JU-Chef Tilman Kuban„Hält sich die SPD nicht an den Koalitionsvertag, muss sie gehen“

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Tilman Kuban

Tilman Kuban, Bundesvorsitzender der Jungen Union Deutschland

  • Bevor Ende der Woche in Leipzig der CDU-Bundesparteitag stattfindet, spricht der JU-Vorsitzende Tilman Kuban über die anstehende Kanzlerwahl.
  • Kuban hält nichts von dem Appell von CSU-Chef Söder, die Kanzlerkandidatur-Debatte zu beenden.
  • Im Interview spricht er über die Rolle der SPD. Und erklärt, warum die Einkommensgrenze für Mini-Jobber erhöht werden muss.

Berlin – Auf dem kürzlichen Deutschlandtag der Jungen Union hatten sich ihr Vorsitzender Kuban und Friedrich Merz auf der Bühne mit Bier zugeprostet. Zu dessen harter Kritik an der Bundesregierung geht Kuban in unserem Interview nun allerdings überraschend auf Distanz. Der junge, wortgewaltige Niedersachse fährt seinen eigenen Kurs.

Herr Kuban, die Junge Union beantragt beim Parteitag der Christdemokraten in Leipzig, dass CDU und CSU die nächste Kanzlerkandidatur per Urwahl bestimmen. Warum wollen Sie der Parteichefin das Zugriffsrecht nehmen?

Annegret Kramp-Karrenbauer hat gesagt, dass sie keinen innerparteilichen demokratischen Wettbewerb scheut. Das hat sie im letzten Jahr im Ringen um den Parteivorsitz auch gezeigt und deswegen muss sie den Wettbewerb auch bei einer Urwahl zur Kanzlerkandidatur nicht scheuen. Wir wollen ein Verfahren festlegen für den Fall, dass es in der Union mehrere Kandidaten geben sollte. Wir leben nicht mehr im Jahr 2005, als Angela Merkel das erste Mal Kanzlerkandidatin wurde. Heute wollen die Mitglieder viel mehr mitbestimmen. Auch die Parteispitze sollte begreifen, dass moderne Parteiarbeit mehr Mitmachen bedeutet. Das ist sicherlich nicht immer einfach, aber notwendig, wenn wir Volkspartei bleiben wollen.

Alles zum Thema Jens Spahn

Im oberschwäbischen Bald Waldsee haben bei einer JU-Veranstaltung am Samstag viele Delegierte bei einer Rede von Friedrich Merz „Kanzler, Kanzler“ gerufen. Ist das so, die JU will Friedrich Merz als Kanzler?

Innerhalb der JU gibt es den Wunsch, dass wir Leute an der Parteispitze haben, die für klare Positionen stehen. Wir sind in den vergangenen Jahren zu oft hinterhergelaufen. Friedrich Merz bedient viele Sehnsüchte. Aber es gibt in der JU auch viele Leute, die andere Persönlichkeiten an der Parteispitze gut finden.

Wen?

Jens Spahn, Armin Laschet, Markus Söder, Annegret Kramp-Karrenbauer und die Liste ist noch verlängerbar. Ich bin stolz, dass wir mehr als einen geeigneten Kandidaten haben. Davon träumen andere Parteien nur.

CSU-Chef Markus Söder hält nichts von der Kanzlerkandidatur und die JU vertritt ja auch die Nachwuchspolitiker der CSU. Was nun?

Wir müssen unseren Mitgliedern eine neue Motivation geben. Zusammen sind es in CDU und CSU rund 600.000. Wir wollen doch, dass sie bereit sind, mit uns in den Wahlkampf zu ziehen und die Menschen zu überzeugen. Die Union muss dafür moderner werden und die Basis besser einbinden. Jedes Mitglied ist ein Multiplikator für unsere Politik.

Herr Söder fordert aber ein Ende der Debatte um die Kanzlerkandidatur. Werden Sie den JU-Antrag zum Parteitag zurückziehen?

Nein. Ich werde mit den JU-Delegierten auf dem Parteitag für die Urwahl kämpfen. Das erwarten meine Mitglieder von mir.

Bei der SPD werden Parteivorstand und Kanzlerkandidatur per Urwahl bestimmt. Ist das Ihr Vorbild?

Die haben doch gegenwärtig bei der Suche nach den neuen Vorsitzenden ein totales Chaosverfahren. Erst wollte niemand antreten, dann haben einige keine Frau gefunden und dann haben sie 23 nach und nach abflauende Regionalkonferenzen gemacht. Bei uns standen im letzten Jahr nach zwei Tagen die drei Kandidaten fest, wir haben acht Regionalkonferenzen durchgeführt und danach wollten viele Teilnehmer am liebsten sofort abstimmen. So würden wir das auch bei der Urwahl machen und damit der Partei neues Leben einhauchen.

