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Interview mit Klara Geywitz„Kinder haben im Hartz-IV-System nichts zu suchen“

Lesezeit 5 Minuten
Klara Geywitz

Klara Geywitz, Brandenburger SPD-Landtagsabgeordnete, kandidiert für den SPD-Parteivorsitz.

  • Beim SPD-Parteitag möchte Klara Geywitz gemeinsam mit Olaf Scholz für den Parteivorsitz kandidieren. Beide gelten als Favoriten.
  • Für sie stehen der Erneuerungsprozess der SPD und die Einführung der Vermögenssteuer im Mittelpunkt.
  • Im Interview erklärt sie, warum sie sich über die stressige Aufgabe freuen würde und was sie von einer erneuten Groko hält.

Berlin – Klara Geywitz, SPD-Landtagsabgeordnete aus Brandenburg, kandidiert gemeinsam mit Bundesfinanzminister Olaf Scholz um den SPD-Vorsitz. Im Gespräch mit der Kölnischen Rundschau spricht sie unter anderem über ihre Pläne als mögliche Parteivorsitzende, den SPD-Erneuerungsprozess und die Wichtigkeit der Vermögenssteuer.

Eine SPD-interne Forsa-Umfrage sieht Sie und Herrn Scholz als Favoriten im Rennen um den SPD-Vorsitz. Sehen Sie das auch so?

Ich habe mich über die Zahlen gefreut. Weiß aber nicht, wie belastbar sie sind. In den Regionalkonferenzen haben wir alle die Möglichkeit, für uns und unsere Anliegen zu werben.

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Mit welchen Themen wollen Sie die Genossen inhaltlich überzeugen?

Die große Herausforderung unserer Generation ist es, den Planeten für unsere Kinder und Enkelkinder zu bewahren. Als Sozialdemokratie müssen wir Ökologie und die soziale Frage zusammenbringen und Deutschlands Wirtschaft mit diesem Ziel modernisieren. Wenn wir das gut anpacken, dann bleiben wir auch in den nächsten Jahrzehnten eine erfolgreiche Exportnation. Das zweite große Thema ist, dass die Schere zwischen Arm und Reich stetig weiter auseinandergeht. Das ist ein Grund, warum viele Menschen trotz Rekordbeschäftigung und Lohnsteigerungen unzufrieden sind. Ich will daran arbeiten, diesen Trend zu stoppen und die Schere wieder zu schließen.

Ist die Vermögenssteuer das richtige Konzept dafür?

Die Vermögenssteuer ist richtig. In der Schweiz funktioniert sie auch gut. Mit diesem Geld sollten wir in die Zukunft investieren. Modernste Netze im ganzen Land installieren, Brücken sanieren, Energiespeicher bauen, alte Heizungen gegen neue austauschen, aber auch Jugendarbeit fördern und Altenpflege besser bezahlen – die Liste ist lang. Dafür wäre die Vermögenssteuer ein wichtiger Beitrag.

In den vergangenen zehn Jahren gab es sprudelnde Steuereinnahmen. Der Staat hat dennoch nicht die notwendigen Investitionen getätigt. Was macht Sie so sicher, dass er das mit Einnahmen aus der Vermögensteuer tut?

Wenn Sie über die Autobahnen fahren, sehen Sie, wie viele Baustellen es gibt. Es wird also Geld investiert. In Teilen können bereitstehende Gelder nicht ausgegeben werden, weil nicht genug Fachkräfte da sind. Wir brauchen auch massive Investitionen in die Bahn. Wenn die Vorschläge für den Deutschland-Takt Wirklichkeit werden sollen, muss die Bahn bei ihren Planungs- und Bauvorhaben schneller werden. Das gilt auch für Verbindungen in unsere Nachbarländer. Der Zug von Berlin nach Breslau braucht heute länger als vor dem Zweiten Weltkrieg. Das ist leider kein Witz.

