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Extremist oder Nationalheld?Kurzporträt des ermordeten Kassem Soleimani

Lesezeit 3 Minuten
Soleimani

Kassem Soleimani bei einer religiösen Zeremonie in Teheran am 27 März 2015.

Istanbul – Man nannte ihn den „Schatten“. Kassem Soleimani, 62, war einer der mächtigsten Männer im Nahen Osten und gleichzeitig ein großer Unbekannter. Bis zu seiner Ermordung bei einem amerikanischen Drohnenangriff in Bagdad in der Nacht zum Freitag arbeitete der Generalmajor der iranischen Revolutionsgarden und Kommandeur der Al-Quds-Eliteeinheit daran, den Einfluss des Iran in der Region zu stärken – oft mit rücksichtslosen Mitteln.

Soleimani war ein brutaler Extremist und treuer Gefolgsmann des iranischen Regimes. Er half in Syrien bei der Niederschlagung des Aufstands gegen Präsident Baschar al-Assad und lenkte militante Gruppen, die viele Menschen im ganzen Nahen Osten töteten. Er unterstand unmittelbar dem iranischen Revolutionsführer Ajatollah Ali Khamenei und hatte weitgehend freie Hand für die Unterstützung von Gruppen wie die Hisbollah im Libanon oder pro-iranischer Milizen im Irak.

Iranischer Nationalheld

Doch Soleimani war für viele auch ein iranischer Nationalheld, der beim Sieg über den Islamischen Staat eine wichtige Rolle spielte und selbst von Gegnern des Regimes als eine Art iranischer Markus Wolf bewundert wurde.

Wie der frühere DDR-Spionagechef Wolf wirkte Soleimani meist im Verborgenen. Der frühere CIA-Agent John Maguire sagte dem Magazin „The New Yorker“ einmal, Soleimani sei „der mächtigste Einzelakteur im Nahen Osten. Und niemand kennt ihn.“ Der britische „Guardian“ bezeichnete Soleimani als wichtigsten Drahtzieher des Nahen Ostens.

Schlüsselfigur der Nahost-Strategie

Ähnlich wie Wolf war Soleimani nicht nur ein Vollstrecker, sondern auch ein strategischer Kopf. Im vergangenen Jahr kürte ihn das US-Magazin „Foreign Policy“ zum weltweit führenden Militär-Denker. Der Offizier mit graumeliertem Vollbart war eine Schlüsselfigur der aggressiven iranischen Nahost-Strategie. Er versuchte, den Einfluss des Iran im Irak und Syrien auszuweiten, den libanesischen Verbündeten Hisbollah am Mittelmeer zu stärken und die anti-saudischen Huthi-Rebellen im Jemen aufzurüsten.

Soleimanis Weltsicht wurde durch den – vom Westen unterstützten – Krieg des Irak gegen den Iran in den 1980er Jahren geprägt. Dieser Konflikt ist bis heute ein nationales Trauma für die Iraner. Sie mussten damals erleben, dass der irakische Diktator Saddam Hussein bei seinem Angriff auf ihr Land milliardenschwere Hilfe aus den USA erhielt. Soleimani, der in seiner Jugend ein begeisterter Bodybuilder gewesen sein soll, hatte sich kurz nach der iranischen Revolution von 1979 den Revolutionsgarden angeschlossen. Er kämpfte von 1980 bis 1988 im Krieg gegen die Irak.

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Die Erinnerung an den Krieg, bei dem rund 500.000 Iraner starben, ist einer der Gründe für die iranische Einmischung beim Nachbarn: Der Iran will sicherstellen, dass er nie wieder vom Irak angegriffen wird. Die Iran-feindliche Nahost-Politik der USA hat die Gegnerschaft zu Washington zementiert.

Soleimanis Tod ist ein schwerer Rückschlag für das Regime in Teheran, doch die iranischen Revolutionsgarden werden durch den Verlust angespornt, weiter gegen den Westen zu kämpfen. Anderthalb Jahre vor seiner Ermordung hatte Soleimani im Sommer 2018 eine Warnung an die amerikanische Regierung geschickt, die heute wie ein Auftrag an seine Nachfolger in Teheran wirkt: Amerika werde den Krieg vielleicht beginnen, aber der Iran werde ihn gewinnen, sagte Soleimani damals an die Amerikaner gerichtet. „Wir sind bereit.“  

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