Timo Horn im Interview„Es konzentriert sich viel auf mich“

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Timo Horn in Bremen

Kölns Torwart Timo Horn vor seiner Auswechslung beim Spiel gegen Bremen am 6. November

  • Timo Horn trägt den 1. FC Köln im Herzen.
  • Doch der Torhüter hat es bei seinem Heimatverein nicht immer leicht.
  • Tobias Carspecken sprach mit dem Eigengewächs der Geißböcke über die Krise des Fußball-Bundesligisten und Kritik an seiner Person.

Köln – Herr Horn, was macht die Hüfte? Es geht gut soweit. Ich habe das Torwarttraining am Donnerstag und Freitag weitestgehend ohne Beschwerden absolviert und denke, dass ich Anfang kommender Woche wieder ins Mannschaftstraining einsteigen kann. Ein Einsatz im nächsten Spiel gegen Union Berlin sollte kein Problem sein.

Ärgerlich beim 1:1 in Bremen war neben Ihrer Verletzung auch das späte Gegentor durch einen weiteren Strafstoß. Nervt Sie als Torhüter die Elfmeter-Flut besonders stark?

Fünf Elfmeter in sieben Spielen sind natürlich zu viel. Wir müssen zusehen, die Fehler, die wir im Sechzehnmeterraum begehen, zu vermeiden. Das kostet uns einfach jedes Mal Punkte. Ich habe bei den beiden letzten Elfmetern die Ecke geahnt und war nah dran, bin aber nicht mehr an den Ball gekommen. Das ist dann doppelt bitter.

Bereiten Sie sich derzeit noch intensiver auf Elfmeter vor?

Das nicht. Sich auf mögliche Elfmeter-Schützen einzustellen, ist Bestandteil jeder professionellen Vorbereitung auf ein Spiel. Als Torhüter studiert man die Vorlieben des Schützen. Dass wir aktuell mehr Elfmeter als üblich gegen uns bekommen, hat deshalb keinen Einfluss.

Zur Person

Timo Horn (27), geboren am 12. Mai 1993 in Köln, wechselte 2002 aus der Jugend des SC Rondorf zum 1. FC Köln. 2011 schaffte der Torhüter den Sprung in die Profi-Mannschaft, für die er in der Zweitliga-Saison 2012/13 debütierte. Seither ist Horn die Nummer eins des FC und kam in bislang 284 Pflichtspielen in Erster und Zweiter Bundesliga, DFB-Pokal und Europa League zum Einsatz. Horn gewann mit seinem Heimatclub in den Spielzeiten 2013/14 und 2018/19 die Zweitliga-Meisterschaft und qualifizierte sich mit ihm 2017 für die Europa League.

Er durchlief sämtliche Nachwuchs-Nationalmannschaften, wurde 2010 mit der Fritz-Walter-Medaille in Gold (U17) ausgezeichnet und gewann als Stammtorhüter mit der deutschen Auswahl bei den Olympischen Sommerspielen 2016 in Rio de Janeiro die Silbermedaille. Sein Vertrag beim FC läuft bis zum 30. Juni 2023. Seit Dezember 2014 ist Horn mit seiner langjährigen Freundin Carina verheiratet. (cto)

Die fünf Elfmetertreffer ausgeklammert, hat Ihr Team in sieben Spielen lediglich sieben Feldgegentore kassiert. Was sind die Gründe für die defensive Stabilität?

Die kämpferische und läuferische Leistung stimmt. Im Vergleich zu den Teams, die mit uns unten drin sind, stehen wir bei der Zahl der Gegentore sicherlich besser da. Das ist wichtig, denn am Ende kann das Torverhältnis den Unterschied mitausmachen.

In Bremen hat der FC auf eine sehr massive Defensive gesetzt. Ist das der vorgesehene Weg aus der Krise?

In Bremen sah unser Spiel nach vorne sicherlich nicht schön aus, das ist klar. Aber in der Situation, in der wir uns aktuell befinden, müssen wir jeden Punkt mitnehmen. Die Defensivarbeit ist die Basis, um da unten rauszukommen.

