„Wir werden vergessen“Wie Friseure in der Region um ihre Existenz kämpfen

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Friseur

Symbolbild

Köln – „Die Situation ist erbärmlich“, sagt Friseurmeisterin Ute Hützen aus Köln-Bilderstückchen. 46 Jahre besteht der Familienbetrieb. Jetzt sieht sie „nach vier Monaten Berufsverbot“, wie sie es formuliert, ihre Existenz bedroht und die ihrer fünf Mitarbeitenden und ihre zwei Auszubildenden. „Ich schaffe das noch einen Monat“, sagt Hützen. Ähnlich geht es Pia Köhler aus Neuehrenfeld, die seit neun Jahren einen eigenen Salon hat. Auch sie hat fünf Angestellte. Die beiden stehen für 3500 Betriebe im Bezirk der Handwerkskammer, darunter 1300 in Köln.

„Es geht um die Existenz der Betriebe“, sagt Hans Peter Wollseifer, Präsident der Kölner Klammer und Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks. Die Friseure hätten nach dem Lockdown im Frühjahr und der erneuten Schließung ab Mitte Dezember inzwischen alle Rücklagen aufgebraucht, ihr Privatvermögen eingebracht und auch ihre Altersvorsorge. Einige hätten bereits aufgeben müssen, so Wollseifer. Genaue Zahlen gebe es aber noch nicht.

Das Problem: „Die Hilfen kommen nicht an“, so Wollseifer. Von den Novemberhilfen profitierten die Branche nicht, weil sie da noch arbeiten konnten. Dabei sei auch da der Umsatz schon deutlich niedriger gewesen, weil sie nicht mehr so viele Kunden in den Salon habe lassen können, so Hützen und Köhler. Außerdem hätten sie Geld für Hygienemaßnahmen aufwenden müssen. Durch die Hilfen für die Monate Dezember, Januar und Februar würden im Durchschnitt 16 Prozent des Umsatzausfalls ersetzt, wie die Handwerkskammer ausgerechnet hat. „Im Durchschnitt bekommen die Betriebe für die drei Monate 4500 Euro“, sagte Wollseifer. Das reiche noch nicht einmal für die Miete.

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Not macht da manch einen erfinderisch. Friseure bekämen derzeit viele Anrufe. „Die Kunden laden zu Kaffeetrinken zu sich nach Hause ein“, berichtete Mike Engels, Obermeister der Kölner Friseurinnung. Dabei sollen die Friseure natürlich die Schere und weiteres Handwerkszeug dabei haben. Da fürchtet manch ein Friseur, Kunden zu verlieren, wenn er sich nicht darauf einlässt. Denn aus lauter Verzweiflung nehme vielleicht ein anderer die Einladung an. „Schwarzarbeit unterstützen wir auf keinen Fall“, sagte Harald Esser, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Friseurhandwerks. Mehr noch: „Die Dienstleistung ist verboten“, so Esser. Kunde und Friseur machten sich strafbar.

Es braucht eine Perspektive und eine Strategie

Die Not ist groß. Hützen muss eine Monatsmiete von 2500 Euro aufbringen. Sie muss Vorkasse leisten für das Kurzarbeitergeld. 900 Euro im Monat erhalten ihre Angestellten dann, obwohl sie nach eigenen Angaben über Tarif bezahlt. Kaum genug zum Leben, zumal auch das Trinkgeld wegfällt, wenn keine Kunden kommen. Und auch sie müsse leben, sagte Hützen. „Wir werden vergessen“, beklagt sie. Sie habe jedes Vertrauen in die Politik verloren.

„Die Hilfe muss fließen“, sagte Derya Karadag. Sie sitzt für die Grünen im Kölner Rat. Sie und die Landtagsabgeordneten Oliver Kehrl (CDU) und Jochen Ott (SPD) traten für schnellere Hilfe ein, oder für beschleunigte und höhere Abschlagzahlen oder appellierten an die Vermieter, kulant zu sein. „Schwarzarbeit oder Untergang darf nicht die Alternative sein“, so Ott.

Die Betriebe brauchen eine Perspektive, wieder öffnen zu können, wenn es das Infektionsgeschehen zulasse, und eine Strategie, wie das geschehen könne, so Wollseifer. Zumal es kein Infektionsgeschehen in den Friseursalons gegeben habe. Ampelregelugen abhängig vom Infektionsgeschehen vor Ort könnten helfen. Letztlich brauchten die Betriebe sofort Geld. „Ich brauche eine unbürokratische Soforthilfe, die nicht zurückgezahlt werden muss“, sagte Köhler und Hützen meint: „Ich brauche 25.000 Euro Unterstützung und die Wiederöffnung des Salons am 15. Februar.“

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