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Nach Pleite in Wolfsburg1. FC Köln steht gegen Mainz vor Ultimatum

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Horst Heldt in Wolfsburg.

Wolfsburg/Köln – Horst Heldt machte es am Ostersonntag kurz und knapp. Der Sportchef des 1. FC Köln parierte die erwartbare Frage nach der näheren Zukunft von Trainer Markus Gisdol mit der erwartbaren Antwort: „Ja, Markus wird gegen Mainz auf der Bank sitzen.“ Weder das 0:1 (0:0) am Samstag beim VfL Wolfsburg noch die Tatsache, dass der FC aus den jüngsten sieben Partien ganze zwei Punkte einsammeln konnte und nun zwei Zähler Rückstand auf Rang 15 aufweist, hatten Heldts Meinung ändern können.

Der 51-jährige hätte sein eigenes Vorgehen auch ad absurdum führen müssen, um den öffentlichen Rufen nach Gisdols Demission Folge zu leisten. Heldts Glaube an den Trainer nach dem 2:2 gegen Dortmund vor der Länderspielpause fand sich in der guten Leistung bei der unnötigen Niederlage in Wolfsburg ja durchaus wieder: „Es gibt Kriterien, die einen zu einer Entscheidung hinführen. Die Mannschaft hatte einen Plan, und den hat sie gut umgesetzt. Sie hat nichts anderes gespielt als das, was sie vorgegeben bekommen hat. Sie folgt dem Trainer. Daher gibt es keine Notwendigkeit, etwas zu ändern.“

Sieg-Ultimatum gegen Mainz

Geändert hat sich allerdings die Anzahl an verbleibenden Spieltagen und damit den Möglichkeiten am Saisonende zwei der drei Konkurrenten Mainz, Bielefeld, und Hertha BSC hinter sich zu lassen. Gisdols Vorrat an unglücklichen Niederlagen ist aufgebraucht. Der 51-Jährige muss das Heimspiel gegen den lange abgeschlagenen, mittlerweile aber um zwei Punkte besser gestellten 1. FSV Mainz 05 am Sonntag gewinnen. „Danach sind wir noch nicht gerettet, aber es ist sehr wichtig dieses Spiel zu gewinnen. Und es ist wichtig, die Bedeutung dieses Spiels klar zu machen“, umschrieb Horst Heldt das Sieg-Ultimatum.

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Dem glücklosen Trainer eine Jobgarantie bis Saisonende auszustellen, um etwas Druck aus dem Kessel zu nehmen, kommt für den Sportchef allerdings nicht in Frage: „Wir sind davon überzeugt, dass es sinnvoll ist, von Woche zu Woche zu denken.“ Dass alle Szenarien zwischen Heldt und Gisdol klar kommuniziert worden sind, machte der FC-Coach schon vor dem Spiel beim Tabellendritten deutlich: „Das ist ein Zeichen für gute Zusammenarbeit, alles offen zu besprechen.“

Heldt und Gisdol optimistisch

Die beiden Hauptverantwortlichen im sportlichen Bereich sind sich auch einig in ihrem Optimismus, dass die Mannschaft am Sonntag dem Druck standhält: „Wenn wir so gegen Mainz spielen wie gegen Wolfsburg, werden wir gewinnen“, sagte Heldt. „Wenn wir die Leistungen aus den letzten zwei Spielen halten können, und das ist unsere Aufgabe, wird es für uns schnell möglich sein zu punkten. Wir haben alles in unserer Hand“, erklärte Gisdol. Der Trainer hatte seiner im Vergleich zum Dortmund-Spiel unveränderten Startelf gegen den VfL Wolfsburg einen guten Plan und das nötige Selbstbewusstsein mit auf den Weg gegeben.

45 Minuten lang dominierte der FC den Champions League-Aspiranten, der im eigenen Stadion in dieser Saison noch kein Spiel verloren und erst acht Gegentore kassiert hat. 56 Prozent Ballbesitz, 220 Pässe mit einer Quote von 84 Prozent, 9:5-Torschüsse 60 Prozent Zweikampfquote warf die Statistik für den spielerisch überzeugenden FC zur Halbzeit aus. „Wir haben ein gutes Spiel gemacht haben, vielleicht sogar besser als gut. Das einzige Manko war die Effektivität“, verzweifelte Gisdol.

