Interview mit Vodafone-Chef„Deutschland braucht einen massiven Bürokratieabbau“

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Vodafon-Chef

Hannes Amtsreiter, Chef von Vodafone 

  • Hannes Ametsreiter, Deutschland-Chef von Vodafone, spricht im Interview mit Mark Otten unter anderem über Funklöcher, den aktuellen Stand beim schnellen Internet, den Digitalstandort Deutschland und Faxgeräte beim Arzt.

Herr Ametsreiter, im Wahlkampf war es wieder oft zu hören: Deutschland sei ein digitales Entwicklungsland. Sie sind Chef eines europaweit tätigten Unternehmens – stimmen Sie dem zu?

Dem stimme ich nicht zu. Deutschland hat das modernste 5G-Netz in Europa. Nur bei uns ist 5G schon heute ein Echtzeit-Netz. Das wissen viele gar nicht.

Wo muss Deutschland aus Ihrer Sicht besser werden?

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Ich wünsche mir, dass wir in Deutschland lernen, groß zu denken. Wir brauchen den Mut, neue Wege einzuschlagen, statt der Angst, alte Pfade zu verlassen. Wir sollten gemeinsam große Projekte angehen, mit denen wir die Gesellschaft verändern. Ein Zug, der in anderthalb Stunden von München nach Berlin fährt, das wäre eine Revolution für das Land. Die Technik dafür ist hierzulande als Transrapid entwickelt worden, aber die Züge fahren heute nur in Asien. Hinzu kommt: Wir denken in Deutschland zu wenig in Ökosystemen.

Was meinen Sie?

Wir sprechen über Infrastruktur, aber wir fragen uns zu selten: Wie können wir die Infrastruktur sinnvoll einsetzen? Warum kann ich per App einen Tisch im Restaurant reservieren – aber keinen Arzttermin? Bei meinem ersten Corona-Test hat ein Arzt mich nach meiner Faxnummer gefragt, um mir das Test-Ergebnis auf diesem Wege zuzusenden. Dass wir immer noch Faxgeräte verwenden, ist für eine Nation, die in der digitalen Champions League mitspielen will, beschämend. Wir sind an einigen Orten immer noch nicht im digitalen Zeitalter angekommen, weil wir zu oft in der alten Bürokratie verharren. Mit komplexen Strukturen und Prozessen bremsen wir uns selbst aus. Deutschland braucht einen massiven Bürokratieabbau. Das wird eine Herkulesaufgabe werden.

Warum gibt es in Deutschland noch Funklöcher?

Es gibt noch immer zu viele sogenannte weiße Flecken. Und jedes einzelne dieser Funklöcher nervt mich. Die Gründe dafür sind vielfältig: In Naturschutzgebieten beispielsweise dürfen wir häufig keine Mobilfunk-Stationen bauen. Doch die braucht es für Mobilfunk. Wir wissen: Es bleibt einiges zu tun. Aber zur Wahrheit gehört auch: Im Vergleich zu anderen Ländern haben wir die Netze in Deutschland in den vergangenen Jahren massiv verbessert. 5G wächst schneller als alle Mobilfunknetze zuvor.

Die Bundesregierung behauptete kürzlich unter Berufung auf die Bundesnetzagentur, dass 96 Prozent der Fläche in Deutschland mit LTE versorgt sind. Ist die Versorgungslage tatsächlich so gut?

Ja, die Netzabdeckung ist bereits gut – und viel besser als vor wenigen Jahren. Weiße Flecken gibt es hier und da noch. Aber nicht bei jedem Verbindungsabbruch ist der Grund ein Funkloch. Häufig kommt es zu sogenannten „dropped calls“. Das kann beispielsweise passieren, wenn Sie auf der Autobahn unterwegs sind.

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Warum passiert das?

Dafür gibt es verschiedene Ursachen, zum Beispiel wenn das Telefonat bei der hohen Geschwindigkeit, nicht richtig von der einen an die nächste Mobilfunk-Station übergeben wird. In Fußballstadien oder Konzerthallen wird es langsamer, wenn tausende Menschen gleichzeitig im Netz surfen. Denn wir alle bewegen uns im selben Netz. Fest steht: Jeder Gesprächsabbruch und jede lange Ladezeit sind störend. Daran arbeiten wir. Mit 5G können viel mehr Menschen zeitgleich schnell im Netz surfen.

In der Fläche klagen vor allem Bahnfahrer über Verbindungsabbrüche, wo liegt da das Problem?

Wegen alter Richtlinien dürfen in Deutschland Mobilfunk-Stationen im 900 Megahertz Bereich, die besonders große Flächen mit Netz versorgen, nur mit großem Abstand zu den Zugschienen aktiviert werden. Mittlerweile gibt es Sondervereinbarungen, mit denen wir mit unserem Netz etwas näher an die Gleise herankommen. Aber es gibt viele Stationen im Bereich von 500 Metern entlang der Schienen, die wir nicht anschalten können. Wenn sich das ändert, dann wäre das Netz entlang vieler tausender Bahnkilometer auf einen Schlag deutlich besser. Wir setzen uns deshalb dafür ein, dass die Rahmenbedingungen geändert werden und arbeiten hier eng mit der Deutschen Bahn zusammen.

Was erwarten Sie von der kommenden Bundesregierung?

Ich wünsche mir, dass wir aus den falschen Entscheidungen bei vergangenen Frequenzvergaben lernen. Die bestehenden Lizenzen für die Flächenfrequenzen sollten um fünf Jahre verlängert werden, statt dafür 2023 eine neue Auktion zu starten. Das Geld könnten die Betreiber stattdessen direkt in neue Mobilfunk-Stationen investieren. Bei einer Auktion zum späteren Zeitpunkt stünden dann wahrscheinlich zusätzliche Flächenfrequenzen zur Verfügung, damit vier starke Netze betrieben werden können. Es gäbe keine Knappheit mehr. Wenn es 2023 eine Auktion gibt, darf man die Frage „Warum haben wir eigentlich Funklöcher?“ nicht stellen. Wir können das Geld nur einmal ausgeben: Entweder für Lizenzen oder für Infrastruktur. Ich würde es lieber in die Infrastruktur investieren.

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