Marvin Schwäbes mentale Stärke1.FC Köln holt verdienten Punkt in Leipzig

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Kölns Florian Dietz (4.v.l.) hat soeben zum 1:1 ausgeglichen.

Leipzig – Der 1. FC Köln hat in der noch jungen Saison das nächste Ausrufezeichen gesetzt. Das Team von Trainer Steffen Baumgart knöpfte dem favorisierten Champions League-Teilnehmer RB Leipzig am Samstag beim 2:2 (1:1) einen hochverdienten Punkt ab. Eigentlich hätten die Geißböcke vor 43.579 Zuschauern in der Red Bull-Arena sogar als Sieger den Platz verlassen können. Sie konnten eine 45-minütige Überzahl aber nicht nutzten und benötigten am Ende ein Leipziger Eigentor zum Punktgewinn. Das Duell mit dem 480-Millionen-Euro Ensemble darf bei den Geißböcken aber das Bewusstsein hinterlassen, dass sie auch ohne ihren nach Dortmund abgewanderten Torjäger Anthony Modeste in der Fußball-Bundesliga mehr als konkurrenzfähig sind. „Das war ein sehr gutes, intensives Spiel von uns. Wir haben vieles richtig gemacht. Die ganze Mannschaft hat aufopferungsvoll gespielt und verdient einen Punkt geholt“, lobte Baumgart.

Baumgart ändert Startformation auf drei Positionen

Der 50-Jährige hatte seine Startformation im Vergleich zum 3:1-Auftaktsieg gegen Schalke 04 auf drei Positionen geändert. Abwehrchef Timo Hübers kehrte nach überstandener Verletzung zurück, dafür musste Jeff Chabot weichen. Kingsley Ehizibue löste Benno Schmitz als Rechtsverteidiger ab. Genau wie am zweiten Spieltag der vergangenen Saison, als der FC bei Bayern München mit 2:3 verlor, gab bei dieser Änderung wohl das höhere Tempo des Niederländers den Ausschlag. Zu rechnen war auch mit dem Einsatz des Ex-Leipzigers Eric Martel, der neben Ellyes Skhiri auf der Doppelsechs sein Bundesliga-Debüt für die Kölner feierte. Etwas überraschend blieb Florian Dietz als Spitze im Team. Sargis Adamyan und Linton Maina nahmen zunächst auf der Bank Platz. Kingsley Schindler, der gegen Schalke noch gestartet war, stand nicht im Kader.

Baumgarts Plan gegen den Pokalsieger das Zentrum mehr zu schließen und trotzdem nichts vom offensiven Geist zu verlieren, ging voll auf. Martel und Skhiri liefen sich die Lunge aus dem Hals und standen den Leipzigern auf den Füßen. Die Kölner gewannen dadurch im Mittelfeld viele Bälle und schalteten auf ihren quirligen Flügelspieler Jan Thielmann und Florian Kainz um. Thielmann hätte schon nach drei Minuten treffen können, verpasste Kainz scharfe Hereingabe am Fünfer aber knapp. Die Gastgeber, bei denen Rückkehrer Timo Werner direkt in der Startelf stand, hatten über weite Strecken der ersten Hälfte große Probleme aus der eigenen Hälfte herauszukommen, so intensiv pressten die weit aufgerückten Kölner.

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Video-Assistent Felix Zwayer schreitet ein

Allerdings benötigten die Geißböcke wie gegen Schalke die Hilfe des Videoassistenten. Nachdem Dani Olmo eine Vorlage von David Raum aus 15 Metern unhaltbar ins rechte Toreck geschlenzt hatte, meldete sich Felix Zwayer aus dem Kölner Keller. Raum hatte bei sich seinem gewonnenen Zweikampf gegen Ehizibue den Ball unerlaubt mit der linken Hand vorgelegt (9.). Von dieser Szene abgesehen dominierte das Baumgart-Team trotz nur 37 Prozent Ballbesitz in Halbzeit eins. Mohamed Simakan verhinderte aber Dietz erstes Bundesligator mit einem heroischen Block (17.), und Dejan Ljubicic zielte nach feiner Kölner Kombination etwas zu hoch (23.).

