„Klimaschutzplan 2030“So will die Bundesregierung das Klima retten

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Merkel dpa

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), bei der Pressekonferenz zu den Ergebnissen der Sitzung des Klimakabinetts der Bundesregierung.

  • Mit ihrem „Klimaschutzplan 2030“ hat die Bundesregierung erste Maßnahmen vorgelegt, um massiv Treibhausgase einzusparen.
  • Doch können die Ziele mit dem Plan eingehalten werden?
  • Die Beschlüsse im Detail.

Berlin – Bis 2030 muss die Bundesregierung dafür sorgen, dass Deutschland mindestens 55 Prozent seiner Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 einspart. Dann dürfen nur noch rund 560 Tonnen CO2 und andere Gase aus Deutschland in die Atmosphäre gelangen. Im vergangenen Jahr waren es aber noch mehr als 860. Diese Zielmarke ist unumstößlich, Deutschland hat sich international dazu verpflichtet. Der „Klimaschutzplan 2030“, dessen Eckpunkte die Regierung am Freitag nach Marathonverhandlungen vorgelegt hat, soll dazu geeignet sein. Wie groß ist die Aussicht auf Erfolg? Eine Bewertung der wichtigsten Maßnahmen.

Verkehr und Gebäude

Der Verkehrssektor ist der einzige Bereich, in dem es seit 1990 keine CO2-Einsparungen gab. Maximal 98 Millionen Tonnen CO2 dürfen Verkehrsteilnehmer 2030 noch ausstoßen. Bisherige Maßnahmen zielen auf 150 Millionen Tonnen ab – mehr als 50 Millionen Tonnen müssen also die neuen Pläne einsparen. Auch im Gebäudesektor ist bislang zu wenig passiert.

CO2-Preis

Kernstück des Klimaschutzes soll die Einführung eines Preises für den CO2-Ausstoß für den Verkehrs- und den Gebäudesektor sein. Denn bisher muss lediglich die Industrie über den europäischen Handel mit Zertifikaten dafür bezahlen, dass sie Treibhausgase produziert. Künftig sollen auch Autofahrer, Hausbesitzer und Mieter zur Kasse gebeten werden. Je klimaschädlicher sie sich verhalten, desto teurer soll es für sie werden.

Die Regierung beginnt jedoch im Jahr 2021 mit einem sehr niedrigen CO2-Preis. Er soll mit zehn Euro pro Tonne CO2 ab 2021 um mehr als die Hälfte geringer sein als der aktuelle Zertifikatepreis für die Industrie von rund 26 Euro pro Tonne CO2. Schon der Industriepreis wird von Umweltschützern als zu gering angesehen, um ausreichende Wirkungen zu erzielen. Der Festpreis für Verkehr und Gebäude soll laut dem Koalitionsbeschluss 2022 auf 20 Euro, 2023 auf 25 Euro, 2024 auf 30 und 2025 auf dann 35 Euro angehoben werden. Dadurch steigt der Benzinpreis den Berechnungen zufolge um zunächst drei Cent pro Liter und später um bis zu zehn  Cent.

Ab 2026 soll eine maximale Emissionsmenge für den CO2-Ausstoß im Verkehr und bei den Gebäuden staatlich festgelegt werden, die Jahr für Jahr geringer wird. Ebenfalls 2026 wird dann der nationale Handel mit Verschmutzungszertifikaten eingeführt. Die Auktionierung der Zertifikate soll in einem Preiskorridor zwischen 35 und 60 Euro pro Tonne CO2 stattfinden.   Später soll der nationale Handel in einem europäischen Handel münden, denn elf andere EU-Länder haben ihn ebenfalls bereits etabliert und die Koalition setzt darauf, dass er dann auch EU-weit möglich wird.

Pendlerpauschale

Parallel zur CO2-Bepreisung erhöht die Koalition bereits 2021 die Pendlerpauschale von derzeit 30 Cent pro gefahrenem Kilometer zur Arbeit auf 35 Cent. Die Maßnahme wird  bis Ende 2026 befristet und gilt ab dem 21. Kilometer. Arbeitnehmer können demnach ab 2021 höhere Kosten für den Arbeitsweg von der Steuer absetzen.

Elektromobilität

Um die CO2-Emissionen im Verkehrssektor zu reduzieren, setzt die Regierung voll auf den Ausbau der Elektromobilität und des ÖPNV. Bis 2030 soll die Zahl der öffentlich zugänglichen Ladepunkte auf eine Million steigen. Bis 2030 sollen sieben bis zehn  Millionen Elektrofahrzeuge zugelassen sein. Für reine Elektro-Dienstwagen bis zu einem Preis von 40.000 Euro will sie daher die Dienstwagensteuer von 0,5 auf 0,25 Prozent des Listenpreises absenken. Zudem sollen die staatlichen Kaufprämien für kleinere Elektroautos bis 40.000 Euro nochmals angehoben werden – um wie viel lässt die Regierung aber noch offen. Die Kfz-Steuerbefreiung für E-Autos soll bis 2025 verlängert werden. 

ÖPNV

Für den Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) erhöht der Bund seine Mittel ab 2021 auf jährlich eine Milliarde Euro und ab 2025 auf jährlich zwei Milliarden Euro.

