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Kommentar zur ClankriminalitätDer Staat versagt bei seiner wichtigsten Aufgabe

Lesezeit 2 Minuten
Reul bei Razzia

Herbert Reul (CDU, r), Innenminister von Nordrhein-Westfalen, unterhält sich während einer Razzia von Zoll und Polizei in einer Shisha-Bar mit einem Polizisten.

Fast 6450 Verdächtige, über 14.000 Straftaten. Mord und Mordversuch in 26 Fällen. Das Lagebild Clankriminalität, das NRW-Innenminister Reul präsentierte, zeigt: Die Tätigkeit krimineller Großfamilien stellt eine ernsthafte Bedrohung dar. Und dies gleich in mehrfacher Ausprägung. Erstens für die Opfer selbst. Selbst vermeintlich banale Verbrechen wie Diebstahl oder Einbruch können Betroffene traumatisieren, vom materiellen Schaden ganz zu schweigen. Zweitens erschweren die mafiösen Strukturen sowie die große Zahl möglicher Täter die Strafverfolgung. Familien mit Tausenden Mitgliedern sind für die Fahnder kaum zu durchdringen. Komplexe Ermittlungen binden Polizeikräfte, die woanders fehlen. Wenn es Behörden nicht einmal schaffen, sich bei einem Verdächtigen auf einen Familiennamen zu einigen, macht sich der Staat auch noch zum Gespött von Leuten, die ihm sowieso keinerlei Respekt entgegenbringen.

Der Staat verliert drittens das Vertrauen seiner Bürger. Er versagt nämlich bei einer seiner wichtigsten Aufgaben, ihnen Sicherheit und Schutz zu bieten. Wo der Staat das Feld räumt, etablieren sich andere Schutzmächte. So können ganze Stadtviertel zu Parallelgesellschaften werden.

Deutschland ist ein vergleichsweise sicheres Land, die Verbrechensraten sinken. Dieser Befund rechtfertigt jedoch nicht Ignoranz und falsch verstandene Toleranz, mit der die Clankriminalität zu lange behandelt wurde. NRW-Innenminister Reul hat das Thema zum Arbeitsschwerpunkt gemacht. Das ist sein Verdienst. Entscheidend wird aber sein, ob Politiker und Behörden auch dann nicht nachlassen, wenn die Regierung wechselt und die öffentliche Aufmerksamkeit schwindet. Mit Einzelaktionen und Nadelstichen ist der Kampf gegen die Clans nämlich nicht zu gewinnen.

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