„Lage nicht hoffnungslos“Unternehmen am Rhein spüren die Folgen des Niedrigwassers

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Der Rheinpegel soll laut Prognose morgen seinen Jahres-Tiefpunkt in Köln von 72 Zentimetern erreichen. An der flachsten Stelle in Kaub soll er auf 31 Zentimetern fallen. Die Fahrrinne ist tiefer. Immer häufiger kommt es inzwischen zu Niedrigwasser im Rhein. Das hat sowohl ökonomische als auch ökologische Folgen.

Vor welche Probleme stellt das Niedrigwasser Unternehmen?

Bei BASF ist die Produktion durch das Niedrigwasser aktuell nicht beeinträchtigt. Für die nächsten Wochen schließt das Unternehmen einzelne Einschränkungen aber nicht aus. Bei Shell ist es in Süddeutschland in den letzter Zeit zu „Engpässen der Tankstellenversorgung“ gekommen. Das anhaltende Niedrigwasser ist ein Grund dafür, da der Transport der Mineralöle eingeschränkt ist. Aber auch andere Faktoren spielen hier mit ein. Ford hat bereits seit vorletzter Woche die Beladung der Schiffe reduziert. Sobald der Pegel unter einen Meter fällt, müssen sie die Ladung um etwa 30 bis 40 Autos reduzieren. Jeweils 500 Fiesta-Einheiten passen auf ein Schiff. Bei weniger als 70 Zentimeter muss die Ladung um etwa 125 Autos reduziert werden. „Wir könnten aber je nach Transportschiff auch noch bei 30 bis 40 Zentimetern fahren“, sagt Marko Belser. Die reduzierte Beladung könnte aber ausgeglichen werden. „Wir kompensieren die Ladung dadurch, dass wir die Frequenz erhöhen.“ Insgesamt gehen von dem Fordwerk etwa 40 Prozent über den Binnenverkehr ab.

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Quelle: Wasserstrassen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV)

Quelle: Wasserstrassen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV)

Alexander Bethe Vorstandsvorsitzender vom Verein der Kohlenimporteure erklärt, das Rhein-Niedrigwasser im August sei ärgerlich und teuer für die Kraftwerksbetreiber. Vor allem dann, wenn die Rheinpegel auch im September und Oktober niedrig bleiben würden, gebe es eine „herausfordernde Lage mit dem Kohlenachschub“. Denn dann beginnen die Kraftwerksbetreiber damit, ihre Kohlevorräte für den Winter anzulegen. „Ab November sollten die Kraftwerke vorratsmäßig gerüstet sein. Insofern befinden wir uns derzeit immer noch in der ,Ruhe vor dem Sturm’“, heißt es von Bethe.

Wie hoch ist der Anteil der Binnenschifffahrt überhaupt?

Laut den Angaben des Bundesamtes für Güterverkehr betrug die Binnenschifffahrt im Jahr 2020 in Deutschland 6,9 Prozent. Im Vergleich dazu lag der Straßengüterverkehr bei 72,5 Prozent. Der Schienengüterverkehr bei 18 und Rohrleitungen bei 2,5 Prozent.

Bundesamt: Kleine Welle leicht steigender Pegelstände erwartet

Das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Rhein erwartet nach deutlichen Rückgängen für die nächsten Tage eine kleine Welle mit leicht steigenden Pegelständen – allerdings ohne eine grundlegende Trendwende. Vom Oberrhein kommend kündige sich eine kleine Welle an, die dazu führe werde, dass am Mittelrhein die Wasserstände leicht ansteigen, teilte das Amt in einer Mitteilung am Dienstag mit. Dies werde sich in den nächsten Tagen auch auf die Pegel am Niederrhein auswirken.

Insgesamt bewegten sich die Wasserstände jedoch trotz leichter Anstiege weiter im Bereich eines mittleren Niedrigwassers, erklärte das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Rhein. Die 14-Tage-Vorhersage deute darauf hin, dass die Wasserstände nach dem Durchlauf der Welle wieder leicht sinken werden. Unterhalb von Duisburg-Ruhrort wird der Mitteilung zufolge für die nächsten Tage ein weiterer Rückgang der Wasserstände um wenige Zentimeter vorhergesagt.

So weist das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Rhein für Emmerich kurz vor der niederländischen Grenze bereits einen Pegelstand von minus ein Zentimeter aus - gemessen am Dienstagvormittag um 9 Uhr. Für diese nördlichste Messstelle des Rhein-Wasserstandes in Deutschland sind am Montag und Dienstag historische Tiefstände ermittelt worden. Dort werden damit inzwischen sogar Negativwerte ausgewiesen. Der Pegelstand ist aber nicht mit der Fahrrinne zu verwechseln, die bei Emmerich laut der jüngsten Übersicht noch eine Tiefe von 1,95 Meter besitzt.

Die Wasserstände an Mittel- und Niederrhein befänden sich auf einem für diese Jahreszeit außergewöhnlich niedrigen Niveau. Sie seien die Folge fehlender Niederschläge in den vergangenen Wochen und Monate. (dpa)

Kann die Binnenschifffahrt durch Lkw und Züge ersetzt werden?

