Durchsuchungen in SchweinebetriebSkandal im Wendland erschüttert Bio-Branche

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Auf dem Eichenhof erhärtete sich offenbar der Verdacht massiver Verstöße gegen die Bioland-Richtlinien.

Auf dem Eichenhof erhärtete sich offenbar der Verdacht massiver Verstöße gegen die Bioland-Richtlinien.

Oldenburg – Bis zum 5. Mai war die Bio-Welt im Wendland noch in Ordnung. Dann kam die Polizei. Durchsuchung auf dem Eichenhof in Zargleben, einem mehrfach ausgezeichneten Bioland-Vorzeigebetrieb mit einer der größten Bio-Schweinehaltungen Deutschlands. Der Betriebsleiter – ein Pionier der besseren Tierhaltung. Und jetzt im Visier der Staatsanwaltschaft. Mit 40 Beamten war die Polizei angerückt, um Beweismittel zu sichern. So viel Polizei hatte man hier im Wendland zuletzt bei Castor-Transporten ins nahe gelegene ehemalige Endlager Gorleben gesehen.

Bio-Vorgaben wohl nicht eingehalten

Die Staatsanwaltschaft in Oldenburg – zuständig für Agrarkriminalität in Niedersachsen – hatte einen Durchsuchungsbeschluss für den landwirtschaftlichen Betrieb erwirkt. Auf dem Eichenhof soll es über einen längeren Zeitraum, möglicherweise über Jahre hinweg, nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. Bio-Vorgaben sollen nicht eingehalten, das Fleisch aber trotzdem als teure Bio-Ware verkauft worden sein. Es geht um den Verdacht verbotenen Medikamenteneinsatzes. Es geht um Billigfutter statt teurem Öko-Futter. Es geht aber auch um möglicherweise illegale Schweineschlachtungen.

Der Betrieb ließ eine Anfrage unserer Redaktion unbeantwortet. Der Eichenhof ist mittlerweile insolvent und aus dem Bioland-Verband herausgeworfen worden. Offenbar hat man bei Bioland keine Zweifel daran, dass etwas auf dem Eichenhof schiefgelaufen ist. Aber warum fiel das niemandem auf? Branchenkenner und Bio-Bauern wundern sich. Erst ein Whistleblower brachte die Staatsanwaltschaft auf die Spur.

Aktivisten veröffentlichten heimlich gedrehte Videos

Gelegenheiten, aufmerksam zu werden, hätte es jedenfalls genügend gegeben. 2019 veröffentlichten Tierrechtsaktivisten heimlich gedrehte alarmierende Videos aus den Ställen im Wendland zu zahlreichen Missständen. Bestätigen sich die Verdachtsmomente, denen die Ermittler aus Oldenburg zwei Jahre später nachgehen, könnte schon damals einiges im Argen gelegen haben auf dem Eichenhof. Nach Recherchen unserer Redaktion reichen die Vorwürfe sogar noch weiter zurück als 2019.

Laut Öko-Recht müssen Bio-Bauernhöfe mindestens einmal im Jahr kontrolliert werden. Aus Kreisen, die mit dem Fall vertraut sind, heißt es, der mutmaßliche Betrug habe sich schon aus den Unterlagen ergeben. Er hätte den Prüfern also auffallen müssen. Was also ist schiefgelaufen?

Systemversagen im Fall Eichenhof

Die Kontrollen finden meist mit Ankündigung statt, der Landwirt zahlt dafür. Sie sind übertragen an privatwirtschaftliche sogenannte Kontrollstellen. Die größte im deutschen Bio-Sektor ist ABCert. Die Organisation war auch für den Eichenhof zuständig. Der Verband und die Kontrollstelle sind personell eng verbandelt. Den Aufsichtsrat bildet ein Bioland-Bauer aus Baden-Württemberg, der Chef des Bioland-Verbandes in Bayern sowie der Bioland-Präsident auf Bundesebene. Anders gesagt: Die zu Kontrollierenden kontrollieren den Kontrolleur.

Im Fall Eichenhof deutet Einiges darauf hin, dass das System versagt hat. ABCert verweist auf Anfrage direkt weiter an das niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, kurz Laves. Die Landesbehörde ist sogenannte Ökokontrollbehörde, überwacht in dieser Funktion die Kontrollstellen. Eigentlich hätten Probleme an das Laves gemeldet werden müssen. Doch erst die Staatsanwaltschaft informierte die Behörde.

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Beim Laves scheint man deswegen zu der Erkenntnis gelangt zu sein, dass die Prüfer im Fall des Eichenhofs offenbar Teil des Problems waren. Das Fazit lässt wenig Spielraum für Spekulationen: „Bei einer sachgerechten und der Betriebsgröße angemessenen Durchführung der Kontrolle hätten die Verstöße auffallen und dokumentiert werden müssen. Die durch die Kontrollstelle durchgeführten Kontrollen sind daher als nicht wirksam zu beurteilen.“

Erst vorige Woche verurteilte das Landgericht in Schwerin einen ehemaligen Bio-Bauern zu einer Bewährungsstrafe. Er hatte Hunderte Schweine als Bio-Tiere verkauft, obwohl die entsprechenden Vorgaben nicht eingehalten worden waren. Die Kontrollen in der Bio-Branche, so befand der Vorsitzende Richter, waren offenkundig nicht die besten. Eventuell wird auch in Niedersachsen bald ein Gericht zu diesem Schluss kommen.

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