Zur Person Tilman Kuban

Tilman Kuban ist seit März 2019 Bundesvorsitzender der Jungen Union und damit auch Mitglied im CDU-Bundesvorstand. Der 32-Jährige Jurist studierte von 2007 bis 2013 an der Universität Osnabrück, und absolvierte sein Referendariat 2014 bis 2016 im Bezirk des Oberlandesgerichts Celle.

Seit 2016 ist er für die Unternehmerverbände Niedersachsen als Leiter der Abteilung Recht und Nachhaltigkeit tätig. In Langenhagen nördlich von Hannover geboren lebt er nun in Barsinghausen westlich der Landeshauptstadt. Der bekennende Fußball-Fan engagiert sich seit vielen Jahren in seinem Heimatverein TSV Kirchdorf. Zuletzt war er auch als  Nachwuchsscout für Hannover 96 tätig. (EB)

Der CSU-Chef bezeichnet die harte Kritik von Herrn Merz an der Bundesregierung - „grottenschlecht“ - als Fehler. Wie sehen Sie das?

Es gibt Minister, die eine sehr gute Performance haben, wie Gesundheitsminister Jens Spahn zum Beispiel. Deswegen teile ich die Kritik von Friedrich Merz in dieser Schärfe und Gänze nicht.

Ist die Koalition nach dem Kompromiss bei der Grundrente gesichert?

Da muss man den Parteitag der SPD abwarten. Die Junge Union will - im Gegensatz zu den Jusos - regieren. An uns scheitert die Koalition nicht, wenn wir auf der Grundlage des Koalitionsvertrags arbeiten. Ich bin aber nicht gewillt, ständig darüber hinauszugehen, nur weil die SPD ihren Parteitag retten will. Wir werden uns nicht erpressen lassen. Die SPD muss eine Neuwahl eher fürchten als wir.

Also, nach dem CDU-Parteitag steht die Koalition noch und wenn die SPD in Ihren Augen dann bei ihrem Parteitag der Union wieder mehr abverlangt, kracht es?

Wir haben einen Koalitionsvertrag und an den hat sich die SPD zu halten. Will sie das nicht mehr, dann muss sie gehen.

Auf die Jugend kommen immer mehr Lasten der alten Generation zu. Muss nicht viel früher angesetzt werden? Haben SPD und Grüne vielleicht doch einen wichtigen Punkt, den Mindestlohn auf zwölf Euro pro Stunde zu erhöhen?

Das ist ein Angriff auf die Tarifautonomie. Die Löhne werden in Deutschland zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften verhandelt. Ich will, dass die Tarifpartner stark sind und ihre Kernaufgabe erfüllen. Politisch motivierte Lohnfindungen sind und bleiben falsch.

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Die JU bringt in Leipzig einen Antrag ein, dass die Einkommensgrenze für geringfügige Beschäftigung von 450 Euro auf 550 Euro pro Monat erhöht werden soll. Was leitet Sie? In Deutschland gehen 7,5 Millionen Menschen einer geringfügigen Beschäftigung nach. Studenten, Schüler, Rentner können ihre Einkommenssituation dadurch verbessern. Zwei Drittel der Studenten haben einen Nebenjob. Wir wollen, dass sie mehr hinzuverdienen können, weil auch die Preise in den letzten Jahren gestiegen sind.

Dafür müssten sie dann mehr arbeiten. Wie verträgt sich das mit den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen?

Bei seiner Einführung lag der Mindestlohn bei 8,50 Euro, man konnte maximal 52 Stunden pro Monat arbeiten. Mit den Erhöhungen des Mindestlohns auf jetzt über neun Euro sinkt auch die mögliche Arbeitszeit. Das bedeutet aber nicht, dass Arbeitnehmer jetzt mehr Geld in der Tasche hätten, sondern nur, dass sie weniger arbeiten dürfen. Die Anpassung der Einkommensgrenze auf 550 Euro wird dabei auch keine Konkurrenz zu den normalen Jobs sein. Denn nach der Erhöhung von 400 auf 450 Euro im Jahr 2013 ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland um mehr als vier Millionen Menschen gestiegen.

Sie haben als Schiedsrichter auf dem Fußballfeld als 14-Jähriger einmal die Rote Karte gezückt und dabei erstmals so etwas wie ein Machtgefühl gehabt, wie sie einmal erzählt haben. Wem würden Sie heute die Rote Karte zeigen?

Björn Höcke und Bodo Ramelow.

Warum diese Gleichsetzung des Thüringer AfD-Chefs und des Linken-Ministerpräsidenten?

Weil wir mit beiden nicht zusammenarbeiten können. Wer die Verbrechen der Wehrmacht relativiert oder Stasi-Spitzel in seiner Fraktion duldet, ist für uns kein Partner.

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