig, dass der Vorstand seine Berichte vorlegen und seine Strategie vorstellen kann. Persönlich geht es für mich um die Nachwahl in den Vorstand. Ich gehe zuversichtlich in die Versammlung, freue mich auf den Austausch und die kritischen Fragen, die kommen werden.

Das Ergebnis Ihrer Nachwahl gilt als Indikator für die bisherige Qualität der Arbeit des Vorstands. Bereitet Ihnen das nach einem schwierigen Jahr für den Vorstand Sorgen?

Der Vorstand ist für drei Jahre gewählt worden. Gerade wenn man strukturelle Dinge anstößt und grundlegende Veränderungen herbeiführen möchte, wie es der Vorstand bei seiner Wahl im Herbst 2019 angekündigt hat, braucht das Zeit. Ein Fazit sollte daher erst am Ende der Amtszeit im Herbst 2022 gezogen werden. Jetzt geht es für mich darum, den Vorstand bis dahin zu ergänzen und die Arbeit fortzusetzen. Wir sind mittendrin in unseren Projekten und wir sind dabei, den 1. FC Köln durch die extremen Herausforderungen der pandemiebedingten Krise zu führen. Bei der Wahl geht es aber nur um meine Person und mein Amt.

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Zur Person

Dr. Carsten Wettich (41) wurde im Dezember 2019 vom Mitgliederrat für den zurückgetretenen Dr. Jürgen Sieger in den FC-Vorstand entsendet. Der Jurist hat in der Jugend zwei Jahre beim FC gespielt, ist seit 15 Jahren Mitglied des Clubs und 2013 in den Mitgliederrat gewählt worden. Der gebürtige Kölner ist Gründungspartner einer auf Gesellschaftsrecht spezialisierten Kanzlei in Düsseldorf, wo er auch mit seiner Familie lebt. (sam)

Mit welchem Ergebnis rechnen Sie?

Ich möchte keine Prognosen abgeben. Ich stelle mich dem Votum der Mitglieder, denn ich finde es richtig, dass beim FC die Mitglieder entscheiden.

Wie gehen Sie mit einem schlechten Ergebnis um?

Ich bin selbstkritisch und habe die Arbeit der vergangenen Monate analysiert. Natürlich haben wir Fehler gemacht. Es ist die schwierigste Phase in der FC-Historie und der Club muss handlungsfähig bleiben. Ein starkes Votum würde natürlich unsere Arbeit erleichtern.

Und wenn Sie nicht gewählt werden?

Dann würde ich sofort aus dem Vorstand und dem Mitgliederrat zurücktreten.

Dem Vorstand wird vorgeworfen, dass er zu wenig Nähe zu Mitgliedern, Fans und Mitarbeitern hergestellt hat. Eine berechtigte Kritik?

Es war durch Corona eine herausfordernde Zeit. Wir befinden uns in der größten wirtschaftlichen Krise des 1. FC Köln. Es ging und geht darum, zusammen mit der Geschäftsführung, den Gremien und unseren Mitarbeitern das Überleben des Clubs zu sichern. Der Schwerpunkt unserer Arbeit lag deshalb im wirtschaftlichen Bereich, wo uns mit überlebensnotwendigen Landesbürgschaft und den Genussrechten zwei große Schritte gelungen sind. Die Lizenz für die kommende Saison ohne Auflagen zu bekommen, ist ein großer Erfolg. Wir haben während dieser intensiven Arbeit, die von außen nicht so sichtbar ist, allerdings leider die Kommunikation mit den Mitgliedern und Fans etwas aus den Augen verloren und nicht immer die richtigen Formate gefunden. Ganz klar, da müssen wir besser werden und wir wollen das auch.

Wie soll das aussehen?

Das Ende der strikten Kontaktbeschränkungen und die Rückkehr der Zuschauer ins Stadion werden uns dabei helfen. Das gemeinsame Stadionerlebnis und Formate, die gemeinsam möglich sind, wie Mitglieder-Stammtische oder Townhall Meetings sind wichtige Faktoren für das gelebte Miteinander. Es gibt aber auch bereits gute Beispiele, an die wir anknüpfen möchten. So hat sich der von uns neu aufgestellte FC-Fandialog gut eingeführt. Hier erleben wir einen lebhaften Austausch über FC- und fanrelevante Themen.

Was wollen und müssen Sie ändern?

Wir müssen eine positive Fehlerkultur implementieren und dabei Hetze und Populismus von berechtigter Kritik unterscheiden. Gegen Hetze zeigen wir klare Kante, Populismus müssen wir mit Sachargumenten und inhaltlichem Austausch begegnen. Aber es gibt auch konstruktive Kritik. Aus dieser Kritik wollen wir unser Handeln ableiten und Fehler nicht wiederholen. Wir haben in der Corona-Zeit die hohe emotionale Komponente des FC nicht ausreichend bedient. Fans und Mitglieder haben durch die Pandemie eine Entfremdung erlebt und dabei haben wir sie ein Stück weit alleine gelassen. Das bedaure ich. Wir brauchen eine regelmäßige Kommunikation, die den Club für alle wieder anfassbar macht. Die Zeit nach Corona ermöglicht hier einen Neuanfang.

Ein vieldiskutiertes Thema beim FC ist der mögliche Einstieg von Investoren.

Es ist Bestreben des Vorstands und des Mitgliederrats, dass die Mitglieder ab dem Verkauf des ersten Anteils mitbestimmen sollen. Denn der Verein gehört den Mitgliedern. Unseren entsprechenden Antrag auf Satzungsänderung haben wir aber bewusst zurückgezogen, um ihn erst einmal in Ruhe mit den Mitgliedern zu diskutieren. Wir planen gerade eine Podiumsdiskussion zu dem Thema, in dem wir zunächst einmal für eine ausreichende Informationsbasis sorgen, aber auch unterschiedliche Meinungen zu Wort kommen lassen möchten.

