Interview mit Energie-ExpertenDer Strom-Verbraucher ist der Dumme

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Strom

Die Preise für Strom und Gas sind enorm gestiegen.

Rheinland – Die Strom- und Gaspreise sind enorm gestiegen in den vergangenen Wochen. Welche Gründe dazu geführt haben, darüber sprach Dierk Himstedt mit Prof. Manuel Frondel vom  Essener RWI - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung.

Herr Frondel, warum haben wir aktuell in Nordrhein-Westfalen diese teilweise extremen Preisanstiege bei den Strom- und Gas-Tarifen der Anbieter?

Prof. Manuel Frondel Zunächst einmal müssen wir unterscheiden zwischen den Tarifen für Strom und für Gas, da die Preisgestaltung sehr unterschiedlich ist. Beim Energie-Träger Gas gibt es zwar grundsätzlich keinen Mangel an Rohstoff-Vorkommnissen. Allerdings verzeichnen wir durch das aktuelle weltweite Anspringen der Konjunktur, insbesondere in Ostasien,  eine relative Gas-Knappheit, die den Gaspreis an den Energiemärkten nach oben drückt.

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Vor allem in Asien gibt es momentan eine große Nachfrage an Gas. Die USA zum Beispiel verschifft ihr verflüssigtes Gas fast ausschließlich in diesen Wirtschaftsraum. Und es liegt auch nicht an Russland, dass es in Europa aktuell diese Gas-Knappheit gibt. Die stehen nicht auf der  „Gas-Bremse“. Diese Annahme ist falsch. Der Energie-Träger Gas ist zudem durch die eingeführte CO2-Bepreisung zum Beispiel gegenüber der Kohle attraktiver geworden. Das hat Auswirkungen auf die Nachfrage nach Gas. Auch das treibt den Gaspreis nach oben.

Wie sieht es beim Strom aus?

Hier gibt es weitaus mehr Preistreiber. Zunächst einmal sind die Strompreise in Deutschland traditionell hoch. Aktuell verzeichnen wir sogar nominal den höchsten Strompreis weltweit und haben damit die Dänen abgelöst. Wenn man die Kaufkraft der Deutschen hinzunimmt, dann relativiert sich der Preis zwar wieder nach unten, ist aber im Vergleich zu anderen Industrieländer immer noch sehr hoch.

Woran liegt das?

Das liegt vor allem an den vielen staatlich eingeführten Umlagen und Abgaben, die letztlich der Strom-Verbraucher zahlen muss. Diese machen aktuell etwas mehr als 50 Prozent des Strompreises aus. Allein die EEG-Umlage zur Förderung von grünem Strom sorgte 2021 für mehr als ein Fünftel der Stromkosten. Die KWKG-Umlage für die Modernisierung, den Aus- und Neubau von Kraftwerken belastet den Strompreis mit 0,4 Cent pro Kilowattstunde. Auch die Umlage für die Windkraft-Offshore-Netze zahlt aktuell der Verbraucher, obwohl diese, meiner Ansicht nach, die Betreiber selbst übernehmen müssten. Dazu kommen Steuern – die Stromsteuer mit 2,05 Cent pro Kilowattstunde und schließlich auf den Gesamtpreis 19 Prozent Mehrwertsteuer. Die eigentliche Herstellung des Stromes und dessen Vertrieb machen dagegen weniger als ein Drittel des Strompreises aus.

Aber warum kam es in den letzten Wochen zu diesen starken Anstiegen der Strompreise für Neukunden von über 100 Prozent?

Nun, die Stromanbieter reagieren natürlich auf die Energiemärkte. Dort hat es, wie beschrieben, sowohl bei den Rohstoff- als auch bei den Strompreisen diese starken Anstiege gegeben. Diese Preisanstiege werden von den Energie- und Stromanbietern an die Kunden weitergegeben. Allerdings gilt das aktuell nur für die Neukunden. Längerfristige Tarife bleiben ja weitestgehend erst einmal unberührt. Und zudem muss man hinzufügen, dass wir ja eine länger anhaltende Phase hinter uns haben, in der die Energiepreise sehr, und teilweise sogar extrem niedrig waren. Das hing mit der schlechten Konjunktur in der Pandemiezeit zusammen. Ein stückweit sorgt also die wieder anlaufende weltweite Konjunktur dafür, dass die Preise aus dem Tal herauszogen werden. Wenn man das mit einberechnet, sind die Preisanstiege zwar erheblich, aber nicht so extrem wie sie sich aktuell anfühlen.

