Im InterviewWas die Verantwortlichen zur hybriden FC-Mitglieder-Versammlung sagen

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Ex-Mitgliedsratsvorsitzender Carsten Wettich (r.) und sein Nachfolger Ho-Yeon Kim

  • Die Corona-Pandemie wirft viele Fragen auf. Auch jene, in welcher Form der 1. FC Köln seine nächste Mitgliederversammlung abhält.
  • Rein virtuell, rein physisch oder als Mischung aus beidem.
  • Der Vorstand plant nunmehr eine hybride Variante.
  • Jens Meifert und Martin Sauerborn haben sich mit FC-Vizepräsident Carsten Wettich und dem stellvertretenden Vorsitzenden des Mitgliederrates Ho-Yeon Kim über den Prozess und die Entscheidung unterhalten.

Köln – Herr Wettich, warum hat sich der 1. FC Köln zur Planung einer hybriden Mitgliederversammlung entschieden? Wettich: Seit dem Beginn der Pandemie Mitte März haben wir uns gefragt, was Covid-19 für den FC bedeutet und in welchem Format wir unsere Mitgliederversammlung durchführen können. Eine rein virtuelle MV wäre für uns immer nur ein Notformat. Die Mitgliederversammlung ist schließlich das höchste Organ des Vereins und die Versammlung die Gelegenheit für die FC-Familie zusammenzukommen und sich persönlich auszutauschen. 

Im Übrigen sehen Gesetz und FC-Satzung die physische Veranstaltung als Normalfall vor. Eine reine Präsenzveranstaltung würde es aktuell allerdings Mitgliedern, die zu Risikogruppen gehören oder krank sind, nicht möglich machen teilzunehmen. Deswegen die Hybrid-Veranstaltung. Stand heute, können wir mit einer realistischen Anzahl an Mitgliedern im Versammlungssaal planen und gleichzeitig allen anderen Mitgliedern die Möglichkeit geben, trotz Corona virtuell teilzunehmen.

Sie haben eine Projektgruppe mit Mitarbeitern aus der FC-Geschäftsstelle und Vertretern des Mitgliederrats gebildet, um das sehr komplexe Thema zu bearbeiten und zu prüfen. Sind alle sicherheitsrelevanten, rechtlichen und technischen Fragen beantwortet?

Wettich: Der Großteil der Fragen ist beantwortet. Rechtlich ist alles abgearbeitet. Ein Verein wie der FC unterscheidet sich vor allem durch das sogenannte höchstpersönliche Stimmrecht von einer börsennotierten Aktiengesellschaft. Jedes Mitglied darf nur eine und nur seine eigene Stimme abgeben. Es muss also sichergestellt sein, dass ein Carsten Wettich Mitglied ist und auch nur als Carsten Wettich abstimmt. Physisch können wird das vor Ort mit dem Mitgliedsausweis und stichprobenartigen Kontrollen des Personalausweises gewährleisten. Virtuell bilden wir das mit einer Vorab-Identifikation nach.

Wie sieht die aus?

Kim: Zunächst muss festgestellt werden, ob jemand auch tatsächlich FC-Mitglied ist. Bei der digitalen Anmeldung zur MV müssen die Mitglieder dann auch noch zwei mit der Einladung postalisch zugesendete Faktoren vorlegen. So prüfen wir gleichzeitig, ob die jeweiligen Adressen stimmen.

Sie sagten der Großteil der Fragen ist beantwortet. Was ist mit dem Rest?

Kim: Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Jetzt sind die Software-Dienstleister am Zug. Sie müssen uns zeigen, dass sie es umsetzen können und sie müssen einen sogenannten Penetrationstest vorlegen, der belegt, dass die Software bestmöglich gegen Angriffe von außen geschützt ist.

Welche Schwierigkeiten birgt die technische Umsetzung?

