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Nachholfaktor kommt wiederAmpel-Koalition verpasst der Rente einen Dämpfer

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Symbolbild 

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Köln – Welch ein Auf und Ab: Die Renten sollen nach dem mageren Vorjahr zum 1. Juli deutlich steigen – um satte 5,2 Prozent im Westen und sogar 5,9 Prozent im Osten. So lautete die Aufsehen erregende Vorhersage im November. Doch nun tritt die neue Bundesregierung auf die Bremse. Zusätzlich frisst die wieder gestiegene Inflation einen Teil der Erhöhung auf. Was bleibt also am Ende? Ein Überblick.

Wie sehen die Rentenpläne der Koalition genau aus?

Kaum hatten sich die 21 Millionen Rentner nach der erfreulichen November-Prognose ausgerechnet, wie stark ihre jeweilige Rente steigen könnte, da dämpften die Ampel-Parteien die Hoffnungen deutlich. Im Koalitionsvertrag vereinbarten sie, den sogenannten Nachholfaktor wieder zu aktivieren. Der Faktor bewirkt, dass die Renten in den Jahren nach einer ausgebliebenen Kürzung langsamer steigen als die für die Anpassung maßgeblichen Löhne. Seit 2018 war der Nachholfaktor ausgesetzt, um so zur Stabilisierung der Renten beizutragen.

Wie wirkt sich der Nachholfaktor aus?

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte mit Blick auf die Westrenten: „Prognostiziert waren 5,2 Prozent. Jetzt erwarte ich, dass die Renten in Deutschland ab Juli 2022 um 4,4 Prozent steigen. Das ist immer noch sehr ordentlich.“ Aber es wären 0,8 Prozentpunkte weniger als ohne Nachholfaktor. Und so ganz genau weiß man im Arbeitsministerium auch noch nicht, ob es bei diesem Wert bleibt. Eine Sprecherin des Arbeitsministeriums wollte die Zahl auf Anfrage unserer Redaktion jedenfalls nicht wiederholen.

Warum macht die Ampel so etwas?

Im Koalitionsvertrag heißt es: „Renten und Löhne sollen sich im Zuge der Corona-Krise insgesamt im Gleichklang entwickeln.“ Zuletzt sah man speziell bei der FDP diesen Gleichklang nicht mehr gegeben. Und das kam so: Eigentlich folgen die Renten zeitversetzt in etwa der Lohnentwicklung. 2021 hätte es demnach wegen geschrumpfter Löhne eine Rentensenkung geben müssen. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) teilte mit: „Der Gesamteffekt der Faktoren der Rentenanpassungsformel belief sich 2021 auf minus 3,25 Prozent im Westen.“

Eine Kürzung erfolgte wegen der Rentengarantie nicht. Im Westen gab es im Juli vergangenen Jahres eine Nullrunde, im Osten ein leichtes Plus von 0,72 Prozent wegen der immer noch laufenden stufenweisen Angleichung der Ostrenten. Unterbliebene Rentenkürzungen müssen in späteren Jahren aber schrittweise nachgeholt werden, daher der Name Nachholfaktor. Das geschieht, indem spätere Rentenerhöhungen entsprechend niedriger ausfallen.

Wie gerecht ist der Nachholfaktor?

Darüber gehen die Einschätzungen weit auseinander. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger sagt: „Die Rentengarantie hat die Rentnerinnen und Rentner in diesem Jahr vor einer deutlichen Rentenkürzung von mehr als drei Prozent (im Westen) bewahrt. Es ist daher ein Gebot der Fairness, diesen finanziellen Vorteil aus der Rentengarantie bei den nächsten Rentenanpassungen vollständig zu berücksichtigen, wenn eine wirtschaftliche Erholung einsetzt.“ Für Dulger steht fest: „Die Rentengarantie und der Nachholfaktor gehören zusammen.“ Und weiter: „Die negativen wirtschaftlichen Folgen der Pandemie müssen in der Rentenversicherung gleichmäßig und fair auf die Generationen verteilt werden. Das hat auch etwas mit Generationengerechtigkeit zu tun.“

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DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel warnt dagegen: „Wer jetzt den Nachholfaktor aktiviert, sorgt dafür, dass die Renten noch weiter hinter den Löhnen zurückbleiben und das Rentenniveau damit sinkt.“ Die Fehler der Vergangenheit würden damit in die Zukunft fortgeschrieben, denn schon in den letzten 20 Jahren sei das Rentenniveau beständig gesunken, so Piel gegenüber unserer Redaktion.

Und wie wirkt sich die Inflation für Rentner aus?

Nachdem die Inflation 2021 auf 3,1 Prozent gestiegen ist, den höchsten Stand seit fast 30 Jahren, sind auch die Aussichten für das laufende Jahr wenig erfreulich: So geht die Bundesbank davon aus, dass die Inflationsrate auf 3,6 Prozent steigt. Besonders hart trifft die Inflation ärmere Haushalte, zu denen auch viele Rentner gehören. Denn sie müssen einen großen Teil ihres Einkommens für lebensnotwendige Güter wie Wohnen, Energie oder Lebensmittel aufwenden. 4,4 Prozent mehr Rente wären da willkommen, werden aber kaum Jubel auslösen.

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