KommentarDer rote Faden in den Graubereich des Amri-Attentates

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breitscheidplatz Gedenken

Eine Frau übergibt am Breitscheidplatz am Mahnmal nach einer Abendandacht ein Kerzenlicht. (Archivbild 2018)

  • Vor dem untersuchungsausschuss zum Attentat auf dem Breitscheidplatz hat ein Kommissar des LKA NRW ausgesagt.
  • Seine Darstellung, man habe ihn dazu bringen wollen, eine Quelle auszuschalten, dementiert das Innenministerium.
  • Widersprüche wie dieser sind es, was die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses so wichtig gemacht hat.

Berlin – Wenn sich ein Mann allein in seiner Wohnung radikalisiert, ohne Kontakt zur Außenwelt einen Anschlag vorbereitet und dann zuschlägt, kann der Staat an seinem Radar für verdächtiges Verhalten basteln, ist ansonsten jedoch machtlos. Wenn aber einer wie Anis Amri einen Anschlag mit 13 Toten und über 70 Verletzten begeht, vorher von Informanten der Sicherheitsbehörden regelrecht umzingelt wurde, immer wieder als mögliche Gefahr im Terrorabwehrzentrum benannt und bei Kontakten mit der Terrormiliz belauscht worden war, dann hat es ein gewaltiges Behördenversagen gegeben.

So viel stand auch schon am Ende der Arbeit der ersten Untersuchungsausschüsse in Berlin und Düsseldorf fest. Es störte an diesen Befunden, dass große Teile der behördlichen Aufklärung darauf gerichtet waren, die eigenen Anteile am Versagen zu minimieren und die der anderen Behörden zu maximieren. Wie gut es war, einen weiteren Untersuchungsausschuss einzusetzen und jeden Stein ein weiteres Mal umzudrehen, zeigt sich nun nach der sensationellen Aussage eines Hauptkommissars vom Landeskriminalamt aus NRW. 

Aussage könnte Licht in Graubereich der Behörden bringen

So befremdlich es ist, dass der Beamte erst jetzt mit der Enthüllung über die Intervention „von oben“ herausrückt, so erwartbar ist, dass die unter Verdacht geratenen BKA und Innenministerium erst einmal dementieren, sie hätten die wichtigste Amri-Kontaktperson in NRW kaltstellen wollen. Doch mit der Aussage nähert sich der Ausschuss einem Graubereich. Dieser wird etwa von Hinweisen aus dem Kreis der Opferangehörigen definiert, die von Vertretern des Staates mit Zugang zu Geheimakten erfahren haben wollen, es sei letztlich gut für sie, „nicht alles zu erfahren“, was bei diesem Attentat eine Rolle gespielt habe. 

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Genau an diesem Punkt ist der neue Untersuchungsausschuss jetzt: Der LKA-Beamte hat ihm möglicherweise das Ende eines roten Fadens gereicht, an dem entlang er sich jetzt in eine tiefere Ebene vorarbeiten kann. Natürlich ist es schwierig, einen Bereich mit grellem Licht zu durchleuchten, in dem auch diejenigen enttarnt werden könnten, die den Behörden bislang dabei halfen, weitere Anschläge zu verhindern.

Und es ist auch richtig, dass die Behörden intern die Strukturen und Abläufe so verändert haben, dass ihnen nach ihrer Überzeugung ein Fall Amri nicht noch einmal passiert. Doch sie glaubten schon einmal, alles richtig zu machen und lagen dramatisch falsch. Deshalb muss die ganze Wahrheit auf den Tisch, auch wenn sie zur Verunsicherung des Publikums beitragen sollte, wie es der damalige Innenminister Thomas de Maizière 2015 andeutete. Nur Teile der Antworten zu bekommen, verunsichert auf die Dauer noch mehr. 

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