Die Leipziger Führung war unverdient und kam aus dem Nichts. Werner zog aus 28 Metern einfach mal ab und überraschte Marvin Schwäbe. Der FC-Keeper entschied sich zu spät den harmlosen Schuss zu fangen und musste ihn unter seinem Körper ins Netz rutschen lassen(36.). „Das war klar mein Fehler. Das Problem war, dass der Ball so lange in der Luft war und ich dadurch zwei Gedanken hatte. Das kann nicht gut ausgehen als Torwart“, erklärte sich Schwäbe. Der Schlussmann ärgerte sich mächtig über seinen ersten dicken Patzer als Kölner Nummer Eins, wischte sich aber sofort den Mund ab und verhinderte mit einer Glanztat das 0:2 durch Christopher Nkunku (40.). Aus dieser Szene entstand ein Konter des FC. Ljubicic schickte Kainz am rechten Flügel und der Österreicher fand mit einer flachen Hereingabe Flo Dietz, der den linken Fuß hinhielt und seine Bundesliga-Torpremiere. Baumgarts jubelnde Faust ging in Richtung Schwäbe, dessen sportliche und mentale Reaktion auf den persönlichen Lapsus dieses 1:1 erst ermöglicht hatte. „Das war die Hauptgeschichte des Spiels. Hut ab, wenn du als Torwart nach so einer unglücklichen Szene da bist, mit einer überragenden Reaktion das Zweite verhinderst und im gesamten Spiel die Nerven behältst“, zeigte sich der FC-Coach begeistert.

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Die Kölner hatten viel investiert, waren zur Pause fünf Kilometer mehr gelaufen als RB, hatten 7:3-Torschüsse und waren in Überzahl. Dominik Szoboszlai traf nach einem Gerangel an der Außenlinie Florian Kainz mit dem Ellenbogen unglücklich am Hals. Schiedsrichter Benjamin Brand zog die Rote Karte, eine harte, aber durch das Regelwerk vertretbare Entscheidung (45.+1). „Es war zuerst ein Foul von mir. Das bekomme ich seinen Ellenbogen an den Hals und falle“, beschrieb Kainz die Szene.

Die Voraussetzungen für den ersten Kölner Sieg in Leipzig seit dem 2:1 im Februar 2018 waren gegeben. Schon gegen Schalke hatte der FC bewiesen, dass er das Spiel mit einem Mann mehr beherrscht. Doch Leipzig ist nicht Gelsenkirchen. Als Florian Dietz einen Ball im Mittelfeld verlor, schaltete RB blitzschnell um und erwischte die unsortierten Geißböcke auf dem falschen Fuß. Dani Olmo setzte Nkunku in Szene, der Schwäbe mit links aus acht Metern keine Chance ließ (56.). „Es ist im Umschaltspiel kein Unterschied, ob man gegen elf oder zehn Leipziger spielt. Die entsprechenden RB-Spieler waren alle auf dem Platz“, erklärte Thomas Kessler als Sportlicher Leiter des FC den Gegentreffer plausibel.

Baumgart reagierte mit einem Dreiwechsel und löste die gut funktionierende Doppelsechs auf. Seine Mannschaft tat sich mit mehr Ballbesitz nach vorne gegen noch tiefer stehende Hausherren aber schwerer als in den ersten 45 Minuten. Nachdem Linton Maina das 2:2 verpasste (70.), halfen die Leipziger dem FC. Simakan verlängerte eine Ecke des überragenden Kainz vor das Tor, wo der unglückliche Josko Gvardiol nicht mehr ausweichen konnte und den Ball über die eigene Torlinie bugsierte (72.). Baumgart brachte mit noch Sargis Adamyan und Tim Lemperle noch zwei frische Offensivkräfte, die Möglichkeit auf einen Lucky Punch ergab sich aber nicht mehr. „Damit kann man sich sehen lassen, mit dem was wir an Intensität, Mut und Willen auf den Platz gebracht haben, obwohl wir zweimal zurücklagen. Ein absolut verdienter Punkt“, war der nervenstarke Marvin Schwäbe aber zufrieden mit dem Punkt. „Das zeigt, dass wir als Mannschaft zusammenstehen, auch wenn es mal einen Fehler gibt“, tat dem Torwart neben dem Punktgewinn auch die Unterstützung seiner Teamkollegen und des Trainerteams nach dem Fehler beim 0:1 sehr gut. RB Leipzig: Gulasci; Simakan, Orban, Halstenberg (46. Gvardiol); Novoa (46. Novoa), Henrichs, Dani Olmo (87. Haidara), Raum; Szoboszlai, Nkunku; Werner (67. Silva). – 1. FC Köln: Schwäbe: Ehizibue (62. Schmitz), Kilian, Hübers, Hector; Martel (62. Duda), Skhiri; Thielmann (62. Maina), Ljubicic (72. Lemperle), Kainz; Dietz (72. Adamyan). – SR.: Brand (Unterspiesheim). - Zuschauer: 43.579. – Tore: 1:0 Werner (36.), 1:1 Dietz (40.), 2:1 Nkunku (56.), 2:2 Gvardiol (72./Eigentor). – Rote Karte: Szobozslai (45.+1). - Gelbe Karten: Henrichs; Thielmann, Hübers, Adamyan, Kainz.

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