Work-Life-BalanceFast gleiches Gehalt bei weniger Arbeitszeit – so kann es gelingen

Lesezeit 4 Minuten
Mehr Freizeit ist ein Wunsch vieler Arbeitnehmer.

Mehr Freizeit ist ein Wunsch vieler Arbeitnehmer.

Köln – Vollzeitjob, Freunde, Familie, Alltag – die richtige Work-Life-Balance ist für viele Berufstätige eine echte Herausforderung. Mehr noch: Immer mehr Menschen belastet der Spagat zwischen Berufs- und Privatleben. Die Lösung? Weniger arbeiten und das nach Möglichkeit ohne finanzielle Einbußen. Doch geht das überhaupt?

„In der Regel hat man die Abwägung, dass weniger Arbeitszeit auch mit weniger Gehalt verbunden ist“, sagt Lohnexperte Malte Lübker vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung. „Allerdings sind die Verdiensteinbußen auf Netto-Basis meist nicht proportional zur Verringerung der Arbeitszeit, da die Steuer progressiv gestaltet ist.“ Heißt: Aufgrund der Steuerprogression kann bei einer geringeren Wochenstundenzahl durchaus mehr übrig bleiben als gedacht. Denn wenn das Bruttoeinkommen sinkt, sinkt meist auch der Steuersatz, der Nettostundenlohn steigt also.

Steuerfreie Leistungen

Trotzdem gilt unterm Strich: Wer weniger arbeiten will, muss grundsätzlich finanzielle Einbußen in Kauf nehmen. Allerdings lassen sich diese durch ein paar Tricks etwas abfedern.

Musterberechnungen für eine Vier-Tage-Woche

Anhand von zwei Musterbeispielen hat Andreas Islinger von der Steuerberatungsgesellschaft Ecovis nachgerechnet, wie sich eine Vier-Tage-Woche bei verschiedenen Gehältern und Steuerklassen auswirkt:

Beispiel 1

Single, 35 Jahre, keine Kinder, Steuerklasse 1: Ausgangspunkt für die Berechnung ist ein Vollzeit-Brutto-Jahresgehalt von 60 000 Euro beziehungsweise bei einem 80-Prozent-Pensum in Höhe von 48 000 Euro. Von dem Brutto-Gehalt werden neben Lohn- und Kirchensteuer die Beiträge für Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie für die Pflegeversicherung abgezogen. Daraus ergibt sich in Vollzeit am Jahresende ein Nettogehalt von 35 597 Euro. Würde der Arbeitnehmer nur noch 80 Prozent arbeiten, läge sein Nettolohn bei 29 776 Euro also um 485 Euro pro Monat niedriger.

Beispiel 2

Verheiratet, 35 Jahre, zwei Kinder, Steuerklasse 4: Hier verhält es sich ähnlich wie in Beispiel 1. Bei einem Jahresgehalt in Höhe von 60 000 Euro bleibt nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben ein Nettogehalt in Höhe von 35 926 Euro. Wer einen Tag weniger in der Woche arbeitet, kommt am Ende des Jahres auf ein Nettogehalt in Höhe von 30 068 Euro. Im Monat macht das eine Differenz in Höhe von minus 488 Euro.

Denn es gibt Leistungen, die der Arbeitgeber seinen Angestellten steuerfrei oder zumindest steuerreduziert anbieten kann und wodurch netto mehr beim Arbeitnehmer ankommt. Hierzu zählen steuer- und sozialversicherungsfreie Sachbezüge. Dabei erhält der Mitarbeiter Gehaltsextras in Form von Waren oder Dienstleistungen wie beispielsweise Tankgutscheine oder Restaurant-Schecks. Bis zu 44 Euro im Monat sind diese steuer- und sozialversicherungsfrei. Aufs Jahr hochgerechnet reduziert sich so die Nettolücke um 528 Euro. Steuervergünstigungen gibt es auch, wenn der Arbeitgeber einen Urlaubszuschuss gewährt, der nur zu 25 Prozent versteuert werden muss. Die Freigrenze liegt pro Mitarbeiter jährlich bei 156 Euro. Für den Ehepartner können noch zusätzlich 104 Euro und für jedes Kind 52 Euro ausbezahlt werden. Für den Single macht das im Jahr weitere 117 Euro, die die Nettolücke reduzieren. Auch ein Diensthandy können Mitarbeiter steuerfrei nutzen – um hier den finanziellen Vorteil zu haben, gilt es aber den privaten Handyvertrag zu kündigen.

Die Rente dabei nicht vergessen

Steuerberater Andreas Islinger rät allerdings dazu, sich vor der Verkürzung der Arbeitszeit auch mit den Begleiterscheinungen zu befassen. „Es ist nicht nur zu bedenken, dass weniger Nettogehalt übrig bleibt. Durch geringere Rentenversicherungsbeiträge reduziert sich auch die gesetzliche Rente.“

Denn verringert ein Arbeitnehmer wie im Musterbeispiel dargestellt sein Gehalt, so führe dies nach zehn Jahren Teilzeit zu einer Reduzierung der gesetzlichen Rente um etwa 100 Euro pro Monat, sagt Islinger. „Diese Rentenlücke sollte beachtet und je nach Bedarf geschlossen werden.“ Damit ist klar: Wer auf eine Vier-Tage-Woche reduziert, sollte dringend privat vorsorgen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Trotz der geringeren Rentenansprüche wollen vor allem jüngere Generationen nicht mehr ihre komplette Zeit im Büro verbringen. Stattdessen wird Leistungsfähigkeit durch genügend Ausgleich, zusehends zum Leitsatz. Erste Arbeitgeber haben das erkannt und lassen ihre Angestellten für das gleiche Geld weniger arbeiten. Bei manchen sieht das so aus, dass sie die 40-Stunden-Woche auf vier Tage verteilt haben, andere haben den Fünf-Stunden-Tag eingeführt. Möglich macht das die Digitalisierung: „Die Technologie optimiert und beschleunigt Arbeitsprozesse“, sagt Nick Marten vom Onlineportal Gehalt.de.

Option Jobsharing

Dabei müssten solche Arbeitszeitmodelle noch nicht mal flächendeckend für das gesamte Unternehmen gelten. Vielmehr ließen sie sich auch individuell vereinbaren und einführen, so Marten. Um dem Ziel weniger zu arbeiten bei gleichem Gehalt näher zu kommen, kann man sich laut Marten zudem von einer Fach- zu einer Führungskraft weiterentwickeln und sich diese Position dann mit einer anderen Person teilen. Das sogenannte Jobsharing wurde in Deutschland in den letzten Jahren immer beliebter. „Der Wechsel in eine Führungsposition ist immer auch mit einem Gehaltssprung verbunden. Als Teilzeitführungskraft bekommt man also ein ähnlich starkes Gehalt wie vorher, mit dem Unterschied, dass man nun weniger arbeitet“, sagt Marten.

Rundschau abonnieren