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KorruptionIranische Elite häuft Vermögen an – USA heizt Debatte an

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Ali Khamenei

Ali Khamenei

Istanbul – Fast 100 Milliarden Dollar für Revolutionsführer Ali Khamenei, ein Kommandeur der Revolutionsgarden mit dem Spitznamen „General Milliardär“ und einer Vorliebe für Luxuswohnungen, ein Teheraner Spitzenpolitiker mit mehr als 60 Bankkonten – Mitglieder der iranischen Elite nehmen es mit dem islamischen Gebot der Bescheidenheit nicht immer sehr genau. Jetzt wird die Korruption zum internationalen Thema, denn die US-Regierung nutzt den öffentlichen Hinweis auf die illegalen Reichtümer der Führungsspitze in Teheran, um den Unmut in der iranischen Bevölkerung anzuheizen.

Dass Mitglieder der Führungsspitze in Teheran korrupt sind, ist für die Iraner nichts Neues, wie Iran-Experte Ali Vaez betont. „Neu ist, dass die amerikanische Regierung das Thema benutzt, um Instabilität im Iran zu schaffen“, sagte Vaez, Direktor des Iran-Projekts bei der International Crisis Group, unserer Zeitung. US-Außenminister Michael Pompeo sprach in einer Rede vergangene Woche über die „heuchlerischen heiligen Männer“ in Teheran, die sich selbst die Taschen füllten, während der Rest des Landes unter einer Wirtschaftskrise leide. Die iranische Führung wirke wie eine Mafia-Bande, nicht wie eine Regierung.

Beispiele für seine Vorwürfe fand Pompeo genug. Schon vor fünf Jahren deckte die Nachrichtenagentur Reuters die Machenschaften des von Khamenei kontrollierten Fonds Setad auf, der ein Vermögen von 95 Milliarden Dollar besitzt und unter anderem mit der Zwangsenteignung von Immobilien viel Geld verdient. Auch in der Finanzbranche, im Ölgeschäft und sogar bei der Herstellung von Verhütungsmitteln ist Setad aktiv.

Setad entstand nach der Revolution von 1979, um das hinterlassene Vermögen geflohener Iraner zu verwalten. Heute aber verwende Religionsführer Khamenei das „illegal erworbene“ Vermögen unter anderem zur Finanzierung von Aktivitäten der iranischen Revolutionsgarde, die unter anderem im Syrien-Krieg aktiv sei, sagte der US-Außenminister.

Hinweise auf eine persönliche Bereicherung durch Khamenei fanden sich nicht, doch andere Mitglieder der Elite sind offenbar weniger zurückhaltend. Sadek Laridschani, der Chef der iranischen Justiz, sieht sich dem Vorwurf gegenüber, mehr als 60 Bankkonten mit einem Millionenvermögen zu besitzen. Angeblich zahlen Angeklagte in Gerichtsverfahren auf diese Konten ein. Laridschani betont jedoch, das Geld gehöre nicht ihm selbst, sondern der Justiz.

Als „General Milliardär“ bekannt

Sadek Mahsuli, ein ehemaliger Kommandeur der Revolutionsgarde, trieb es in den vergangenen Jahren so bunt, dass er als „General Milliardär“ bekannt wurde. Von Parlamentariern befragt, hatte Mahsuli eine ideologisch einwandfreie Erklärung parat: Ayatollah Ruhollah Khomenei, der Gründer der Islamischen Republik, habe sich lediglich gegen die Arroganz von Palastbewohnern ausgesprochen – „aber nicht gegen das Leben im Palast an sich“.

Im vergangenen Jahr wurden mehrere Mitglieder der Revolutionsgarde, die wichtige Teile der iranischen Wirtschaft kontrolliert, wegen Korruptionsverdacht festgenommen. Präsident Hassan Ruhani habe die Führung der Garde gewarnt, die Missstände erschütterten die „Säulen des Regimes“, zitierte die „New York Times“ damals einen regierungsnahen Experten. Es bestehe kein Zweifel daran, dass Mitglieder der iranischen Führung „großen Reichtum“ angehäuft hätten, sagt Ali Fathollah-Nejad vom Brookings Doha-Zentrum in Katar. „Wir haben es mit einer Oligarchie zu tun, in der politische und wirtschaftliche Macht nicht voneinander zu trennen sind“, sagte Fathollah-Nejad unserer Zeitung. Der Iran-Experte schätzt, dass ein Teil des illegal zusammengerafften Geldes auch für außenpolitische Abenteuer Teherans in Syrien, Irak oder Libanon verwendet wird.

Die US-Regierung thematisiert die Entwicklung zu einem Zeitpunkt, an dem die Stimmung im Iran ohnehin aufgewühlt ist. Die durch Sanktionsdrohungen verschärften Wirtschaftsprobleme sowie ein dramatischer Währungsverfall und das teure Engagement Irans im syrischen Bürgerkrieg lösen immer wieder Unruhen in der Islamischen Republik aus. Zuletzt trieb Trinkwassermangel die Menschen im Süden des Landes auf die Straßen.

Wenn US-Politiker wie Pompeo nun spektakuläre Missstände vor der Weltöffentlichkeit anprangern, soll damit die Unzufriedenheit in der iranischen Bevölkerung angeheizt werden. Kritiker werfen der US-amerikanischen Regierung vor, Ziel der Kampagne sei der Sturz des Mullah-Regimes. Washington betont dagegen, der „maximale Druck“ solle lediglich ein Einlenken Teherans in der Frage des Atomprogramms sowie ein Ende der aggressiven iranischen Politik im Nahen Osten erzwingen.

Ob der Trick funktioniert, muss sich noch zeigen. Zumindest nach außen gibt sich die iranische Führung gelassen. Amerika habe seit der iranischen Revolution vor fast 40 Jahren schon häufiger versucht, die Islamische Republik zu destabilisieren, ließ sich ein hochrangiger iranischer Regierungsvertreter von der Nachrichtenagentur Reuters zitieren: „Sie werden auch diesmal scheitern.“

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