Interview mit Handelsexperte„Das Einkaufserlebnis wird mit Masken weniger attraktiv“

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Einkaufen Köln

Ein Pärchen während eines Einkaufsbummels auf der Schildergasse in Köln

  • Seit Montag beleben sich die Einkaufstraßen in den Innenstädten wieder.
  • Ob das nachhaltig ist, darüber sprach Ralf Arenz mit dem Handelsexperte Kai Hudetz, Geschäftsführer des Kölner Forschungs- und Beratungsinstitut IFH.

Das Konsumklima ist im Keller. Kaufen die Bundesbürger gerade überhaupt ein? In den allermeisten Fällen kaufen die Bürger nur das Nötigste, vor allem Produkte für den täglichen Bedarf. Vereinzelt gibt es Käufe von Genussmitteln oder auch Kleidung zur Belohnung für das Verhalten in der derzeitigen Situation. Insgesamt sehen wir aber einen starken Konsumverzicht.

Wie hat sich der Onlinehandel in den letzten Wochen entwickelt?

Der Onlinehandel hat prinzipiell von dem rigorosen Shutdown profitiert. Mode und Elektronik konnten ja fast nur im Netz gekauft werden. Der stationäre Handel ist auf der Fläche auch nach der vorsichtigen Öffnung häufig noch nicht attraktiv. Zum einen haben die Kundinnen und Kunden ein Bedürfnis nach Sicherheit und Schutz vor Ansteckung. Diese Sicherheit bietet der Onlinehandel. Und die Kundinnen und Kunden haben sich an den Onlinehandel gewöhnt.

Wer war besonders gefragt. Der reine Onlinehändler oder der stationäre, die auch im Netz verkauft?

Die großen Plattformen profitieren derzeit, vor allem Amazon, aber auch Ebay, Zalando und Otto. Alleine auf Amazon entfallen rund 60 Prozent der Käufe, die ins Netz verlagert wurden. Die Kundinnen und Kunden vertrauen den Großen und schätzen etwa deren verlässliche Lieferungen. Daneben gibt es aber auch innovative Konzepten von kleinen, stationären Händlern, die so ihre Stammkunden halten wollen.

Welche Artikel wurden vor allem im Netz gekauft?

Den höchsten Zuwachs mit über 600 Prozent gab es beim Verkauf von Backautomaten. Das erklärt auch, warum Hefe und Mehl zeitweise knapp waren. In der ersten Phase der Krise haben die Kundinnen und Kunden auch gehamstert und Hygieneartikel, Getränke und haltbare Lebensmittel wie Reis und Nudeln bestellt. Jetzt werden eher für die Saison typische Artikel wie Fahrräder, Grills, Gartenmöbel oder Materialien aus den Baumärkten gekauft, deren Anschaffung ohnehin anstand. Dazu kommen Artikel für das Home-Office, für den Sport und die Fitness wie etwa Hantelbänke.

Zunehmender Onlinehandel und durchaus gefüllte Innenstädte, als die Geschäfte dort wieder am Montag geöffnet haben. Wie geht das zusammen?

Man muss genauer hinsehen. Die Frequenz in den Innenstädten liegt vermutlich bei etwa 50 Prozent der Frequenz verglichen mit der Besuchsfrequenz vor der Corona-Krise. Viele Kundinnen und Kunden kaufen zielgerichtet ein. Das Flanieren macht ohne Gastronomie ja nicht wirklich Spaß. Die Kundinnen und Kunden haben auf Lockerungen gewartet, sie wollten wieder ein physisches Einkaufserlebnis. Dazu kam das gute Wetter. Ich erwarte in den kommenden Tagen wieder einen Rückgang bei der Frequenz.

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Das Einkaufserlebnis auf der Fläche ist noch nicht attraktiv und mit Masken wird es noch weniger attraktiv. Es fehlen auch die großen Kauf- und Warenhäuser als Magneten in den Innenstädten, und Mode wird oft in Häusern mit mehr als 800 Quadratmeter Verkaufsfläche angeboten, die noch geschlossen sind. Das, was wir momentan sehen, ist ein Strohfeuer, befürchte ich.

Ich höre zumindest von der Bereitschaft der Kunden, weder bei Laden vor Ort einzukaufen oder gar mit dem Kauf von Gutscheinen diese Läden zu stützen, um ihre Existenz zu sichern. Schlägt das Pendel wieder zurück?

Regionale Händler werden von treuen Kundinnen und Kunden gestützt. Die merken, dass ihnen etwas fehlt, wenn sie nicht vor Ort einkaufen können. Andererseits sehen die Konsumenten, dass der Onlinehandel gut funktioniert. Die Zufriedenheit der Kundinnen und Kunden mit dem Einkauf im Netz ist hoch. Das könnte zu einer Gewöhnung führen.

Welchen Marktanteil wird der Online-Handel in den nächsten Jahren haben?

Je länger der stationäre Handel seine Stärken nicht ausspielen kann, desto eher kaufen die Konsumentinnen und Konsumenten online ein. Jetzt hat der Onlinehandel einen Anteil von über zehn Prozent, wenn die Nahrungsmittel eingeschlossen sind. Ohne den Bereich Food sind es schon mehr als 20 Prozent. Und der Onlinehandel wird weiter zulegen. Ich persönlich erwarte ein Plus von etwa 15 Prozent im laufenden Jahr. Vor allem im Bereich Mode wird der Onlinehandel einen Sprung nach oben machen. Da kann der Marktanteil des Onlinehandels im Bereich Non-Food in Richtung 30 Prozent wachsen.

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