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Mehr TierwohlWarum Fleisch bald mehr kosten könnte – und sollte

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Fleischtheke

Für mehr Tierwohl in den Ställen hält Bundesagrarministerin Klöckner hält es nach eigenen Worten für machbar, entweder die Mehrwertsteuer für tierische Produkte zu erhöhen oder eine Tierwohlabgabe einzuführen.

Berlin – Tierfreund ist jeder gern. Aber wenn es ans eigene Portemonnaie geht, sieht es manchmal anders aus. Den angestrebten Umbau der Nutztierhaltung in Deutschland jedenfalls werden Supermarkt-Kunden auch an der Kasse spüren – darauf laufen die Bemühungen der Bundesregierung hinaus. Sie will den Bauern unter die Arme greifen, wenn sie hohe Investitionen in neue Ställe stemmen.

„Wir haben über alle Szenarien hinweg berechnet, dass das ungefähr drei bis vier Milliarden Euro pro Jahr kosten wird“, sagt der Leiter des bundeseigenen Thünen-Instituts, Folkhard Isermeyer, bei der Präsentation einer Studie in Berlin. Dieses Geld müsse für eine Investitionsförderung und für eine Tierwohlprämie für die Landwirte aufgebracht werden. „Wenn man es umrechnet auf eine Mahlzeit pro Tag, sind es fünf Cent.“

Bundesagrarministerin Julia Klöckner hält es nach eigenen Worten für machbar, dafür entweder die Mehrwertsteuer für tierische Produkte von 7 auf 19 Prozent zu erhöhen oder eine Tierwohlabgabe einzuführen. „Es gibt kein Recht auf Billigstfleisch“, sagt die CDU-Politikerin. Fleisch werde aber auch kein Luxusprodukt für Reiche werden. Sie glaube, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher bereit seien, Mehrkosten zu tragen.

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Eine Kommission unter Leitung des früheren Agrar-Ressortchefs Joachim Borchert (CDU) hatte im vergangenen Jahr Empfehlungen vorgelegt, wie die Tierhaltung verbessert werden kann. Das Thünen-Institut legte nun im Auftrag des Ministeriums eine Folgenabschätzung vor. Grundsätzlicher Widerspruch kommt aus Opposition und Landwirtschaft nicht mehr – wohl aber die Forderung, nun endlich in die Gänge zu kommen.

Noch vor der Bundestagswahl im September müsse den Betrieben ein verlässlicher Weg aufgezeigt werden, verlangt etwa die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Denn die Bauern sind verunsichert, was ihre Proteste seit Monaten zeigen. Es geht um Vorgaben beim Düngen und Pflanzenschutz, um wachsenden Druck und Stress in den Betrieben. Und um fehlende Anerkennung für die Bauernfamilien. „Bauern werden ruiniert, Essen wird importiert“, warnt ein Transparent am Brandenburger Tor.

„In vier Jahren hat man die Sache nicht gewuppt“

Der Wandel gehe nicht auf Knopfdruck, sagt Klöckner. Sonst bestehe die Gefahr, dass die Tierhaltung aus Deutschland verdrängt werde und Fleisch und Milch aus Ländern eingeführt würden, wo es den Tieren schlechter gehe. Denn die Vorschläge würden nicht nur bedeuten, dass Bauern vielfach neue Ställe bauen müssen. Es würde für sie bis 2040 auch 10 bis 20 Prozent teurer, Fleisch und Milch zu erzeugen, ergab die Thünen-Studie.

Denn mehr Platz für Tiere, besseres Futter, Beschäftigungsmöglichkeiten und Stroheinstreu – das alles erhöht den Arbeitsaufwand und die Kosten. Eine Tierwohlprämie soll den höheren Aufwand großteils ausgleichen. „Wir müssen hier nah an die 100 Prozent kommen“, mahnt Kommissionschef Borchert sogar an. Wichtig für die Bauern ist Planungssicherheit. „Wer einen Stall umbaut oder neu baut, der nimmt richtig Geld in die Hand“, sagt Klöckner. Ein Regierungswechsel dürfe die Finanzierung nicht gefährden. „In vier Jahren hat man die Sache nicht gewuppt.“ Klöckner will den Bauern deshalb Verträge mit der Regierung ermöglichen, in denen die Tierwohlprämie festgeschrieben wird.