Würden Sie als SPD-Chefin den von der SPD nach der Bundestagswahl angeschobenen Erneuerungsprozess fortsetzen?

Ja, als Vorstandsmitglied war ich ja schon eingebunden. Als Mutter von drei Kindern ist mir die Einführung einer Kindergrundsicherung besonders wichtig. Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Sie haben im jetzigen Hartz-IV-System nichts zu suchen. Sie sind ja keine Arbeitssuchenden. Sie brauchen eine eigenständige Absicherung. Das ist ein Baustein, um Kinderarmut wirksam zu verhindern. Mit Blick auf die SPD müssen unsere Bürgermeister und Kommunalpolitiker wieder eine viel stärkere Stimme haben. Sie bringen die Probleme des Alltags unmittelbar auf den Tisch der Bundespolitik. Genau das brauchen wir.

Die Liste der Vorsitzenden, mit denen schlecht umgegangen wurde, ist lang. Ist die SPD eine ungnädige Partei?

So würde ich das nicht sehen. Wir Sozialdemokraten sind zu großen Emotionen fähig, auch zu großer Begeisterung. Wer in die SPD eintritt, will die Welt verbessern und ist ungeduldig. Deshalb tun wir uns manchmal mit notwendigen Kompromissen ein bisschen schwer und sind manchmal die Drama Queen der Parteienlandschaft. Mir hat es leidgetan, wie mit Andrea Nahles umgegangen wurde. Sie hat ja ihr Leben lang für die SPD gearbeitet und ist eine klasse Frau. Mir ist es wichtig, dass nun der Kandidatenwettbewerb um den Vorsitz fair und transparent verläuft.

Der SPD-Vorsitz gilt als einer der schwierigsten und härtesten Jobs, den die deutsche Politik zu vergeben hat. Warum tun Sie sich das an?

Weil ich die SPD von ganzem Herzen mag. Die SPD wird gebraucht. Ihre Aufgabe ist es, das Bündnis der Starken mit den Schwachen im Land zu organisieren. Alle Menschen haben soziale Verantwortung. Leistungsträger sind alle, die morgens früh aufstehen, hart arbeiten, sich um ihre Kinder kümmern. Wir brauchen eine starke SPD, die dafür sorgt, dass die Löhne steigen und dass es gerecht zugeht. Das ist meine politische Haltung. Aber als Olaf Scholz mich gefragt hat, habe ich trotzdem erstmal geschluckt. . .

Wie lange haben Sie nachgedacht?

Das war ein relativ kurzer Prozess des Nachdenkens. Wichtig war für mich, dass ich Olaf Scholz als angenehmen, ruhigen und sehr verlässlichen Menschen in der Politik kennengelernt habe. Ich habe daran gedacht, dass ich in Brandenburg das Parité-Gesetz durchgesetzt habe, das künftig mehr Frauen in die Parlamente bringt. Dann habe ich mir gesagt: Wenn ich will, dass Frauen und Ostdeutsche Einfluss haben, sollte eine ostdeutsche Frau auch kandidieren.

Was können Sie besser als Herr Scholz?

Olaf Scholz kann viele Dinge sehr gut erklären und ich kann die Sachen auf den Punkt bringen.

Herr Scholz hat ja schon gesagt, dass er sich die Kanzlerkandidatur zutraut. Wie steht es bei Ihnen?

Das nächste politische Ziel, das ich anstrebe, ist am Sonntag mein Mandat im Landtag Brandenburg wiederzugewinnen.

Stehen Sie dafür, dass die SPD in der Groko bleibt?

Ich wundere mich, dass viele meinen, die Kombination aus Olaf Scholz und Klara Geywitz sei eine automatische Weiterführung der großen Koalition. Ich bin seit zehn Jahren Abgeordnete in einer rot-roten Koalition. Man kann die Probleme im Land nur lösen, wenn man regiert – das heißt aber nicht, dass wir zwangsläufig für die große Koalition stehen. 

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