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Abgeltungssteuer wohl verfassungswidrigKapitalbesitzer sollen wieder mehr Steuern zahlen

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Das Sparschwein spuckt leider keine Zinsen und Dividenden aus. Dafür fällt aber auch keine Abgeltungsteuer an.

Das Sparschwein spuckt leider keine Zinsen und Dividenden aus. Dafür fällt aber auch keine Abgeltungsteuer an.

Vermögende profitieren seit 2009 von der Abgeltungsteuer. Doch die Vergünstigung verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz und ist daher verfassungswidrig. Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls ein von den Grünen an der Uni Münster in Auftrag gegebene Rechtsgutachten. Dessen Autor Joachim Englisch spricht von einem „verfassungswidrigen Privileg für Besitzer hoher Kapitaleinkünfte“.

Die Grünen dringen daher auf eine Abschaffung durch den Bundestag. Die Abgeltungsteuer sei ungerecht und juristisch fragwürdig, erklärte Lisa Paus, Sprecherin für Steuerpolitik in der Bundestagsfraktion der Oppositionspartei. Für ihr Anliegen sieht sie breite Unterstützung auch in den Koalitionsfraktionen. In der Tat sperren sich Union und SPD nicht kategorisch gegen ein Aus für die umstrittene Abgeltungsteuer. Allerdings lehnen sie eine Entscheidung zum jetzigen Zeitpunkt als verfrüht ab.

Gute Chance auf Klage

Seit über sechs Jahren zahlen Anleger auf ihre Kapitaleinkünfte eine einheitliche Steuer von 25 Prozent (plus Solidaritätszuschlag). Dies gilt etwa für Zinsen von Sparbüchern, für Dividenden oder Gewinne aus der Veräußerung von Aktien. Der Gesetzgeber gewährt also eine Ausnahme von der progressiven Einkommensteuer, bei der die Tarife mit steigenden Einkommen zunehmen. Vom Lohn gut verdienender Arbeitnehmer verlangt der Staat nämlich bis zu 45 Prozent. Die Sonderstellung für Kapitalbesitzer sei immer problematisch gewesen, heute aber eindeutig nicht mehr haltbar, betonte der Juraprofessor Englisch. Die Einführung rechtfertigte der damalige Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) als Notlösung, um die illegale Kapitalflucht vor dem deutschen Fiskus ins Ausland zu stoppen.

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Die Abgeltungsteuer behalten die Banken direkt an der Quelle ein. Sie führen pauschal 25 Prozent der Kapitaleinkünfte ihrer Kunden ab, bevor sie das Geld verstecken können. Der Transfer in die Schweiz oder andere Steueroasen lohne sich weniger, wenn der Tarif günstig ausfällt. Der Ehrliche, der seine Kapitaleinkommen korrekt versteuert, sollte nicht mehr der Dumme sein.

Diese Begründung für die Ausnahme von der Regelbesteuerung greift jedoch nach Ansicht von Englisch und der Grünen spätestens heutzutage nicht mehr. Denn die internationalen Bemühungen im Kampf gegen Steuerflucht haben das Entdeckungsrisiko für Betrüger deutlich erhöht. So haben weltweit fast 100 Staaten verbindlich zugesagt, 2017 oder spätestens 2018 ausländische Behörden über die Kontobewegungen in ihrem Hoheitsgebiet zu unterrichten. In der EU wird dieser Informationsaustausch bereits 2016 verbessert. Zudem haben sich auch Länder außerhalb der EU wie die Schweiz und Liechtenstein zur Teilnahme verpflichtet. Damit aber entfällt das Argument, die Abgeltungsteuer sei als notwendiges Übel für einen wirksamen Kampf gegen Steuerhinterziehung nötig. Und dies gilt laut Englisch bereits jetzt. Denn Anleger müssten damit rechnen, dass die Behörden später mit den besseren Instrumenten den Betrug von heute rückwirkend aufdeckten. Bei anderen Fällen wie der Erbschaftsteuer hat das Bundesverfassungsgericht klar gemacht, dass es für jede Ausnahme von der gleichmäßigen Belastung eine besonders gute Begründung verlangt. Dies spricht dafür, dass eine Klage in Karlsruhe gegen die Abgeltungsteuer gute Chancen hätte. Die Grünen wollen jedoch erst einmal eine politische Debatte führen.

Selbst Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat zu erkennen gegeben, dass auch für ihn die Abgeltungsteuer auf Dauer nur schwer zu rechtfertigen wäre. Die Forderungen nach einer raschen Korrektur aber lehnt er ab. Die Union fürchtet, dass ihr eine Abschaffung der Abgeltungsteuer als Bruch des Versprechens ausgelegt werden könnte, keine Steuern zu erhöhen.

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