Das heißt, die Bestandskunden der Energieversorger können aufatmen?

Erst einmal ja. Dennoch müssen sich alle Verbraucher darauf einstellen, dass ihre Kosten für Energie und Strom steigen werden, wenn das aktuell hohe Preisniveau bestehen bleibt. Denn die Versorger werden ihre Tarife natürlich irgendwann anpassen – das kann noch im Laufe des Jahres oder aber nach ein oder zwei Jahren sein, wenn zum Beispiel die Laufzeitfristen der Kunden-Tarife auslaufen. Somit wird das Energiekosten-Thema auch zu einer sozialen Frage für unsere Gesellschaft. Und darauf sollte die Politik reagieren und für Entlastungen sorgen.

Werden die Preise sich denn in naher Zukunft wieder nach unten bewegen?

Warum keine Wahltarife für Neukunden?

Dass die Rheinenergie Neukunden bei Strom und Gas derzeit nur die teurere Grundversorgung  und keine günstigeren Wahltarife anbietet, liegt laut Aufsichtsratschef Bernd Petelkau vor allem an der Vielzahl von Kunden, die durch den Lieferstopp ihres bisherigen Versorgers automatisch in die Grundversorgung gefallen sind. „Die Entwicklung war absehbar, aber die große Zahl an Betroffenen kam   überraschend.“ Drittanbieter seien plötzlich aus dem Markt gegangen. „Die Rheinenergie   übernimmt deren Kunden und stellt ihre Versorgung sicher, muss dafür aber zusätzliche Mengen an Strom und Gas bereitstellen, die in der bisherigen   Beschaffungsplanung nicht  enthalten waren.“ 

Diese Mengen jetzt nachzukaufen,  sei bei den derzeitigen Preisen teuer. Diese Kosten an die neuen Kunden weiterzugeben, könne nicht als unsozial bezeichnet werden, so Petelkau, zumal diese Kunden vorher von Dumpingpreisen profitiert hätten. „Im Übrigen wird die Rheinenergie den Neukunden in der Grundversorgung in Kürze Wahltarife anbieten.“ (fu)

Bei den Strompreisen rechne ich eigentlich nicht mit einer Entspannung. Es sei denn, die Politik macht zum Beispiel ihre Ankündigung wahr, die EEG-Umlage auf Null zu senken. Denn andere Preistreiber wie die Kosten durch den CO2-Emissionshandel (in der EU aktuell rund 85 Euro pro Tonne CO2) bleiben ja erhalten, und die Kosten werden sich noch erhöhen. So ist es ja gewollt, um Energieverbraucher über den Preis dazu zu zwingen, weniger fossile Brennstoffe einzusetzen und so dem Klimawandel entgegenzuwirken. Deswegen plädiere ich auch aus sozialen Gründen dafür, dass die Politik beschließt, die EEG-Umlage und auch die Stromsteuer auf Null zu setzen, beziehungsweise abzuschaffen. Das würde zu spürbaren Entlastungen für die Verbraucher bei den Strompreisen führen. Und gerade wenn man die Akzeptanz für den Klimaschutz in der deutschen Bevölkerung hoch halten will, sollte die Politik darauf achten, dass sozial schwächere private Haushalte entlastet werden.

Ein weiterer Aspekt der aktuell hohen Preise an den Energiemärkten ist die wirtschaftliche Lage bei vielen Billig-Anbietern, die zum Teil insolvent sind oder ihre Kunden nicht mehr mit Strom beliefern.

Das ist tatsächlich ein Problem, vor allem für deren Stromkunden. Der Grund für die Schwierigkeiten dieser Anbieter ist, dass diese keine langfristigen Verträge mit den Strom- und Gasproduzenten abschließen, wie das zum Beispiel die großen und die lokalen Energieversorger in den Kommunen tun.  Das führt nun dazu, dass die Billigstrom-Anbieter Strom und Gas teuer einkaufen müssen und gleichzeitig deren Kunden ihre günstig abgeschlossenen Tarife beibehalten. Damit verdient man kein Geld, manchmal zahlen die Anbieter sogar drauf. Die Folge sind dann Insolvenzen dieser Billig-Anbieter. Das kann sich in der jetzigen Lage auch noch verschärfen.

Der Dumme ist dann der Verbraucher. Ihr Rat?

Wer durch eine Insolvenz seines Anbieters in die Grundversorgung fällt, sollte sich umgehend bei den lokalen Versorgern oder den großen Energieanbietern um einen Wahltarif kümmern. Sonst wird es sehr teuer.

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