Porträt der KölnerinSerap Güler – Armin Laschets Frau fürs Moderne

Lesezeit 5 Minuten
Serap Güler

Serap Güler

Düsseldorf – Wenn Serap Güler nicht einen Hang zu westfälischer Pünktlichkeit hätte, würde sie heute womöglich im Team von Annalena Baerbock kämpfen. Die nordrhein-westfälische Staatssekretärin für Integration stand 2006 kurz vor der Magisterprüfung, als sie von einer Vortragsveranstaltung mit Cem Özdemir an der Universität Köln hörte. Für Migrantenkinder ihrer Generation war der Grünen-Politiker damals ein leuchtendes Vorbild, weil er es als „anatolischer Schwabe“ bis in die Spitze der Bundespolitik geschafft hatte.

Güler kam etwas zu früh in Köln an. Ein gewisser Armin Laschet von der CDU hielt als neuer NRW-Integrationsminister noch sein Grußwort. Unvermittelt wurde die Studentin vom Kameramann eines türkischen TV-Senders gebeten, doch ihre hervorragenden Deutschkenntnisse einzusetzen, um dem Minister später ein paar Fragen zu stellen. Aus der Zufallsbegegnung entstand eine enge politische Beziehung.

Seit Jahre Laschets Vertraute

Serap Güler gehört seit Jahren zu Laschets kleinstem Kreis aus Vertrauten. Wenn der Kanzlerkandidat der Union demnächst sein Wahlkampf-Team präsentiert, gilt die 40-Jährige als Expertin für die Einwanderungsgesellschaft als gesetzt. Ihr wird der Posten als Staatsministerin im Kanzleramt zugetraut. Es wäre der vorläufige Höhepunkt einer sehr ungewöhnlichen CDU-Karriere. Güler wuchs als Tochter anatolischer Einwanderer im nördlichen Ruhrgebiet auf. Ihr kürzlich verstorbener Vater schuftete als Bergmann auf der Zeche „Auguste Viktoria“ in Marl, die Mutter ging putzen. Weil es die deutschen Nachbarn in den seinerzeit noch intakten Arbeitersiedlungen des Reviers gut mit der jungen Serap meinten, lernte sie schnell Deutsch. Sie übersetzte für die Eltern bei Ärzten und Ämtern, schaffte das Abitur, absolvierte eine Ausbildung im Hotel und studierte an der Universität Essen Germanistik und Kommunikationswissenschaften.

Bekennende Muslima in der CDU

Laschet machte aus ihr eine Politikerin. Güler fing als Referentin für türkische Medien bei ihm im Integrationsministerium an. 2010 wurde sie deutsche Staatsbürgerin, 2012 Landtagsabgeordnete in Düsseldorf und sofort Mitglied des CDU-Bundesvorstands. Als Laschet 2017 Ministerpräsident wurde, ernannte er Güler zur Staatssekretärin für Integration. Als bekennende Muslima in einer C-Partei schlug ihr lange Misstrauen entgegen. Mancher reduzierte sie auch auf ihr Äußeres. Der frühere SPD-Integrationsminister Reiner Schmeltzer kanzelte sie mal als „gut aussehende, schwarzhaarige Dame“ ab. Güler wird in Teilen der CDU bis heute dafür verantwortlich gemacht, dass Laschet lange den Spottnamen „Türken-Armin“ trug und als „Experte für Ramadan, Zuckerfest und die fünf Säulen des Islam“ abseits des Markenkerns verortet wurde. Vor 15 Jahren schrieb sie ihm für einen Auftritt auf einem Kulturfest die türkischen Worte „Evet yapabiliriz“ ins Redemanuskript: Ja, wir können. Ein orientalischer Obama. Die Menge war begeistert, die Traditionsbataillone der Union weniger.