Die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) gibt an, dass ein durchschnittliches Binnenschiff – mit 2100 Tonnen Nutzlast bei 2,80 Meter Tiefgang – etwa 100 Lkw mit einer Nutzlast von jeweils 20 Tonnen Tragfähigkeit ersetzt und doppelt so viel wie ein Güterzug transportiert. Weiter heißt es beim WSV: „Große Schiffe auf dem Rhein haben heute als Einzelfahrer eine Länge von 135 und Breiten bis zu 17,35 Metern. Bei einem Tiefgang von 4,5 Metern transportieren diese Fahrzeuge mit einer Antriebsleistung von circa 2200 Kilowatt rund 5000 Tonnen Güter oder 400 Container.“ Inzwischen fahren auch sogenannte Schubverbände, die 7000 Tonnen Fracht transportieren. „Ein Schubverband dieser Größe ersetzt 280 Lkw.“ Die Binnenschifffahrt komplett durch andere Transportwege zu ersetzen, könnte schwierig sein. Einzelne Unternehmen greifen teilweise auf diesen Weg zurück. Etwa BASF setzt laut eigenen Angaben vor allem auf die Bahn.

Wie gehen Unternehmen das Problem Niedrigwasser noch an?

Die „Häfen und Güterverkehr Köln AG“ (HGK) hat bereits Schiffe in die Flotte eingeführt, die speziell an das Niedrigwasser angepasst sind. Die Entwicklung der „Gas 94“ hat die HGK gemeinsam mit BASF angestoßen. Die Flotte soll weiter ausgebaut werden. Die „Gas 95“ ist laut Pressemitteilung für eine Auslieferung zu Beginn des vierten Quartals 2023 terminiert.

Eignen sich die auf Niedrigwasser ausgelegten Schiffe überall?

„Die Gas 95 wird in den konventionellen Maßen in einer Länge von 110 und einer Breite von 11,45 Metern gebaut. Die beiden im ersten Quartal 2023 in Dienst zu stellenden Typ C Tanker werden alternative Maße für spezielle Kundenanforderungen besitzen“, heißt es von der HGK. Die drei für 2023 auszuliefernden Neubauten sollen neben der Fahrt auf dem Rhein auch „kanalgängig“ sein.

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Werden auch Ursachen des Niedrigwassers bekämpft?

Die Binnenschifffahrt hat sich Alternativen gesucht, um mit dem Niedrigwasser umzugehen. Doch es stellt sich auch die Frage, ob es die Möglichkeit gibt, den Wasserstand stärker zu regulieren. „In Schifffahrtskanälen macht man das, bei Fließgewässern eher nicht, oder nur selten“, erklärt Hydrologe Karl Schneider von der Uni Köln. Als natürliche Ausgleichsfaktoren gibt es den Regen oder Gletscherabfluss. Der Gletscherabfluss habe schon einen Anteil, aber eher im einstelligen Prozentbereich, sagt Schneider. Man müsse das machen, was in den letzten 100 Jahren verpasst wurde: Die Feuchtgebiete wieder herstellen. „Die wichtigsten Speicher sind die Moore, Sümpfe, Auen und natürlich das Grundwasser. Das ist alles regional sehr unterschiedlich. In der Eifel gibt es beispielsweise mehr Moore. Aber es ist wichtig, das Wasser in der Landschaft zu halten.“

Ist es am Rhein möglich, Wasser in der Landschaft zu halten?

Gewässer-Ökologe Daniel Hering erklärt, dass auch am Rhein einige Polder und Auenflächen wieder angeschlossen werden könnten. „Der Rhein hat viele Nebenflüsse, die man renaturieren kann. Das wird dann auch dem Rhein helfen. So könnte man extreme Niedrigwasser vermeiden. Man kann einiges tun, die Lage ist nicht hoffnungslos.“ Die Gewässer und ihr Umfeld müssten dafür anders bewirtschaftet werden. „Ein Problem ist, dass durch die Hitze das Wasser immer wärmer wird. Daher sollten wir kleinere Gewässer durch Bäume am Ufer beschatten, um sie zu kühlen“, so Hering.

Welche Folge hat Niedrigwasser für Tiere und Pflanzen?

Die Folgen von Niedrigwasser sind, laut dem Gewässer-Ökologen, dass das Ökosystem sich verändere und die Artenvielfalt abnehme. „Viele kleine Gewässer trocknen komplett aus, Tiere und Pflanzen sterben. Bei niedrigem Wasserspiegel erwärmen sich Gewässer schneller, dadurch entstehen Algenblüten und es sinkt der Sauerstoffgehalt, was Fischsterben verursachen kann.“ Die Selbstreinigungsfähigkeit der Gewässer nehme ab. Vorteile haben Arten, die anspruchsloser sind und mit den extremen Bedingungen besser zurechtkommen, erklärt Hering.

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