Gegen den Inflations-TrendWie lange bleibt die Telekommunikation noch günstig?

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Verbraucherpreisindex allgemein und Telekommunikationsdienstleistungen

Verbraucherpreisindex allgemein und Telekommunikationsdienstleistungen

Wenn Politiker, Notenbanker und nicht zuletzt ganz normale Konsumenten in diesen Zeiten bange Blicke nach Wiesbaden richten, hat das meist einen Grund: Das Statistische Bundesamt (Destatis) hat die Preisentwicklung von 650 Gütern wieder in einer monatlichen Inflationsrate gebündelt und schreitet zur Verkündung.

Erst Mitte vergangener Woche nannte die Behörde den Verbraucherpreisindex für April 2022. Um 7,4 Prozent verteuerte sich das Leben in Deutschland in den zwölf Monaten zuvor. Der Ukraine-Krieg und fragile Lieferketten im globalen Handel lassen die Preise vor allem für Energie und Nahrungsmittel immer rasanter steigen.

Nun besteht kaum Grund zur Annahme, dass es einzelne Produktkategorien gibt, die in einem solchen Umfeld sinkende Preise auswiesen. Schließlich schlagen ein insgesamt steigendes Preisniveau und damit höhere Kosten für Unternehmen auf immer mehr Angebotskalkulationen durch.

Verbraucherpreise bei Telekommunikationsdienstleistungen günstiger als 2021

Eine Ausnahme bildet jedoch die Telekommunikationsbranche, die sich dem Inflationstrend beharrlich widersetzt. Laut Destatis lagen die Verbraucherpreise in der Kategorie Telekommunikationsdienstleistungen, in denen die Vertragskosten für Internet, Mobilfunk und Festnetz erfasst werden, im April um 1,1 Prozent niedriger als ein Jahr zuvor.

Seit 2015 sanken die Preise für diese Güter damit um 5,9 Prozent, während das allgemeine Verbraucherpreisniveau um 16,2 Prozent stieg (s. Grafik). Es setzte sich so eine Entwicklung fort, die in den Neunzigerjahren mit der Liberalisierung des Telekommunikationsmarkts politisch initiiert worden war.

Die aktuelle Spezifik seines Wirtschaftszweiges hebt Jürgen Grützner, der Geschäftsführer des Branchenverbandes VATM, denn auch gern hervor: „Die Telekommunikationsbranche ist eine der ganz wenigen, die bis heute mit sinkenden Preisen für Entlastung in den Portemonnaies der Verbraucherinnen und Verbraucher sorgt oder für das gleiche Geld deutlich mehr Leistung bietet“, sagt Grützner.

Die Frage ist, wie lange dieser (Gegen-)Trend noch anhält. Mit Blick auf die Vertragskosten für das Internet wägt Verena Blöcher vom Verbraucherportal Verivox noch ab: „Die steigenden Kosten für Energie sowie für Halbleiter und generell für IT-Ausstattung bewirken einen erhöhten Kostendruck“, sagt sie.

Erstmal keine Steigerung der Preise

Aufgrund der zumeist über 24 Monate abgeschlossenen Verträge erwarte Verivox fürs Erste aber keine Steigerung der Endkundenpreise. Blöcher beobachtet gleichwohl, dass sich mancher Anbieter mit den aktuellen Tarifen offenbar nicht mehr ganz wohl fühlt. So stelle Verivox „eine stärkere Zurückhaltung bei Aktivitäten zur Neukundengewinnung“ fest.

Das Verbraucherportal ermittelte jüngst, dass die Preise für DSL-Anschlüsse und Kabel in der Corona-Pandemie tendenziell weiter zurückgingen. Schnelle Anschlüsse mit hohen Bandbreiten, die etwa für das Streamen von Filmen erforderlich sind, hätten sich seit 2019 vergünstigt oder seien preisstabil geblieben, nur bei Tarifen für Normalnutzer habe es punktuell Preiserhöhungen gegeben. Insgesamt, so das Verbraucherportal, habe sich das Preis-Leistungsverhältnis bei einem stetig wachsenden Datenbedarf und einem gestiegenen Interesse an hohen Bandbreiten verbessert.

Auch der Kölner Anbieter Netcologne sieht eine anziehende Nachfrage nach hohen Bandbreiten von 250 Megabit, 500 Megabit oder einem Gigabit pro Sekunde. Nach den zuletzt rückläufigen Preisen in diesem Segment seien die Tarife, so eine Sprecherin, „mittlerweile in einem Bereich angekommen, bei dem wir nicht davon ausgehen, dass der Trend hier weiter nach unten geht, sondern stabil bleiben wird“.

Bei den Mobilfunkangeboten glaubt Verivox, dass der steigende Kostendruck durch die Notwendigkeit weiterer Investitionen in die Infrastruktur größere Auswirkungen haben wird als die gestiegenen Energiepreise. Blöcher sieht jedenfalls für die kommende Zeit „keine signifikanten Trends zu günstigen Tarifen“.

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In einem speziellen Punkt widerspricht Verivox zudem der Erwartung der Bundesnetzagentur. Diese hatte jüngst der Telekom und Vodafone untersagt, Kunden mit so genannten Zero-Rating-Tarifen Datenvolumina für bestimmte Streaming-Dienste kostenfrei anzubieten, weil so Wettbewerber benachteiligt würden.

Das Verbot gilt ab dem kommenden Juli. Während Klaus Müller, Präsident der Behörde, glaubt, dass Verbraucher von dieser Entscheidung insgesamt profitieren, rechnet Blöcher damit, dass „Kunden mit hoher Datennutzung nun eher auf die meist teureren Flatrate-Tarife ausweichen“ müssen.

Insgesamt mehren sich also die Signale, dass die Zeiten immer weiter sinkender Kosten für Internet- und Mobilfunkkunden ein Ende finden. Auch VATM-Geschäftsführer Grützner bereitet die Verbraucher schon mal zaghaft auf eine veränderte Realität vor: Durch immer weiter steigende Energie-, Bau- und Zuliefererkosten sowie durch viele weitere Inflationseffekte, sagt er, müsse damit gerechnet werden, dass es in der Branche „in absehbarer Zeit zu Preissteigerungen kommen kann“.

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