1. FC KölnBaumgart nimmt sich selbst in Pflicht

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Nachdenklich: FC-Trainer Steffen Baumgart grübelt über die herben Niederlagen in Gladbach und Mainz.

Nachdenklich: FC-Trainer Steffen Baumgart grübelt über die herben Niederlagen in Gladbach und Mainz.

Köln – Der erste Eindruck täuschte. Als Steffen Baumgart seine Mannschaft vor Trainingsbeginn zum obligatorischen Kreis um sich scharte, brandete am Geißbockheim Applaus auf. Zu sehen war eine fröhliche Runde junger Männer, die den Jubilar in ihren Reihen hochleben ließ. Florian Kainz beging am Montag seinen 30. Geburtstag. Für die Glückwünsche seiner Kollegen bedankte sich der österreichische Offensivspieler in Form eines Mittagessens. Nach Trainingsende stand am Kabinentrakt ein Burgerwagen bereit. Ansonsten aber war die Stimmung im Grüngürtel zu Wochenbeginn ziemlich getrübt.

Das 0:5-Debakel am Freitag beim FSV Mainz 05, eingeleitet durch eine frühe Gelb-Rote Karte für den indisponierten Innenverteidiger Luca Kilian, hatte Spuren hinterlassen und wirkte auch mit dem Abstand eines freien Wochenendes noch nach. Insbesondere bei Trainer Steffen Baumgart, der bei der Aufarbeitung des erneuten Untergangs in Unterzahl deutliche Worte wählte und dabei auch nicht an Selbstkritik sparte.

Fehlende Balance im System

„Man kann verlieren, aber man kann nicht zweimal mit fünf Stück verlieren und beide Male die Hauptschuld selbst tragen, indem man sich selbst dezimiert“, ärgerte sich der FC-Coach, dessen Mannschaft erst zwei Wochen zuvor im Derby in Mönchengladbach (2:5) nach einem schnellen Platzverweis für Florian Kainz defensiv auseinandergebrochen war.

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Die Klatsche in Mainz war die bereits vierte Niederlage aus den jüngsten fünf Pflichtspielen. Demgegenüber steht nur der Sieg gegen Augsburg, der das Abrutschen in eine (Ergebnis-)Krise verhindert hatte. „Es ist keine einfache Situation, in der wir uns befinden“, erklärte der FC-Coach, als er am Montag die vergangenen Wochen Revue passieren ließ und dabei von einem „Auf und Ab der Gefühle“ sprach. „Es ist klar, dass das auch mit den Jungs etwas macht.“

Besorgniserregender Kontrollverlust

Bei der Ursachenforschung für die zuletzt unbeständigen Darbietungen hat Steffen Baumgart mehrere Faktoren ausfindig gemacht. „Es gibt im Moment ein paar schwierige Situationen“, analysierte der FC-Coach, dessen Mannschaft die Terminhatz zwischen Bundesliga und Conference League notgedrungen mit dünner Personaldecke bestreiten muss. „Wir haben viele Verletzte. Bei einigen Spielern ist der Rhythmus nicht da. Zudem müssen wir die Fokussierung hinbekommen“, zählte Baumgart auf. Die „größte Herausforderung“ sei aber, „dass wir zweimal fünf Tore kriegen“.

Schindler humpelt vom Rasen

Dem 1. FC Köln droht ein weiterer personeller Rückschlag. Zum Start in die neue Trainingswoche verletzte sich Kingsley Schindler in einem Zweikampf mit Youngster Denis Huseinbasic am Schienbein. Der Rechtsverteidiger schrie laut auf und blieb zunächst am Boden liegen, ehe er gestützt den Rasen verlassen musste. Das Abschlussspiel wurde daraufhin abgebrochen. „Wir hoffen, dass es nur eine kleine Sache ist. Es scheint nichts kaputt zu sein. Trotzdem wurde King an einer Stelle getroffen, an der es weh tut“, erklärte Trainer Steffen Baumgart.

In Jeff Chabot und Mathias Olesen (beide nach Sprunggelenk-Operation) konnten derweil zwei Langzeitverletzte erstmals wieder Teile des Mannschaftstrainings mitmachen. „Wir sind froh, dass sie auf einem guten Weg sind. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass sie noch vor der WM-Pause zum Einsatz kommen werden“, sagte Baumgart. Zudem erwartet der FC-Coach den seit Anfang Oktober pausierenden Jan Thielmann (Virus-Infektion) mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ in dieser Woche zurück im Training. (tca)

Sowohl in Gladbach als auch in Mainz hatte der FC in Unterzahl einen besorgniserregenden Kontrollverlust erlitten. Besonders eklatant war die Vielzahl einfacher Fehler, die sich die Kölner im gesamten Abwehrverbund leisteten und damit das eigene System zum Absturz brachten. „Alle müssen ihre Leistung bringen, sonst entstehen in bestimmten Situationen Lücken“, forderte Baumgart.

Lernen, das Spiel zu beruhigen

Doch genau das war insbesondere in Mainz der Fall gewesen: „Es kann nicht sein, dass wir die Defensive öffnen und Mainz damit derart in die Karten spielen.“ Anstatt bei einem Mann weniger die Defensive zu verdichten und auf Sicherheit zu setzen, rannten die FC-Profis sehenden Auges ins offene Messer. „Wir müssen lernen, dass wir in unserer Spielweise nicht immer anlaufen, sondern das Spiel auch mal beruhigen müssen. Das haben wir nicht geschafft“, sagte Baumgart, dessen Team mittlerweile offenbar zu sehr daran gewöhnt ist, im ständigen Vorwärtsgang zu agieren. „Für die Jungs ist es schwierig, wenn wir ihnen seit anderthalb Jahren in den Kopf prügeln, dass sie jeden Ball attackieren sollen – und dann sollen sie auf einmal zurückbleiben. Das ist ein Prozess, den wir durchlaufen müssen.“

„Ich bin derjenige, der Lösungen finden muss“

Bei der Erarbeitung des erforderlichen Alternativplans nimmt sich der FC-Coach selbst in die Pflicht: „Es geht nicht darum, wer die Schuld trägt. Ich bin aber derjenige, der Lösungen finden muss – und das habe ich in den beiden Spielen nicht gut hinbekommen.“ Nun sei das Trainerteam gefragt, „Lösungen für bestimmte Situationen zu bieten. Da sollte die Verantwortung schon bei mir liegen, da die Jungs alles raushauen.“

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Damit das Kölner System in den drei Englischen Wochen bis zur WM-Pause eine ausgewogenere Balance findet, sind rasche Lernfortschritte erforderlich. Schon am Donnerstag (18.45 Uhr, RTL+) kämpft der Bundesligist beim 1. FC Slovácko gegen das drohende vorzeitige Aus in der Conference League. „Wir wollen dort gewinnen, damit wir unsere Chancen auf ein Weiterkommen aufrechterhalten“, gab Baumgart die Richtung vor.

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