Kim: Die Anbieter müssen uns noch nachweisen, dass sie unsere Anforderungen unter Praxisbedingungen erfüllen. Das ist bislang noch nicht geschehen. Wir müssen bei einer hybriden MV aus Vorsichtsgründen mit einer sehr hohen Teilnehmerzahl von bis zu 20.000 oder sogar 30.000 kalkulieren. Bislang gibt es nur Lösungen für deutlich weniger Teilnehmer. Die beiden Anbieter arbeiten jedoch aktuell an einer neuen Version. Wichtig dabei ist die Umsetzung des Anmelde-Prozederes und dass digitale Stimmzettel in hoher Zahl innerhalb weniger Minuten ausgezählt werden können. Sobald die Versionen fertig sind, werden wir in Testläufen alles von A bis Z durchspielen.

Zu den Personen

Ho-Yeon Kim

Ho-Yeon Kim ist Unternehmensberater im IT-Bereich und bestreitet seine zweite Amtszeit im Mitgliederrat des 1. FC Köln. Im Oktober 2018 wurde der 41-Jährige mit 74,2 Prozent erneut in das Gremium gewählt, das waren die zweitmeisten aller Kandidaten. Kims kümmert sich  im MR um die Themen Jugendfußball, Kidsclub, den Dialog mit Fanclubs und Infrastruktur. , Ultras + Fanszene und sitzt im Prüfungsausschuss. Nach dem Rücktritt des Vorsitzenden Stefan Müller-Römer führt er das Gremium als Stellvertreter und gilt als Favorit   für den Vorsitz.

Carsten Wettich

Dr. Carsten Wettich ist Partner in einer Düsseldorfer Anwaltskanzlei. Der 40-Jährige hat sich auf Gesellschafts- und Vereinsrecht spezialisiert. Der zweifache Familienvater gehört dem Mitgliederrat seit 2013 an und ist seit 2018 Stellvertretender Vorsitzender des Gremiums.   Im Januar 2020 rückte er als Nachfolger des zurückgetretenen Dr. Jürgen Sieger in den Vorstand auf. Im August schlug der Mitgliederrat den Juristen dann  zur Wahl des Vizepräsidenten auf der nächsten Mitgliederversammlung vor. Wettich ist der einzige Kandidat.  

Wettich: Es gab noch keine Versammlung in dieser Größenordnung. Es fehlen also die Erfahrungswerte. Unserer Kenntnis nach hat aufgrund der Komplexität noch kein größerer Verein in Deutschland eine hybride Mitgliederversammlung durchgeführt. Wir haben mehr als 111.000 Mitglieder und mehr als 80.000 Stimmberechtigte.

Für den Fall, dass die Technik nicht funktioniert. Sind Abstimmungsergebnisse rechtlich anfechtbar?

Wettich: Bei einer hybriden Versammlung hilft uns – anders als bspw. bei einer rein virtuellen Versammlung – die Satzung. Dort wird festgelegt, dass wenn in einzelnen Fällen die Technik nicht funktioniert, eine Anfechtung des betreffenden Beschlusses nicht möglich ist.

Für den physischen Teil der MV müssen Corona-bedingt ebenfalls Vorkehrungen getroffen werden.

Wettich: Aktuell wäre nach den behördlichen Vorgaben ein Drittel der Kapazität erlaubt. Für die LanxessArena würde das eine Zahl von etwa 6.000 Mitgliedern bedeuten. Für die Durchführung ist das Hygienekonzept der DFL in vielen Punkten übertragbar, hier können wir also auf Vorarbeiten zurückgreifen. Angesichts des dynamischen Pandemiegeschehens wissen wir aber nicht, wie sich das entwickelt. Sollten mehr Mitglieder kommen wollen als nach den behördlichen Beschränkungen möglich sind, ist bspw. eine Anmeldung im Vorfeld ein mögliches Instrument, um den Zugang regulieren zu können.

Wie gehen andere DFL-Clubs mit ihrer MV um?

