Bittere Flut-BilanzWiederaufbau in der Region dauert noch viele Jahre

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Erftstadt Wiederaufbau

Schwieriger Wiederaufbau: Baumaschinen arbeiten an der Autobahn A1 bei Erftstadt, um die weggespülte Fahrbahn zu erneuern. 

  • Drei Monate nach der Hochwasserkatastrophe sind enorme Müllberge aus den Gebieten abtransportiert worden.
  • Doch viele Probleme bleiben: Handwerker fehlen, die Internetverbindung ist schlecht – und vielerorts fehlen Heizungen.

Der Aufbau der von der Hochwasserkatastrophe getroffenen Regionen in NRW dürfte nach Einschätzung von Rathausspitzen noch bis zu zehn Jahre dauern. „Wir sind derzeit noch nicht wirklich im Wiederaufbau“, erkläre Ludger Banken (parteilos), Bürgermeister von Rheinbach, am Mittwoch bei einer ersten Zwischenbilanz der Landesregierung drei Monate nach der Flut. Die Kommunen rufen nach dauerhafter personeller Unterstützung durch das Land und fordern unkomplizierte Baugenehmigungen.

Die Lage bleibt angespannt: Mancherorts funktioniert das Internet nicht, Handwerker fehlen, und die Angst vor einem kalten Winter in unbeheizten Bauruinen nimmt zu. In Bad Münstereifel, wo die Altstadt zerstört wurde, „fallen Telefon und Internet immer mal wieder aus“, so Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian (CDU). Es fehlten Experten für den Aufbau der Fachwerkhäuser, und die Bahn-Anbindung dürfte erst Ende 2023 wieder funktionieren. In Eschweiler wurde in drei Monaten eine Müll-Menge abtransportiert, die sonst in 27 Jahren anfällt. Jeder vierte Bürger zählt zu den Geschädigten. „Noch immer werden täglich 250 Schülerinnen und Schüler in andere Orte gefahren“, so Bürgermeisterin Nadine Leonhardt (SPD).

In NRW bisher 5500 Anträge zur Fluthilfe

Laut NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) haben seit dem Start der Förderung vor 30 Tagen rund 5500 Privathaushalte und Wohnungsunternehmen Geld aus dem für NRW 12,3 Milliarden Euro schweren Aufbaufonds beantragt. Rund 16000 Betroffene hätten sich bisher registrieren lassen. Das Land rechnet bis zum Sommer 2023 mit bis zu 100000 Anträgen. 5500 zu diesem Zeitpunkt seien viel, findet Scharrenbach. Kritik an den besonders für Ältere komplizierten Online-Anträgen wies sie zurück. Online-Anträge könnten schneller und besser bearbeitet werden.

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Schwierig gestaltet sich für die Bürger die Suche nach Handwerkern. Die Kommunen suchen indes händeringend Städtebau- und Stadtplaner. „Diese Experten sind schwer zu finden“, sagte Nadine Leonhardt. NRW will daher einen Aufruf an pensioniertes Verwaltungspersonal richten und sie bitten, vorübergehend in den Dienst zurückzukehren.

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Viele Betroffene haben noch keine Heizung. Bei kleinen Anlagen (Radiatoren) gebe es bisher keine Engpass-Meldungen wie zuvor bei Bautrocknern, so Scharrenbach. Die Frage, ob geschädigte Gebäude mit modernen, nachhaltigen Heizungen ausgerüstet werden sollten, sei pauschal nicht zu beantworten. Bei Neubauten mache dies Sinn. Bei Teilzerstörung stehe die Schnelligkeit im Vordergrund.

Seit Mittwoch können Kommunen sowie Träger von Bildungs-, Kultur- und Sporteinrichtungen – zum Beispiel Kirchen, Vereine und Stiftungen – Geld aus dem Wiederaufbaufonds NRW beantragen. Vereine bekommen für Schäden an ihrem Inventar eine Pauschale von bis zu 15000 Euro. Das Online-Förderportal ist erreichbar unter wiederaufbau.nrw/onlineantrag.

Warnung per SMS frühestens ab Herbst 2022

Der Präsident des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Armin Schuster, erwartet die Einführung des Warnsystems „Cell Broadcast“ nicht vor Herbst nächsten Jahres. „Wenn man ein bisschen Druck macht, kann man es bis zum dritten Quartal 2022 schaffen“, sagte Schuster gestern im Radioprogramm SWR Aktuell.

Teilweise hätten die Pläne dafür bereits vor der Flutkatastrophe fertig in der Schublade gelegen, sagte Schuster weiter. Deshalb habe auch der Bundestag schnell über das Sirenen-Förderprogramm und das digitale Warnschutzsystem „Cell Broadcast“ entscheiden können. Jetzt müssten jedoch die Mobilfunkbetreiber liefern.

Deutschland ist laut dem Katastrophenschutz-Präsidenten mit seinen Bemühungen zur Aktualisierung der Warninfrastruktur im europäischen Vergleich relativ weit vorne. Das Gesetz sei geändert, und jetzt werde an der Umsetzung gearbeitet. „Und dann sind wir, wenn wir es nächstes Jahr geschafft haben, nicht eines der letzten, sondern noch eines der ersten Länder“, sagte Schuster, der seit Dezember vergangenen Jahres das Bundesamt leitet.

Das Warnsystem soll es ermöglichen, an alle Handys in der Funkzelle eines Katastrophengebiets eine Textnachricht zu verschicken, auch ohne die jeweilige Rufnummer des Empfängers zu kennen.

Die Einführung der in anderen Ländern bereits verwendeten Technologie war nach der Hochwasserkatastrophe im Juli im Westen Deutschlands gefordert worden, bei der mindestens 180 Menschen ums Leben gekommen waren. (afp)

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