Abo

„Preise werden weiter steigen“Bauernpräsident Rukwied im Interview

Lesezeit 5 Minuten
Niedrige Preise gibt es im Moment ausgerechnet beim als Luxusgemüse bekannten Spargel.

Niedrige Preise gibt es im Moment ausgerechnet beim als Luxusgemüse bekannten Spargel.

Herr Rukwied, allenthalben wird über Preissteigerungen gesprochen. Beim Spargel, einem eher luxuriösen Gemüse, sehen wir aber derzeit, dass die Preise unterdurchschnittlich sind. Haben Sie dafür eine Erklärung?

Die Menschen schauen derzeit sehr genau aufs Geld und kaufen gezielter ein. Priorität haben Grundnahrungsmittel, die sind deutlich teurer geworden. Das gilt natürlich auch für den Sprit oder die Energiekosten. Da wird beim Einkaufen eben bei manchen Produkten gespart, wie etwa Spargel oder Erdbeeren. Da ist jetzt einfach auch durch Billigimporte zu viel Angebot auf dem Markt, und in der Folge sinkt der Preis. Zum Leidwesen unserer Bauern. Einzelne nehmen deswegen jetzt die ersten Felder aus der Produktion.

Umfrage: Viele Bürger treiben Geldsorgen um

Wegen der großen Preissteigerungen achten viele Konsumenten verstärkt auf Sonderangebote oder verzichten auf Käufe. Wie eine gestern publizierte Umfrage des Marktforschers IFH Köln im Auftrag des Handelsverbands Deutschland (HDE) ergab, hat mehr als ein Viertel der Befragten (27 Prozent) „große Angst“, mit dem Geld nicht auszukommen. Eine Vergleichszahl gibt es nicht, die Umfrage wurde erstmals durchgeführt. Bei Befragten aus Haushalten mit weniger als 2000 Euro Netto-Monatseinkommen – rund 300 nahmen teil – lag der Wert sogar bei 48 Prozent. Von allen Befragten gaben 29 Prozent an, „wenig Angst“ zu haben, mit dem Geld nicht auszukommen. Der Umfrage zufolge gab gut ein Viertel der Konsumenten (27 Prozent) an, zuletzt auf den Kauf von Spezialitäten verzichtet zu haben. Bei Wein und Spirituosen war die Verzichtquote mit 13 Prozent ebenfalls nennenswert hoch. (dpa)

Das ist aber eine sehr beschönigende Formulierung dafür, dass Bauern ihre Erdbeerpflanzen unterpflügen. Wird das noch häufiger passieren?

So ein Schritt fällt keinem von uns Bauern leicht, der sich mit viel Aufwand um die Pflanzen gekümmert hat. Aber solche Aktionen verdeutlichen die schwierige Situation. Wir werden, was die Einnahmen angeht, ein unterdurchschnittliches Jahr sowohl bei den Erdbeeren als auch beim Spargel erleben, und das nach ohnehin herausfordernden Jahren. Die Perspektiven sind auch nicht besser…

Warum?

Der Mindestlohn wird auf 12 Euro steigen. Das treibt die Sonderkultur-Bauern um, die auf Erntehelfer angewiesen sind. Das belastet den Obst- und Gemüseanbau, auch den Weinanbau. Es gibt Winzer, die wissen nicht, ob sie in zwei oder drei Jahren noch wirtschaftlich Wein herstellen können. Denn wenn bei uns der Mindestlohn steigt und die Produktion teurer wird, gilt das ja nicht für die Konkurrenz in der EU, die dann nach Deutschland ihre günstigere Ware exportiert. Wir brauchen einen europäischen Mindestlohn, sonst wandert die Erzeugung ab in andere Länder.

Derweil steigen im Supermarkt die Lebensmittelpreise immer weiter. Ist da ein Ende dieser Entwicklung in Sicht?