Wettich: Karlsruhe musste im Zusammenhang mit einer möglichen Insolvenz im Mai eine rein virtuelle Versammlung durchführen. Hertha BSC hat sie auch rein virtuell veranstaltet, aber es standen keine Abstimmungen an. VfL Bochum hat ebenfalls aufgrund satzungsmäßiger Zwänge eine virtuelle Versammlung für Oktober angekündigt. Die meisten Clubs ohne feste Fristen in der Satzung warten hingegen die Entwicklung ab.

Der FC nimmt demnach auf diesem Gebiet eine Vorreiterrolle ein?

Kim: Ja, deshalb bereiten wir es auch so akribisch vor. Wir wollen es passend und pannenfrei machen.

Wie groß ist das Risiko, dass es nicht funktioniert?

Wettich: Wir sind überzeugt, dass wir es schaffen. Deshalb gehen wir jetzt in die Kommunikation. Klar ist aber auch: Wenn wir keine überzeugenden Antworten auf die letzten Fragen erhalten, müssen wir noch mal schieben. Wir gehen aber derzeit davon aus, dass dies nicht notwendig sein wird.

Wann soll die Mitgliederversammlung stattfinden?

Wettich: Wir peilen Anfang 2021 an.

Ist hybrid ein Modell für die Zukunft?

Wettich: Wir planen erst einmal nur die kommende Mitgliederversammlung mit den Besonderheiten der COVID-19-Pandemie. Danach bewerten wir den Ablauf und schauen, wie die Neuerungen angenommen werden. Es ist auch ein Thema der Ressourcen, eine hybride MV ist das kostspieligste Format.

Wie viel kostet sie? Und warum keine rein schriftliche Abstimmung?

Wettich: Wir bewegen uns in einem sechsstelligen Bereich. Wir sind ein Verein, der von seinen Mitgliedern lebt und veranstalten keine Bundestags- oder Kommunalwahl. Unsere Mitgliederversammlung hat einen Mehrwert und dient der Information und dem Austausch der Mitglieder, aus der sie sich eine Meinung bilden können.

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Zum Beispiel in der Diskussion nach den Jahresberichten. Am Ende können die Mitglieder auf dieser Basis eine Entscheidung treffen. Das ist der entscheidende Unterschied zu einer Briefwahl bei politischen Entscheidungen, bei dem ich als Bürger im Wahllokal keinen inhaltlichen Mehrwert habe.

Werden auf der MV virtuelle Wortmeldungen erlaubt sein?

Wettich: Das ist noch nicht entschieden. Kim: Klar ist, dass wir keine Mitglieder per Video oder Telefon zuschalten, weil weder die Tonqualität gesichert ist noch welche Bilder im Hintergrund gezeigt werden.

Herr Wettich, Sie stellen sich bei der nächsten MV als Vizepräsident zur Wahl. Glauben Sie, dass eine hybride Veranstaltung das Wahlergebnis beeinflusst?

Wettich: Nein. Alle, die möchten, können so auch in Corona-Zeiten an der Versammlung teilnehmen. Das ist mir wichtig. Wer bei den Mitgliederversammlungen der letzten Jahre dabei war, hat dort das breite Spektrum der anwesenden Mitglieder erlebt, das ein gutes Abbild der Mitgliedschaft darstellt. Ich denke daher, dass eine hybride MV kein anderes Stimmungsbild ergibt als eine rein physische, auch wenn ggf. mehr Mitglieder teilnehmen.

Es könnte auf der MV auch Anträge geben, die sich gegen die Arbeit des Vorstandes richten oder die Änderungen der Satzung herbeiführen können. Antragsteller können virtuell viel mehr Mitglieder für ihre Themen mobilisieren. Macht Ihnen das Sorge?

Kim: Nein. Das ist zwar möglich, aber das macht einen lebendigen Verein gerade aus. Wettich: Wir sind Verfechter dieser Satzung, die modern gestaltet ist und den Mitgliedern Rechte und damit einhergehend Verantwortung einräumt. Wenn es Anträge gibt, dann entscheiden die Mitglieder darüber und sie entscheiden mit Recht.

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