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„Mann, der seine Grenzen nicht kennt“Erdogan greift Außenminister Maas persönlich an

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Der türkische Präsident Erdogan (re.) bezeichnete Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) als „politischen Dilettanten“. (Archivbild)

Istanbul/Washington – Eine Woche nach dem Einmarsch der Türkei in Nordsyrien hat Präsident Recep Tayyip Erdogan US-Forderungen nach einer Waffenruhe mit der Kurdenmiliz YPG zurückgewiesen. „Wir können niemals eine Waffenruhe erklären“, sagte Erdogan nach einem Bericht des Senders CNN Türk von Dienstagabend vor türkischen Journalisten. Zuerst müsse die Türkei ihr Ziel erreichen und das sei die Einrichtung einer sogenannten Sicherheitszone entlang der Grenze und die Vertreibung der YPG. Zugleich bezeichnete Erdogan Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) als „politischen Dilettanten“. Unterdessen wurden zwei syrische Regierungssoldaten in Nordsyrien getötet - laut Aktivisten durch Beschuss türkischer Truppen.

Erdogan äußerte sich kurz vor dem Besuch einer US-Delegation mit US-Vizepräsident Mike Pence und Außenminister Mike Pompeo in Ankara. Für Donnerstag ist nach Angaben des Weißen Hauses ein bilaterales Treffen zwischen Pence und Erdogan geplant. Das bestätigte am Mittwoch Erdogans Kommunikationsdirektor Fahrettin Altun auf Twitter.

Türkei beruft sich auf Recht auf Selbstverteidigung

Zum Sender Sky News hatte Erdogan, angesprochen auf die Delegation, zuvor gesagt, dass er nicht mit ihr zusammenkommen werde. „Ich werde sie nicht treffen. Sie werden ihre Amtskollegen treffen.“ Er werde mit Präsident Donald Trump sprechen. Altun twitterte, dass es bei der Absage um eine US-Delegation gegangen sei, die am Mittwoch in Ankara sei. 

Alles zum Thema Donald Trump

Die Türkei hatte vor einer Woche die seit langem geplante Offensive gegen die Kurdenmiliz YPG begonnen. Ankara begründet den Einsatz mit dem Recht auf Selbstverteidigung. Die Türkei betrachtet die Kurdenmiliz YPG sowie deren politischen Arm PYD als Terrororganisationen. Die von der YPG angeführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) waren dagegen ein wichtiger Partner der USA im Kampf gegen die Terrormiliz IS. International wird der türkische Einmarsch in Nordsyrien scharf kritisiert.

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Die US-Regierung hatte am Montag Sanktionen gegen die Türkei verhängt und eine Waffenruhe gefordert. Unter anderem wurden zwei Ministerien und drei Minister mit Strafmaßnahmen belegt. Erdogan sagte, die USA übten auf die Türkei Druck aus, um den Einsatz zu stoppen. „Unser Ziel ist klar“, sagte Erdogan. Sein Land mache sich über Sanktionen keine Sorgen.

Über die Flut von Tweets seines Kollegen in Washington spottete Erdogan: „Wir haben bisher die Äußerungen von Trump auf Twitter gelesen, doch wir sind an den Punkt gelangt, da wir diese Tweets nicht mehr verfolgen können.“

Erdogan spottet

Auch von der Einschränkung deutscher Rüstungsexporte zeigte sich der türkische Präsident wenig beeindruckt. Erdogan griff Bundesaußenminister Maas sogar persönlich an. „Da kommt der deutsche Außenminister - ein Mann, der seine Grenzen nicht kennt - und sagt: ‚Wir werden der Türkei keine Waffen verkaufen.‘“ Erdogan spottete: „Wir sind am Ende.“ Nicht er sondern Deutschland werde verlieren. Maas habe außerdem keine Ahnung von Politik - er sei ein „Dilettant“. „Wenn du etwas von Politik verstehen würdest, würdest du nicht so sprechen“, sagte Erdogan an Maas gewandt.

Deutschland hatte als bisher einzige Sanktion seine Rüstungsexporte an die Türkei teilweise gestoppt. Rüstungsgüter, die nicht in dem Konflikt genutzt werden können, dürfen aber weiterhin exportiert werden.

Syrische und russische Armee patrouilliert in Nordsyrien

Die USA wollen mit Sanktionen als Druckmittel und Pences Vermittlungsmission einen Waffenstillstand in Nordsyrien erreichen. Trump sagte am Dienstag in Washington, die US-Regierung habe bereits „starke“ Strafmaßnahmen gegen die Türkei verhängt. Er betonte aber, die Sanktionen könnten ausgeweitet werden, wenn die bisherigen Schritte keine Wirkung zeigten. Trump hatte mit dem Abzug von US-Soldaten aus der Region selbst den Weg für die türkische Offensive freigemacht. Das empfanden die Kurdenmilizen als Verrat.

Die von Kurdenmilizen geführte SDF hat sich inzwischen hilfesuchend an Damaskus und Moskau gewandt, bezeichnete die Vereinbarung aber als „schmerzhaften Kompromiss“. Truppen des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad und der verbündeten russischen Armee patrouillieren nun in Nordsyrien. US-Truppen waren am Dienstag aus dem Ort Manbdisch abgezogen und überließen Assad und Russland das Gebiet.

Angeblich zwei tote syrische Soldaten

Erdogan sagte laut CNN Türk, Regierungstruppen in Manbidsch seien für die Türkei „nicht sehr negativ“. „Warum? Im Endeffekt ist es ihr Territorium. Für mich ist wichtig, dass dort keine Terrororganisationen bleiben.“ Damit meint Erdogan die YPG.

Aktivisten zufolge nahmen türkische Truppen und ihre Verbündeten in der Nacht zu Mittwoch ein Gebiet östlich der Stadt Ain Issa unter Beschuss und töteten zwei Soldaten der syrischen Regierung. Weitere wurden verletzt. Eine Granate sei auf einem Posten eingeschlagen. Bei dem Angriff wurden nach Angaben der Aktivisten auch neun SDF-Kämpfer und 21 pro-türkische Rebellen getötet.

Einladung Putins an Erdogan

Es wären die ersten beiden Todesfälle in den Reihen der syrischen Armee durch eine direkte Konfrontation mit türkischen Truppen seit Beginn der türkischen Militäroffensive vor einer Woche.

Die Regierungen in Ankara und Damaskus äußerten sich zunächst nicht zu dem Angriff. Nach Angaben des Kremls will der russische Präsident Wladimir Putin mit Erdogan aber bei einem persönlichen Gespräch klären, wie sich eine direkte Konfrontation syrischer und türkischer Truppen im Bürgerkriegsland vermeiden lässt. Dazu hat Putin seinen türkischen Kollegen nach Russland eingeladen. Russland unterstützt den syrischen Präsidenten al-Assad.

An diesem Mittwoch will sich auch der UN-Sicherheitsrat in New York erneut mit dem Nordsyrien-Konflikt befassen. Schon am vergangenen Donnerstag hatten Deutschland und fünf weitere EU-Länger per Mitteilung ein Ende der Offensive gefordert. Der Rat hatte sich aber nicht geschlossen auf eine gemeinsame Mitteilung einigen können. (dpa) 

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