Das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht. Die deutlich gestiegenen Kosten für Betriebsmittel wie Sprit oder Dünger schlagen ja jetzt erst richtig zu Buche. Wir Bauern brauchen zwangsläufig höhere Preise, um überhaupt noch wirtschaften zu können. Ich gehe davon aus, dass die Preise im Supermarkt in nächster Zeit weiter steigen werden. Es gibt aber eine Ausnahme, die mir große Sorgen macht.

Nämlich?

Der Schweinesektor. Dort ist die Preissituation nach wie vor katastrophal. Wir befinden uns in der größten Krise der Schweinehaltung seit Jahrzehnten. Der Auslöser war Corona. Die Preise fürs Ferkel, fürs Schlachtschwein sind zu niedrig, und gleichzeitig steigen jetzt die Ausgaben für Futter und Energie deutlich. Die Schweinebauern brauchen dringend signifikante Preissteigerungen. Die Schweinehaltung ist schon seit Langem ein Verlustgeschäft.

Der Trend ist aber eher gegenläufig, die Preise für Landwirte stagnieren oder sinken sogar. Steht die Schweinehaltung in Deutschland also vor dem Aus?

Wenn die Politik jetzt nicht endlich Perspektiven aufzeigt, dann wird der Strukturbruch in der Schweinehaltung umso heftiger. In Deutschland ist 2020 die Zahl der gehaltenen Schweine um 2,4 Millionen Tiere gesunken. Im gleichen Zeitraum sind in Spanien 3,5 Millionen Schweine hinzugekommen. Es findet eine deutliche Verlagerung der Schweinehaltung statt. Die deutschen Bauern wissen einfach nicht, wie es weitergehen soll. Der Plan der Borchert-Kommission zum Umbau der Tierhaltung hierzulande muss dringend umgesetzt werden.

Wie realistisch ist das? Der Umbau ist enorm kostspielig und soll über Aufschläge im Supermarkt finanziert werden. In Zeiten der steigenden Inflation die Verbraucherpreise noch einmal verteuern – ob das so kommt?

Wenn wir die Schweinehaltung in Deutschland behalten und verbessern wollen, muss die Bundesregierung das in diesem Jahr auf den Weg bringen. Jeder Monat, der verloren geht, bedeutet wieder zahlreiche geschlossene Schweineställe. Die Politik muss jetzt handeln.

Der Schweinefleischkonsum sinkt deutlich in Deutschland. Warum sollte der Staat noch einmal so viel Geld in die Branche stecken?

Fleisch gehört zu einer ausgewogenen Ernährung. Und wenn uns Corona eins gelehrt hat, dann doch, wie wichtig eine heimische Lebensmittelerzeugung ist. Ernährungssicherung ist kein Luxus, sondern kann in Krisenzeiten schnell essenziell werden. Ich muss ja nur in meine Heimat schauen: 45 Prozent Selbstversorgungsgrad beim Schweinefleisch. Da ist noch Luft nach oben!

Das könnte Sie auch interessieren:

Herr Rukwied, Sie hatten Anfang des Jahres angekündigt, der Bauernverband solle weiblicher werden. Wie weit sind Sie mit diesem Vorhaben?

Fast am Ziel. Auf dem Bauerntag in Lübeck wollen wir unsere Satzung anpassen: Die Vorsitzende des Fachausschusses Unternehmerinnen, Susanne Schulze-Bockeloh, soll Mitglied im Vorstand des Bauernverbandes werden in der Rolle einer Vize-Präsidentin.

Frau Schulze-Bockeloh wollte ja schon einmal Präsidentin im mächtigen Bauernverband Westfalen werden. Gewählt wurde ein Mann. Müssen Sie Ihre eigenen Mitglieder umgehen, damit es etwas mit der Gleichberechtigung wird?

Nein. Frauen können von jeher zur Präsidentin eines Landesbauernverbandes gewählt werden. Mein Anliegen ist, dass wir schnell Frauen in die Führungspositionen im Verband bekommen. Die Anzahl der Landwirtinnen nimmt immer weiter zu. Das muss sich auch im Spitzenpersonal des Verbandes widerspiegeln. Da wollte ich nicht warten, bis die erste Landes-Bauernpräsidentin gewählt wird.

Rundschau abonnieren