InterviewUwe Krupp erinnert sich an den größten Moment seiner Eishockey-Karriere

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Die Colorado Avalanche um Uwe Krupp (r.) mit dem Stanley Cup.

Die Colorado Avalanche um Uwe Krupp (r.) mit dem Stanley Cup.

Köln – 10. Juni 1996, Stanley-Cup-Finale, Spiel 4 in der Miami Arena vor 14 703 Zuschauern: Die Colorado Avalanche führen mit 3: 0 in der Serie gegen die Florida Panthers und benötigen nur noch einen Sieg, um gleich im ersten Jahr ihrer Franchise den Titel zu gewinnen. Es dauert bis in die dritte Verlängerung. Nach 104:31 Minuten kommt Uwe Krupp nahe der rechten Bande an der blauen Linie an die Scheibe und schickt sie ins Glück. Der 30 Jahre alte Verteidiger trifft zum 1: 0 und macht sich damit zum ersten deutschen Stanley-Cup-Gewinner der NHL-Geschichte. 25 Jahre später erinnert sich der heute 55-Jährige als Cheftrainer der Kölner Haie an den immer noch größten Moment seiner Eishockey-Karriere.

Herr Krupp, Hand aufs Herz, was fällt Ihnen als erstes ein, wenn Sie an den Stanley-Cup-Sieg 1996 denken?

Was für eine gute Truppe von Eishockeyspielern und von Menschen wir hatten. Das waren nicht nur gute Spieler, wir hatten auch eine fantastische Chemie in der Mannschaft. Im Winter gab es eine Reunion, zum Teil über Zoom. Da wurde dieses Gefühl aufgefrischt. Dieser Erfolg bindet uns alle für immer zusammen. Das hat man jetzt wieder gemerkt. Soweit zusammen gekommen zu sein und dann einen Weg finden, um zu gewinnen, ist etwas fürs Leben. Mit Jungs wie Joe Sakic, Peter Forsberg oder Patrick Roy auch etwas für das Leben untereinander. Im Nachhinein ist diese Bindung der nachhaltigste Effekt dieses Erfolgs.

Wenn Sie die gute Chemie in diesem Team erlebt haben, beschreiben Sie diese doch bitte mal etwas genauer.

Unser General Manager Pierre Lacroix hat diese Mannschaft nach dem Wechsel aus Quebec nach Denver sehr gut zusammengestellt. Es gab eine eindeutige Rollenverteilung. Wir hatten keinen Spieler, der sich noch zu irgendetwas entwickeln musste. Selbst die jungen Spieler wie Peter Forsberg oder Adam Deadmarsh waren gestanden und wussten genau, was zu tun ist. Jeder hat seine Rolle komplett akzeptiert. Das war mit Abstand die coolste Mannschaft, in der ich je gespielt habe.

Das galt auch für Sie, obwohl für Sie die Saison eigentlich erst mit den Playoffs begonnen hat. In der Regular Season haben Sie nur sechs Spiele absolviert, in den Playoffs dann alle 22. Wie erklären Sie sich das nach Ihrer schweren Verletzung?

Ich habe mir im ersten Heimspiel der Saison das Kreuzband auf dramatische Art und Weise gerissen. Mir wurde gesagt, dass ich eigentlich zehn Monate pausieren müsste. Die OP ist dann aber top gelaufen und nach viereinhalb Monaten stand ich schon wieder auf dem Eis. Ich habe am Ende der Saison noch ein paar Spiele gemacht und mich dann in den Playoffs immer besser gefühlt.

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So gut, dass Sie vier Tore erzielt und zwölf Assists gegeben haben?

Das ist der Wert eines Offensivverteidigers. Ich hatte durch die Verletzung meinen Powerplay-Platz an den neu geholten Sandis Ozolinsh verloren und nur bei fünf gegen fünf und in Unterzahl gespielt. Meine 16 Punkte zeigen, wie unglaublich talentiert dieses Team war. Eine Wahnsinnstruppe mit Tiefe im Kader. Keiner hat sein Ego in den Vordergrund geschoben.

Und eine Mannschaft, die sich steigern konnte?

Ja, mit jedem Spiel und jeder Runde. Wir haben an die guten Leistungen aus der Vorsaison angeknüpft, als wir mit den Quebec Nordiques dann aber in der ersten Runde gegen die New York Rangers rausgeflogen sind. Diese Erfahrung hat uns geholfen, uns ein Jahr später hungriger gemacht. Eine Mannschaft muss lernen zu gewinnen und das haben wir in diesem Jahr. Und es hat geholfen, dass Lacroix mit Patrick Roy einen erfahrenen Goalie und mit Claude Lemieux einen Playoff-MVP dazu geholt hat.

Vancouver, Chicago und Detroit hießen die Gegner bis zum Finale. Wie schwer war das?

Es waren keine einfachen Runden. Detroit hatte in der Regular mit 131 Punkten den NHL-Rekord gebrochen. Wir waren mit unseren 104 schon eine Übermannschaft. Die Red Wings hatten die „Russian Five“ mit Fetisov, Fedorov und Larionov. Im letzten Spiel der Regular Season haben wir in Detroit mit 3:9 verloren. Im Conference Finale gab es dann aber einen 4: 2-Sieg. Wir sind zum ersten Spiel nach Detroit gereist. Pierre Lacroix ist aus dem Bus ausgestiegen, hat einen Besen in die Hand genommen und den Weg bis zur Spielerkabine gefegt, um zum Ausdruck zu bringen: das wird ein Sweep. Es gab so viele Geschichten in diesen Playoffs.

Zum Beispiel?

Unser Trainerteam war vollgepackt mit Eishockey-Kompetenz. Und wir waren eine richtig harte Truppe. In jeder Runde gab es Schlägereien. Wir waren alle angespitzt. Was aber richtig hängen geblieben ist, ist dieses Gefühl beim Warm-up. Man guckt auf die andere Seite zum Gegner und hat dieses Gefühl. Egal, wer da war, egal, was sie machen, wir haben eine Antwort. Wir haben uns unschlagbar gefühlt, weil wir alles hatten, was ein Team braucht, um zu gewinnen. Dieses Gefühl habe ich als Spieler nie mehr erlebt. Das vergesse ich nie.

Das entscheidende Tor gegen Florida fiel in der dritten Verlängerung im 22. Spiel zwischen dem 16. April und dem 10. Juni. Eine ungeheure Belastung. Wie geht so etwas?

Man ist im Rhythmus. Es ist normal, jeden zweiten Tag zu spielen und zu reisen. Die körperliche Verfassung wird nicht besser, aber eben auch nicht schlechter. Man erholt sich nicht richtig, spielt aber auf einem Level, auf dem jeder funktioniert. Und außerdem verliert man Gewicht, dadurch wird es leichter. (lacht)

Stehen Sie noch in regelmäßigem Kontakt zu Ihren damaligen Mitspielern?

Den engsten Kontakt habe ich zu denen, die noch im Eishockey unterwegs sind. Joe Sakic etwa, der jetzt General Manager der Avalanche ist. Oder Mike Ricci, Valeri Kamensky und Patrick Roy, bei dem ich immer anrufe, wenn es um einen Franko-Kanadier geht, den ich verpflichten möchte. Mein bester Kumpel damals war Curtis Leschyshyn, der hat aber mit Hockey nichts mehr zu tun.

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