Bahn- und Flugtickets

Bereits zum 1. Januar 2020 will die Regierung die Luftverkehrsabgabe „in dem Umfang erhöhen, damit im Gegenzug die Mehrwertsteuer auf Bahnfahrkarten im Fernverkehr von 19 auf den ermäßigten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent gesenkt werden kann“, heißt es im Eckpunktepapier der Regierung. Damit solle Bahnfahren um zehn Prozent günstiger werden. Die Bahn kündigte an, dass sie auch auf die im Herbst übliche Erhöhung der Ticketpreise in diesem Jahr verzichten werde. Der Bund  will das Eigenkapital der Bahn zudem von 2020 bis 2030 jährlich um ein  Milliarde Euro erhöhen, damit sie mehr investieren kann.

Kfz-Steuer

Ab 2021 will die Regierung die Kfz-Steuer für Neuzulassungen so umgestalten, dass sie „hauptsächlich auf die CO2-Emissionen pro Kilometer“ bezogen bezogen wird. Für  Autos mit Emissionen über 95 Gramm CO2 pro Kilometer soll die Steuer in  zwei Stufen erhöht werden. So sollen Kaufanreize für sparsame Autos entstehen.

Lkw-Maut

Auf die Lkw-Maut soll es ab 2023 einen CO2-Aufschlag geben. Dadurch will Finanzminister Olaf Scholz (SPD) mehr Geld einnehmen und es in andere Maßnahmen investieren.

Ölheizungen

Das Einbauverbot von Ölheizungen gilt ab 2026. Außerdem sollen effiziente Anlagen gefördert werden. 

Fazit

Ifo-Chef Clemens Fuest sieht vor allem im Ausbau des ÖPNV ein erfreuliches Detail.  Die Vorgabe von festen CO2-Preisen bis 2025 sei jedoch mit einem funktionierenden Zertifikatesystem unvereinbar, außerdem seien die Preise zu gering. Das Hauptproblem: Der niedrig angesetzte CO2-Preis sorgt etwa in Kombination mit einer Erhöhung der Pendlerpauschale eher dafür, dass mehr Menschen auf das Auto umsteigen. Und die geplanten Vergünstigungen bei der Bahn von rund zehn Prozent dürften kaum ins Gewicht fallen. Zudem kritisieren Experten, dass bis 2026 noch Ölheizungen verbaut werden dürften, die 20 bis 30 Jahre halten. Das sei das Gegenteil zukunftsorientierter Klimapolitik. „Die Bundesregierung hat einen sehr defensiven und mutlosen Plan ausgearbeitet“, fasst der Chef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Gabriel Felbermayer, die Pläne zusammen.

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Energie und Wirtschaft

Der Löwenanteil der CO2-Emissionen kommt aus dem Energiesektor, 2016 waren es fast 38 Prozent. Mit dem Kohleausstieg will die Bundesregierung viel CO2 einsparen. Der Ausbau Erneuerbarer Energien auf 65 Prozent bis 2030 ist ein weiteres zentrales Ziel.

Kohlekraft 

Bis spätestens 2038 soll Deutschland aus der Kohleverstromung ausgestiegen sein. In dem Eckpunktepapier wird auf ein entsprechendes Gesetz verwiesen, das im November vom Kabinett verabschiedet werden soll. 

Windkraft

Die Bundesregierung will den zuletzt zum Erliegen gebrachten Ausbau von Windkraftanlagen wieder ankurbeln. Auf See sollen im Jahr 2030 Windanlagen mit einer Leistung von 20 Gigawatt laufen. Zugleich hält die Bundesregierung aber an Mindestabstandsregeln von 1000 Metern fest. Auch die noch weitergehende Abstandsregelung in Bayern darf weiter Bestand haben.

Solarenergie

Die Deckelung der Förderung von Photovoltaikanlagen auf insgesamt 52 Gigawatt soll fallen. Diese bisher geltende Grenze wird voraussichtlich im kommenden Jahr erreicht, danach hätte es keine Zuschüsse für Dachanlagen gegeben.

Stromrechnung

Bei allen Mehrbelastungen durch Klimaschutzmaßnahmen sollen die Bürger beim Strom künftig sparen können. Was über den CO2-Preis reinkommt, indem der Staat zum Beispiel Ölkonzernen Verschmutzungsrechte verkauft, soll finanzieren, was die Stromrechnung derzeit verteuert: Die Ökostromumlage, Netzentgelte, Umlagen und Abgaben. Ab 2021 wird die EEG-Umlage erst mal um 0,25 Cent pro Kilowattstunde gesenkt. Ein Mehrpersonenhaushalt, der zum Beispiel 4000 Kilowattstunden pro Jahr verbraucht, kann so 1000 Euro sparen.

Landwirtschaft

Der Agrarsektor soll durch geringeren Einsatz von Düngemitteln und eine Steigerung des Anteils des Ökolandbaus emissionsärmer werden. Moore sollen besser geschützt werden. Außerdem sollen Bürger durch Verpackungslabel zu einem nachhaltigeren Fleischkonsum gebracht werden.

Fazit „Energie und Wirtschaft“

Ein Schlüsselfaktor zur Senkung der Treibhausgasemissionen ist der Ausbau Erneuerbarer Energien. Weil aber die Bundesregierung davor zurückgeschreckt ist, die Abstandregeln bei der Windkraft abzuschwächen, wird es weiterhin bei stark eingeschränkten Ausbauflächen bleiben. Wie so mehr Windkraftanlagen entstehen sollen, wird im Eckpunktepapier nicht deutlich. Auch die Kritik an einem zu späten Kohleausstieg bleibt bestehen. Ob alle Maßnahmen also ausreichen, um die Klimaziele 2030 zu erreichen? Eher nicht.  

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