In der Offensive hapert es dagegen noch sehr. Was muss besser werden?

Wenn wir eine defensive Ausrichtung haben, müssen wir die Umschaltsituationen besser ausspielen. Dazu gehört, die Bälle besser festmachen, um dann auch nachrücken zu können. Das war bislang noch nicht gut.

Trotz der langen Sieglos-Serie macht die Mannschaft einen gefestigten Eindruck.

Jeder ist sich dem Ernst der Lage bewusst. Die drei Punkte, die wir bislang eingefahren haben, sind zu wenig. Die Stimmung in der Mannschaft und das Verhältnis zum Trainerteam sind dennoch völlig in Takt. Die Trainer leben eine positive Ausstrahlung und Arbeitsmoral vor und versuchen, sie auf die Mannschaft zu übertragen.

Sie haben seit dem Sommer mit Ron-Robert Zieler als Nachfolger von Thomas Kessler einen neuen Stellvertreter. Was hat sich dadurch für Sie verändert?

Wir pflegen ein sehr positives Verhältnis zueinander. Das Trainingsniveau ist konstant hoch, wir pushen uns gegenseitig. Ron hat seine Rolle voll angenommen und in Bremen ein sehr gutes Spiel gemacht, als er reingekommen ist. Wir ergänzen uns sehr gut. Das war auch der Plan der Verantwortlichen, die zwei gute Torhüter haben wollten.

Haben Sie auch neue Trainingsschwerpunkte gesetzt?

Ich weiß, wo ich mich noch verbessern kann und auch will. Zum Beispiel beim Spiel mit dem schwächeren Fuß. Oder auch im physischen Bereich, daran arbeite ich mit den Fitnesstrainern sehr intensiv.

Der Saisonstart war auch für Sie persönlich nicht einfach. Wie beurteilen Sie Ihre bisherigen Leistungen?

Die öffentliche Betrachtung ist ja häufig so, dass bei einer schlechten Aktion das gesamte Spiel hinfällig ist. Als Torwart sieht man das ein bisschen differenzierter.

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Da analysiert man ganz genau, was gut und was schlecht war. Gegen Hoffenheim und Gladbach waren auch sehr gute Paraden dabei. In beiden Spielen hätte es nach wenigen Minuten 0:2 stehen können…

Wie gehen Sie mit der Kritik um?

Im Fußball gibt es Aufs und Abs, das lernt man in all den Jahren. Und man lernt, das alles sehr gut einzuschätzen. In solchen Phasen führe ich mir immer vor Augen, dass es auch wieder bessere Zeiten geben wird und trage solche Dinge deshalb auch nicht lange mit mir herum. Mental bin ich immer voll auf der Höhe.

Haben Sie das Gefühl, stärker als andere kritisiert zu werden?

Es konzentriert sich immer viel auf mich, das ist mir bewusst. Das hängt vielleicht auch damit zusammen, dass ich mit dem FC bereits viel erlebt habe. Erfolgreiche Zeiten, aber auch Abstiege. Die Leute verbinden damit auch viele Gefühle und Emotionen.

Hätten Sie sich in Ihren schwierigeren Zeiten mehr Rückhalt gewünscht?

Den größten Wert lege ich auf die Meinung der Verantwortlichen des FC, die mich tagtäglich bewerten können. Sie sehen, dass ich in jedem Training Gas gebe und mich voll reinhaue. Ich weiß, dass ich von ihnen die volle Rückendeckung habe. Das ist mir in erster Linie wichtig.

Sie haben Ihre Aktivitäten in den Sozialen Netzwerken, in denen Sie teilweise scharf attackiert wurden, deutlich zurückgefahren.

Das war für mich die richtige Entscheidung und wichtig. Ich möchte Nebenschauplätze ausblenden und den Fokus noch stärker auf das Wesentliche legen. Und das ist nun mal das, was auf dem Platz passiert.

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