Frage des TagesGelingt AKK der Befreiungsschlag?

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AKK Volkstrauertag

Fehler und Fettnäpfchen haben Annegret Kamp-Karrenbauers (CDU) Ruf beschädigt.

  • Fehler und Fettnäpfchen haben ihren Ruf beschädigt.
  • Der Parteitag in Leipzig wird entscheidend.
  • Die Gegner sind gewarnt.

Berlin – Ihre Beliebtheitswerte sind nahezu im freien Fall, aber Annegret Kramp-Karrenbauer wird mit Sicherheit nicht kampflos aufgeben. Der Parteitag der CDU wird es zeigen: Versagen die Parteimitglieder ihrer angeschlagenen Chefin offen die Gefolgschaft?

Beim CDU-Parteitag in Leipzig stehen keine Vorstandswahlen an, und dennoch werden die Delegierten über Annegret Kramp-Karrenbauer abstimmen. Mit der Unterstützung oder Abwehr ihrer Themen, mit kritischen oder stützenden Reden und vor allem mit dem Beifall für sie – oder mit dem Applaus für ihre Widersacher. Allen voran Friedrich Merz, wenngleich dessen ursprünglich erwartete Offerte ins Wanken geraten zu sein scheint, nachdem er seiner harten Pauschalkritik an der Bundesregierung keine Strategie folgen ließ und Erwartungen eigener Anhänger enttäuschte. Doch die Lage in der CDU insgesamt ist angespannt. Es rumort heftig.

Unmut in den Landesverbänden

Im Landesverband Baden-Württemberg heißt es, die CDU sei inhaltlich „insolvent“. Also pleite, bankrott, ruiniert. Darüber wird zwar im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin müde gelächelt, weil sich gerade die Südwest-CDU im einstigen Stammland der Christdemokraten so heruntergewirtschaftet hat, dass sie nur noch Juniorpartner der Grünen ist und damit in der Bundespartei an Respekt eingebüßt hat.

Aber auch in anderen Landesverbänden ist der Unmut groß. Vor allem im Osten, wo die AfD bei den Landtagswahlen in Thüringen und Brandenburg die CDU übertrumpft hat. Das wird auch Kramp-Karrenbauer und ihren Fehlern wie der langen Sprachlosigkeit in der Klimadebatte oder der Reaktion auf das Youtube-Video „Zerstörung der CDU“ angelastet.

Ausgeprägte Tiefen

Von einem Jahr mit Höhen und Tiefen zu sprechen, wäre für Annegret Kramp-Karrenbauer noch schmeichelhaft. Die Tiefen waren in ihren ersten zwölf Monaten als Nachfolgerin von Angela Merkel an der CDU-Spitze zahlreicher und ausgeprägter. Ihr Höhenflug in der Beliebtheitsskala, kurz nachdem sie Merz bei der Wahl zum Parteivorsitz knapp ausgestochen hatte, währte nur kurz. Inzwischen ist die Saarländerin in dieser Kategorie regelrecht abgestürzt.

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Der ARD-Deutschlandtrend maß Anfang November den bisher niedrigsten Wert für die Christdemokratin. Für CDU und CSU ist das aber die Währung: Die Kanzlerkandidatur übernimmt, mit wem die Union die größten Chancen hat, auch ins Kanzleramt einzuziehen. Bei Kramp-Karrenbauer sind da in der Partei Zweifel aufgekommen. Selbst treue, aber inzwischen etwas desillusionierte Befürworter der 57-Jährigen sagen: Der Zug ist abgefahren. Stattdessen werden immer wieder die Ministerpräsidenten aus NRW und Bayern genannt, Armin Laschet und CSU-Chef Markus Söder. Und ein anderer Teil schwärmt für Merz.

Eine Zäsur ist nötig

Der CDU-Bundesparteitag am Freitag und Samstag wird für Kramp-Karrenbauer deshalb eine Zäsur. Sollte die angeschlagene Parteichefin noch eine Chance haben, das Ruder herumzureißen, wird es in Leipzig sein. Sie muss Stärke vermitteln, Aufbruch versprühen, sympathisch und menschlich rüberkommen und die Delegierten begeistern. So, wie es ihr in ihrer Bewerbungsrede als Generalsekretärin im Frühjahr 2018 gelungen war.

Und so, wie sie die Mehrheit der Delegierten bei der Vorstandswahl am 7. Dezember 2018 für sich gewinnen konnte. Das Interessante ist, dass auch ihre Kritiker in der Partei ihr gerade unter diesem Druck eine fulminante Rede zutrauen. Sie werde bestens vorbereitet in den Kongress gehen, ein paar Fehler eingestehen und dann den Blick nach vorn richten – und damit die Kurve kriegen, prognostiziert ein Vorstandsmitglied.

Möglichkeiten der Profilierung

Diese drei Punkte könnte Kramp-Karrenbauer machen:

Erstens: In der Frage der Beteiligung des chinesischen Konzerns Huawei am Ausbau des deutschen 5G-Mobilfunknetzes wird sie sich voraussichtlich von der Kanzlerin abgrenzen. Merkel lehnt einen grundsätzlichen Ausschluss von Huawei ab.

Zweitens: Sie will eine Brücke zur Vorsitzenden der Frauen-Union, Annette Widmann-Mauz, in Sachen Frauenquote schlagen. Sie sehe sich als Anwältin für die Frauen, heißt es in der Parteizentrale, und wolle deshalb eine Abstimmung über eine erstmals verbindliche Frauenquote – unter anderem mit der Besetzung von Listenplätzen mit Männern und Frauen im Reißverschlussverfahren auf dem Parteitag verhindern. Logisch? Ja, weil Widmann-Mauz ansonsten vermutlich eine Niederlage erleiden würde. Stattdessen soll eine Kommission verbindlich für den Parteitag 2020 Vorschläge machen. Die erzkonservative WerteUnion, die eine verbindliche Frauenquote ablehnt, hat den Braten gerochen. Ihr Vorsitzender Alexander Mitsch drängt auf eine Abstimmung über den Antrag, „damit er nicht in ein stilles Kämmerlein beziehungsweise Gremium hinter verschlossenen Türen vertagt wird“.

Drittens: Der für die Parteichefin gefährliche JU-Antrag auf Urwahl der nächsten Kanzlerkandidatur könnte abgeschmettert werden, „wenn die CDU noch einigermaßen bei Vernunft ist“, heißt es in Parteikreisen. Doch braucht der Parteitag ein Ventil für den Unmut. Nur Welches? Sicher ist: Kramp-Karrenbauer braucht einen Befreiungsschlag.

Kritik

Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser: Die Union findet keinen Weg, ihre Grundwerte in zeitgemäße Politik zu übersetzen. Weder beim christlichen Menschenbild, dem vermeintlichen Leitbild ihres politischen Handelns, noch in der proklamierten Wirtschaftskompetenz. Besonders deutlich wird die Orientierungslosigkeit beim Klima- und Umweltschutz.

Seit ihrem zweiten Grundsatzprogramm aus dem Jahr 1994 beschwört die CDU die Bewahrung der Schöpfung als Triebfeder ihrer Umweltpolitik. Gemessen daran sind die Ergebnisse christdemokratischer Politik niederschmetternd.

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