Nur neun Tage gefehlt

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EUSKIRCHEN. Vielen ist der Mann unbequem, der lächelnd über seine Vergangenheit spricht: Oberstudiendirektor Hans-Dieter Arntz vom Euskirchener Gymnasium Marienschule hat nicht nur für seine Forschung über die Geschichte der Judenverfolgung in der Voreifel viel Kritik einstecken müssen, sondern genießt auch bei seinen Schülern einen Ruf, der vor allem Drückebergern Angst macht.

Gerade mal neun Tage hat der Sozialwissenschaftler in vierzig Jahren Schuldienst gefehlt, bekennt er stolz. Neun Tage, an denen er nicht sprechen konnte, weil er heiser war.

„Ich habe Glück, weil ich gesund bin“, lächelt Arntz, „und meine Schüler wussten immer, dass ich nie fehle, zumindest so gut wie nie.“

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Heute Morgen erhält der Oberstudienrat, der im Juni 65 Jahre alt wird, seine Jubiläumsurkunde, weil er am 1. April exakt 40 Jahre im Schuldienst ist - für einen Oberstudienrat eine Seltenheit, denn kaum einer schaffte es, schon mit 25 Jahren Gymnasiallehrer zu werden.

Auch Arntz nicht, der 1966 seine Laufbahn als Volksschullehrer an der Paul-Gerhardt-Schule in Euskirchen begann, dann auf die Nordschule wechselte und durch ein begleitendes Studium die Befähigung zum Gymnasiallehrer erlangte.

„Trotz des Studiums habe ich damals keinen Tag Unterricht versäumt“, lacht Arntz. 1973 wechselte er als Gymnasiallehrer an die Euskirchener Marienschule und schrieb fortan als Historiker Geschichte.

Denn der Sozial- und Erziehungswissenschaftler Hans-Dieter Arntz, der in den 60er Jahren als Kritiker für die Bonner Rundschau die Jazzszene beleuchtete, nahm sich die regionale Geschichte vor, erforschte die Geschichte der Juden in Eifel und Voreifel.

Als er 1978 die Geschichte der Juden in der Eifel untersuchte, wusste er noch nicht, dass ihm das 1982 mächtigen Ärger einbringen würde. Der Euskirchener Stadtrat wollte die Veröffnetlichung des Buches „Judaica“ nicht unterstützen.

Ein weltweiter Sturm der Entrüstung folgte. Selbst Literaturnobelpreisträger Heinrich Böll und der russische Schriftsteller Lew Kopelew schalteten sich ein. 1982 veröffentlichte der Historiker einen Beitrag über „Religiöses Leben der Kölner Juden im Ghetto von Riga“. Die Arbeit erschien isralischen Historikern derart wertvoll, dass sie in die Yad-Vashem-Dokumentensammlung aufgenommen wurde, die Sammlung über „religiöses Leben im Holocaust“.

Arntz hat es der Bevölkerung zu verdanken, dass in Euskirchen, Flamersheim, Mechernich, Kommern und Rheinbach Mahnmale zur Erinnerung an die jüdischen Gemeinden aufgestellt wurden.

Der Geschichtsforscher hat nicht nur die jüdische Geschichte in Eifel und Voreifel dokumentiert, sondern auch die Bedeutung der Nazi-Ordensburg Vogelsang sowie die Ereignisse zum Kriegsende 1944 / 45 zwischen Ardennen und Rhein. Zahlreiche Bücher hat Arntz verfasst, unzählige Beiträge für Zeitungen und Publikationen veröffentlicht.

Arntz hat viele bekannte Persönlichkeiten in seinem Leben kennengelernt und auch die Begegnungen mit früheren Größen des Nazi-Regimes nicht gescheut. So unterhielt er sich mit dem früheren Gauleiter Köln-Aachen, Josef Grohé ebenso wie mit Hitlers Chefpiloten Hans Baur.

Aber auch der „Judenälteste“ des Konzentrationslagers Bergen-Belsen, Joseph Weiss aus Flamersheim, hat Arntz bei seinen Forschungen unterstützt und zu der Erkenntnis beigetragen, dass Anne Frank, die Verfasserin des Berühmten Tagesbuchs, nicht in Auschwitz, sondern in Bergen-Belsen umkam.

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