Keiner hat mehr die Illusion, dass Supermarktkunden an der Kühltheke konsequent zum besseren Produkt greifen und so die Tierhaltung zum Besseren wenden. „Das Ziel lässt sich nicht erreichen, indem man auf die Marktkräfte vertraut“, macht Isermeyer deutlich. Denn über Tierwohl zu reden ist das eine, danach zu Handeln das andere. In Umfragen sagten die meisten, dass sie für Tierwohlprodukte mehr Geld ausgeben würden. Experimente zeigten aber, dass ein großer Teil der Menschen vorwiegend preisorientiert einkaufe, konstatiert die Thünen-Studie.

Die Landwirte sind laut Deutschem Bauernverband grundsätzlich bereit, den vorgeschlagenen Weg mitzugehen. Neben einem verlässlichen, langfristigen Förderkonzept sei eine verbindliche Haltungs- und Herkunftskennzeichnung nötig, an der Verbraucher höhere Tierwohlstandards erkennen könnten, zudem ein einfacheres Baurecht für Ställe. Das verlangt auch die FDP, die auf europäische Lösungen dringt. Die Linke vermisst unterdessen eine Antwort darauf, wie Verarbeitungs- und Vermarktungskonzerne an den Umbaukosten beteiligt werden. Die Grünen stellen fest, es gebe nun zahlreiche Detailstudien. „Der Stein zum Umbau der Tierhaltung muss nun endlich ins Rollen kommen.“

Ob die Deutschen aber eines Tages weniger Fleisch und Milch verbrauchen, da sind sich die Thünen-Autoren nicht sicher. Eine bessere Tierhaltung kann demnach auch dazu führen, dass Veganer oder Vegetarier wieder auf den Geschmack kommen. (dpa)

Stimmen aus der Region

Wichtige Fragen sind noch offen“ sagt Brigitte Wenzel vom Rheinischen Landwirtschafts-Verband (RLV) zu den Ergebnissen der Thünen-Studie, die gestern vorgestellt wurden. „Viele Bauern wollen den Umbau mitgehen, wenn die Mehrkosten über die 20 Jahre verlässlich vereinbart werden.“ Angesichts der Bundestagswahl im September zweifeln Tierhalter aber daran, dass die politische Entscheidung für die unverzichtbare Finanzierung zügig fallen wird.

„Je länger verlässliche Rahmenbedingungen für die gewünschte, bessere Tierhaltung auf sich warten lassen, desto mehr Landwirte steigen aus der Tierhaltung aus“, sagt Wenzel. Es gebe außerdem noch andere politische Entscheidungen. „Es geht auch um bau- und umweltrechtliche Fragen.“ Wenn man etwa für die Tiere deutlich mehr Platz bieten solle oder sogar Auslauf, müsse man hierfür erstmal eine Baugenehmigung bekommen. Die sei aber nicht nur teuer – etwa zehn Prozent der Stallbaukosten rechnet man für Gutachten und Genehmigungen – die bekomme mancher gar nicht wegen Umweltvorschriften, die ebenfalls gerade angehoben werden.

„Die Betriebe, die noch eine Zukunftsperspektive in der Tierhaltung hierzulande sehen, dürfen nicht im Wahlkampf zerrieben werden, sonst machen sie nur noch solange weiter, wie es das Gesetz zulässt –und zwar ohne Umbau.“ Einige Landwirte in der rheinische Region betrifft der geplante Umbau allerdings gar nicht. Nur wenige Höfe produzieren Fleisch von Schweinen oder Geflügel in großen Mengen. Ein Landwirt aus dem Rheinisch-Bergischen Kreis sagt: „Bei mir leben die Tiere ohnehin auf der Weide.“ Sein Hof sei schon seit Jahren nach dem Tierwohl ausgebaut, sein Stall kaum zur Hälfte besetzt. Trotzdem findet er die Pläne zum Umbau für mehr Tierwohl richtig. „Ich bin froh, dass sich da was tut.

Von mir aus können die Betriebe mit Massentierhaltung morgen dicht machen – das sind furchtbare Zustände.“ Ob er Betriebe in der Region kennt, die nach der geplanten Neuordnung ihre Ställe umbauen müssten? „Nein“, sagt er . „Dafür ist das hier die falsche Gegend.“ Die großen Mastbetriebe für Schwein und Geflügel gebe es vor allem in Norddeutschland. „Hier gibt es sowas eigentlich kaum.“

Die These bestätigt sich: Mehrere Höfe mit Viehhaltung zur Fleischproduktion im Kölner Umland zeigen sich von dem geplanten Umbau wenig betroffen. „Wir halten die Tiere schon seit Jahren nach dem Tierwohl“, sagt eine Frau von einem Betrieb im Oberbergischen. Bei einem anderen Hof heißt es: „Wir gehen eh bald in Rente und haben keinen Nachfolger. Uns betrifft das nicht mehr.“ (ebu)

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