Laschet hat sich über Güler gezielt eine wachsende Gesellschaftsschicht erschlossen, die man mit konservativen Leitkultur-Debatte nicht erreicht. Er empfindet tiefen Respekt für viele dieser Aufstiegsbiografien und kann als Katholik, der selbst im Gemeindehaus in Aachen-Burtscheid sozialisiert wurde, an gelebter Religiosität von Muslimen nichts Schlechtes finden. Bei der Bundestagswahl werde Laschet in der türkischstämmigen Wählerschaft punkten, glaubt Güler: „Merkel ist sehr, sehr beliebt. Aber wenn jemand noch beliebter bei vielen dieser Menschen ist, dann ist es Armin Laschet.“

Laschets Frau fürs Moderne

Laschet und Güler duzen sich schon lange, gehen in Pausen gerne zusammen eine rauchen und verfügen über ein ähnlich lebhaftes Temperament. Sie ist seine Frau fürs Moderne, seine Volkspartei-Versicherung, eine Art Anti-Merz im weiten Kosmos der Union. Irgendwie der lebende Beweis, dass all das Gerede über Laschet als rückständiger „Helmut Kohl 2.0“ und seine angeblich fehlende Abgrenzung zum rechten Rand Unsinn sind. Die Wahl-Kölnerin Güler tritt bei der Bundestagswahl im Wahlkreis Leverkusen/Köln-Mülheim gegen den populären SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach an. Sie will zeigen, dass die CDU auch in Großstädten gewinnen kann. Mit einem frischen Auftritt, mit unkonventioneller Ansprache.

Anders als die meisten Kabinettsanwärter, die den möglichen nächsten Kanzler Laschet aktuell umschwirren, ist Serap Güler nicht in der Jungen Union auf das Leben als Berufspolitiker vorbereitet worden. All die Seilschaften und Sandkastenspiele in den Gremien, die frühe Simulation von großer Politik, fehlen ihr. Man merkt es bisweilen an impulsiven Vorstößen, die auch für Laschet noch zum Problem werden könnten. Nach der demokratisch völlig korrekten Wahlkreis-Nominierung des umstrittenen früheren Verfassungsschutz-Präsidenten Hans-Georg Maaßen etwa nannte Güler die Parteifreunde in Südthüringen per Twitter „irre“ und schimpfte: „Ihr habt echt den Knall nicht gehört!“

Das könnte Sie auch interessieren:

Ungestüm geraten auch schon mal Abgrenzungsversuche zum konservativen Islam. So startete Güler 2018 einen unabgestimmten Vorstoß für ein Kopftuch-Verbot für junge Schul- und Kita-Kinder. Es sei „pure Perversion“, nicht religionsmündigen Mädchen ein Kopftuch überzustülpen, sagte Güler, die sich einst selbst bewusst gegen jede Verschleierung entschieden hatte. Am Ende ließ sich das Verbot gar nicht rechtssicher umsetzen.

Für Aufsehen sorgte Güler ebenso 2019, als sie per Twitter ihren Ehemann als „Typ auf meiner Couch“ bloßstellte, der heimlich die TV-Kuppelshow „Bachelor“ schaue. Solchen Brachial-Humor war man bis dahin von einer CDU-Staatssekretärin nicht gewohnt. Dass Güler immer wieder aus der Formelsprache der Politik ausbricht, macht sie zugleich für Laschet so wertvoll. Es gibt nicht viele in seinem Team, die in Jeans und Lederjacke in grünen Großstadt-Milieus bestehen können.

Angstfrei scheint Güler überdies zu sein: Wer laufend gleichermaßen von Rechtspopulisten wie von türkischen Nationalisten attackiert wird, muss hartgesotten sein. Als zuletzt im finalen Machtkampf um die Kanzlerkandidatur die ersten CDU-Promis bereits von Laschet abrückten, hielt Güler ihrem Chef demonstrativ die Treue. Bei einem Familienbesuch in Marl ließ sie sich sogar eilig aus der Wohnung ihrer Eltern für eine Verteidigungsrede auf Laschet in die Sendung „Maischberger“ schalten. Das ungleiche Duo Laschet/Güler wird nach dem 26. September wohl in Berlin weiter machen.

Rundschau abonnieren