CDU-PolitikerDas macht Wolfgang Bosbach nach seinem Rückzug aus der Politik

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Wolfgang Bosbach

Wolfgang Bosbach im Februar 2018

Bergisch Gladbach – Wolfgang Bosbach ist in großer Eile. Gehetzt kommt er zum morgendlichen Interview an seinem Heimatort Bergisch Gladbach nahe Köln. Man erwartet ihn schon wenig später zu einem Empfang. Mittags will er mit dem Auto nach Darmstadt eilen, mit Schülern diskutieren. Abends zwei Redeauftritte in Hessen.

Hatte sich der CDU-Innenexperte nicht gerade im Oktober aus dem Politikgeschäft zurückgezogen? Nach 23 Jahren im Bundestag war er nicht mehr angetreten. Weil der Konservative öfters quer stand zum Kurs der CDU-Führung, aber auch um mehr Zeit zu haben. Danach sieht es nicht aus. Kann jemand, der seit Jahrzehnten Politik macht, sie als „Lebenselixier“ bezeichnet, gar nicht mehr ohne?

„Im Moment hat sich mein Leben noch nicht so sehr geändert, mit einer einzigen Ausnahme: Jede Zuschrift oder Einladung beginnt mit dem Satz: „Jetzt, wo Sie mehr Zeit haben, könnten Sie doch mal...““, erzählt Bosbach der Deutschen Presse-Agentur. Er habe viele Termine verschoben auf die Zeit nach dem Bundestag. Das arbeite er nun ab. In kleinen und großen Sälen. „Ich spreche über die Lage der Nation und über die Lage der Union.“ Die Veranstaltungen seien „supergut besucht, da bleibt kein Stuhl frei.“ Aber der Reiseaufwand mache ihm zu schaffen. „Im Moment sage ich mehr ab als zu.“

Wolfgang Bosbach war mal Supermarktleiter

Bosbach, verheiratet, drei erwachsene Töchter, im ersten Leben Supermarktleiter, dann nach Abitur und Jurastudium auch als Rechtsanwalt tätig, ist unheilbar an Krebs erkrankt. Vor einigen Jahren hatte er das öffentlich gemacht. „Die Krebstherapie hat leider eine chronische Müdigkeit zur Folge, die ich - so paradox es sich anhört - am heftigsten spüre, wenn ich einmal Ruhe habe“, sagt er. „Solange ich wie ein Hamster im Rad unterwegs bin, merke ich das eigentlich gar nicht. Ich habe keine Schmerzen, keine Beschwerden, die mich daran hindern zu tun, was ich gerne tun möchte.“ Gerade war er im Urlaub im Oman.

Von seinem Parteifreund Armin Laschet, dem NRW-Ministerpräsidenten, hat sich der 65-Jährige zum Vorsitzenden einer neuen Kommission berufen lassen. In der Staatskanzlei angesiedelt, hochkarätig besetzt. Laschet betont, das Gremium solle die Sicherheitsarchitektur einer „Generalrevision“ unterziehen. Arbeitsintensiv, berichtet Bosbach. „Von einem Ruhestand im Schaukelstuhl kann keine Rede sein.“

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Fällt ihm Verzicht auf Einfluss, auf Macht schwer? „In 46 Jahren hatte ich überhaupt noch nie das Gefühl, Macht zu haben. Ich konnte an wichtigen Entscheidungen mitwirken, mehr aber auch nicht.“ Die parlamentarische Arbeit und das „gute Miteinander auch über Parteigrenzen hinweg“ werden ihm sicher künftig fehlen, sagt er - ergänzt allerdings, mit Blick auf das Gezerre um eine GroKo: „In den letzten Monaten war ich überhaupt nicht traurig, dass ich bei diesen quälenden Debatten nicht aktiv dabei sein musste. Im Gegenteil.“ Dass die CDU das Finanzministerium an die SPD abtreten will, findet er „mehr als bitter“.

Der CDU-Mann gilt als einer der bekanntesten und beliebtesten Politiker, obwohl er nie ein Ministeramt innehatte. Von 1994 bis Oktober 2017 war er im Bundestag aktiv, bis 2009 neun Jahre lang Vizechef der Unionsfraktion. In den letzten Jahren fremdelte er arg mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU), etwa in puncto Euro-Rettung oder Flüchtlingspolitik. In der Partei empfanden ihn einige als Abweichler, Querulant. Politiker müssten mehr erklären, mahnt Bosbach. Kaum einer nimmt so häufig auf einem Talkshowsofa Platz wie er. Macht ihn so eine öffentliche Aufmerksamkeit nicht süchtig?

 TV-Einladungen werden weniger

Die TV-Einladungen werden allmählich weniger, sagt Bosbach. „Dafür habe ich Verständnis, dass man lieber die einlädt, die jetzt aktiv Verantwortung tragen. Da habe ich keine Entzugserscheinungen.“ Auch - Hand aufs Herz - keine Angst, in Vergessenheit zu geraten? „Man sollte sich nicht wichtiger nehmen, als man ist. Ein Mandat hat man nur auf Zeit. Es wäre schade, wenn man durch das Land oder durch die Stadt fahren würde, mit dem Gedanken: Hoffentlich erkennt mich noch einer.“

Seit 46 Jahren ist er Mitglied der CDU. „Und zwar nicht aus Zufall oder Versehen, sondern aus Überzeugung.“ Seine Beobachtung: „Ich habe nicht das Gefühl, dass Politik-Verdrossenheit herrscht“, eher „Parteien-Verdrossenheit“ oder „Politiker-Verdrossenheit“. Einen ganz unpolitischen Wunsch hat Bosbach. An die Forschung. „Wenn die Medizin helfen könnte, dass wir nicht länger leben, sondern länger gut, selbstbestimmt und leidensfrei, das wäre dann ein Segen für die Menschheit.“ Der Rheinländer verrät ein persönliches Rezept: „Eine Karnevalssitzung hat mehr therapeutische Wirkung als alle Pillen. Die letzte Karnevalssitzung wird mir schwerer fallen als die letzte Plenarsitzung des Deutschen Bundestages.“ (dpa)

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