Kommentar – Spiel mit Entscheidungen

Wer in verantwortlicher Position eine Entscheidung zu treffen hat, besitzt keine Garantie damit auch richtig zu liegen. Horst Heldt ist lange genug Teil des Fußballgeschäfts, um sich dieser Tatsache bewusst zu sein.

Es ist also davon auszugehen, dass der Sportchef des 1. FC Köln genau wusste, worauf er sich einließ, als er sein Schicksal mit dem von Trainer Markus Gisdol verband. Ob Heldts Entscheidung, an die Arbeit des Trainers zu glauben, richtig war, wird sich am Sonntag gegen Mainz zeigen. Im Falle eines Kölner Sieges vielleicht auch erst an einem der restlichen sechs Spieltage. Es ist aber schon jetzt ein bemerkenswerter Vorgang, dass Heldt sich treu geblieben ist. Er hat sich im Laufe dieser für den FC komplizierten Spielzeit gegenüber dem Vorstand emanzipiert und die Kompetenzbereiche klar abgesteckt.

Und er hat aller Kritik zum Trotz an Gisdol festgehalten, weil er seiner Überzeugung folgt, dass einem Club wie dem 1. FC Köln auf Sicht Kontinuität am besten helfen kann. Wer aufgepasst hat, konnte diese Zielsetzung schon bei Heldts Antrittsrede im November 2019 heraushören. Nach dem achtbaren 0:1 in Wolfsburg wird sich nun also herausstellen, was das Gerede von einem längerfristigen Plan am Ende wert ist. Oder, ob dieser Club mal wieder an sich und seinem Umfeld scheitern muss, weil ein 1. FC Köln diese DNA in sich trägt und er deshalb so ist, wie er ist. Dann war die Entscheidung Heldt und Gisdol 2019 nach Köln zu holen letztlich nicht die richtige.

Jonas Hector traf bei der besten von einigen guten Chancen aber nur die Latte (14.). Bei allen anderen erfolgversprechenden Szenen wurde erneut deutlich, wie sehr den Kölner ein Stürmer abgeht, der einfache Tore erzielen kann: „Wir müssen mehr aus unseren Situationen machen. Wir müssen diesen Tick mehr Geilheit auf das Tor haben. Dann läuft das Spiel anders“, kritisierte Kapitän Hector und ergänzte: „Was wir mitnehmen müssen, dass wir unsere Leistung über 90 Minuten bringen müssen und nicht über 45 Minuten.“

Mit dem Gang in die Kabinen verflüchtigte sich bei den Geißböcken tatsächlich der Glaube an einen Treffer. Mutig und stark nach vorne gespielt und trotzdem nur ein 0:0 erreicht zu haben, nagte nachhaltig am Selbstverständnis der Kölner. In der zweiten Hälfte gab es bis zur Kopfballchance von Ellyes Skhiiri in der Nachspielzeit keine gescheite Aktion mehr in Richtung Wolfsburger Strafraum.

Das Spiel ging auch verloren, weil die Kölner ein Gegentor markierten, dass maßgeschneidert für einen Abstiegskandidaten war. VfL-Torjäger Wout Weghorst wurschtelte sich gegen eine Überzahl von FC-Verteidigern an der Strafraumkante zu einer Vorlage auf Josip Brekalo durch. Der Kroate konnte freistehend abschließen, weil sein Gegenspieler Kingsley Ehizibue sich im Glauben Weghorst stoppen zu können ins Zentrum gestürzt und Brekalo alleine gelassen hatte. Beim Versuch die Situation zu retten, fälschte der Kölner Rechtsverteidiger den Schuss auch noch unhaltbar ab (69.). „Das Gegentor war viel Pingpong, wenig gewollt – und dann ist es die Klasse, dass der Ball direkt drin ist. Wir hatten in der ersten Halbzeit auch Möglichkeiten. Das ist der Unterschied, und so fahren wieder mit nichts nach Hause“, beschrieb Rafael Czichos das nicht enden wollende Dilemma.

Die Hoffnung und den Glauben an den Trainer hat der Innenverteidiger aber noch nicht verloren: „Die Leistung hat gezeigt, dass wir mit Druck umgehen können, gewillt sind guten Fußball zu spielen und dass wir eklig sein können.“ Gegen Mainz werden alle diese Eigenschaften gefragt sein. Das Spiel am Sonntag setzt nämlich nicht nur Markus Gisdol im Abstiegskampf der Fußball-Bundesliga ein Ultimatum sondern dem gesamten 1. FC Köln.

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