Was spricht gegen einen Einstieg von Investoren beim FC?

Meiner Meinung nach würde diese Entscheidung den FC spalten. Der Club war immer dann gut, wenn er als Gemeinschaft zusammengestanden und die Wucht des FC genutzt hat. Und der FC gehört seinen Mitgliedern. Nur die Mitglieder sollten eine solche Entscheidung treffen, die die Struktur ganz grundlegend ändert.

Was ist mit der wirtschaftlichen Komponente?

In der Vergangenheit hatten wir häufig genug Geld, haben es aber nicht gut genug eingesetzt. Ein Blick auf die Geld- und die Punktetabelle der Bundesliga zeigt, dass wir sportlich schlechter abgeschnitten haben, als wir von den Mitteln her hätten abschneiden müssen. Daher müssen wir zunächst die Strukturen verbessern, damit wir unsere wirtschaftlichen Möglichkeiten auf den Platz bringen. Dies macht einen wesentlichen Teil der Strategie aus, die wir in den letzten Monaten erarbeitet haben. Aber auch wirtschaftlich können wir von innen heraus wachsen.

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Uns helfen nachhaltig nur mehr Einnahmen, um den Spieleretat-Rückstand von 25 bis 30 Millionen Euro zu einem Top-Ten-Bundesligisten nach und nach auszugleichen. Mit Hilfe eines Investors schließt man die Lücke nur für ein Jahr, bleibt im zweiten und den Folgejahren aber durch langjährige Verträge auf den hohen Personalkosten hängen. Dann ist man gezwungen, weitere Anteile zu verkaufen und gerät in eine Abwärtsspirale. Andere Clubs, die so vorgegangen sind und Geld aus Anteilsverkäufer in den Kader gesteckt haben, zeigen: Das Geld wäre nicht erfolgreich angelegt, sondern wird verbrannt.

Wie wollen Sie die Einnahmen nachhaltig steigern?

Das ist Teil unserer Strategie, an der wir intensiv gearbeitet haben und die wir am Donnerstag vorstellen. Wir müssen mit den vorhandenen Mitteln besser wirtschaften. Freiburg, Mainz und jüngst Union Berlin machen es doch vor. Das sind Clubs, die mit weniger Mitteln und einem schlechteren Umfeld erfolgreicher arbeiten als wir. Wir brauchen ein Ziel und auch außerhalb des Spielfelds einen klaren Matchplan, mit welcher Struktur wir es erreichen wollen. Dafür müssen wir auch die Leistung des Vorstands, der Geschäftsführung und des Geißbockheims Saison für Saison messbar machen, um nachjustieren zu können. Es gibt verschiedene Maßnahmen. Manche sollen in den ersten Jahren greifen, andere brauchen länger, es wächst also kontinuierlich an.

Um Strukturen nachhaltig aufzubauen, braucht es Kontinuität. In der Amtszeit des aktuellen Vorstandes sind zwei Geschäftsführer Sport und zwei Trainer entlassen worden. Wie passt das zueinander?

Kontinuität bedeutet für mich in erster Linie den Aufbau einer personenunabhängigen Struktur. Eintracht Frankfurt ist ein gutes Beispiel. Sie haben ihren Trainer und ihren Sportchef verloren. Trotzdem ist das, was sie machen, Kontinuität, weil sie gute Strukturen geschaffen haben. Wir müssen beim FC weg von der One-Man-Show, bei der wir jedes Mal wieder von vorne anfangen, wenn einer geht, weil wir keine nachhaltigen Strukturen aufgebaut haben und der Fokus ausschließlich auf dem nächsten Spiel und der nächsten Saison liegt. Deshalb bauen wir die Strukturen um. Zudem erlaubt uns die Interimslösung, dass wir anders als in der Vergangenheit in Ruhe einen neuen Sportchef aussuchen können, der gut zum FC passt, und dem wir zutrauen, strategisch zu arbeiten und die Pläne umzusetzen, um den FC langfristig erfolgreich aufzustellen. Bis dahin sind wir mit der Lösung mit Jörg Jakobs, Lukas Berg und Thomas Kessler sowie Alex Wehrle als Geschäftsführer sehr gut aufgestellt.

Sie sind von Kindesbeinen an FC-Fan und etwas ungeplant über den Mitgliederrat in den Vorstand aufgerückt. Wo wollen Sie den FC künftig sehen?

Ich möchte den FC dahin führen, wo er mit seinem enormen Potenzial hingehört. Es geht darum, ihn zu professionalisieren ohne zu vergessen, dass er kein reines Wirtschaftsunternehmen, sondern ein emotionsgeladener Fußballclub mit mehr als 110.000 Mitgliedern ist. Ich vereine diese beiden Pole in mir und möchte sie aneinander näher bringen. Ich weiß als Rechtsanwalt für Gesellschaftsrecht, wie man nüchtern analysiert und klare, manchmal auch harte Entscheidungen trifft. Auf der anderen Seite bin ich emotional und leidenschaftlicher Fan. Und ich möchte, dass der FC lauter wird. Seine Stimme erhebt, wenn es um die Zukunft des Fußballs geht. Wenn wir etwas ändern wollen, müssen wir auch vorangehen. Und wir wollen etwas ändern, denn die Entfremdung der Menschen vom Fußball ist vorangeschritten, auch wenn keiner wirklich von diesem Spiel loskommt. Hier bieten sich gerade jetzt sehr viele Möglichkeiten, den Fußball in die richtige Richtung zu entwickeln. Dabei möchte ich vorangehen.

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